Berlin. Eine Stunde lang musste sich Jens Spahn von den Abgeordneten des Bundestags grillen lassen – und wies dabei die Verantwortung zurück.

Hast du Scheiße am Fuß, hast du Scheiße am Fuß. Die etwas derb formulierte Lebensweisheit von Fußball-Weltmeister Andreas Brehme trifft auf keinen Spitzenpolitiker mehr zu als auf Jens Spahn. Der Bundesgesundheitsminister erinnert derzeit an einen Abwehrchef, der mit einer Reihe von Stellungsfehlern Niederlagen begünstigt und so den Abstieg seiner Mannschaft vorantreibt - und seinen eigenen.

Ob Fehler bei der Impfstoffbeschaffung, ein verpatzter Impfkampagnenstart oder zu früh angekündigte Schnelltests für alle – Spahn kommt aus der Kritik nicht mehr heraus. Als „Ankündigungsminister“ hatte ihn zuletzt SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verspottet.

Corona-Impfung: Spahn im Kreuzverhör

Am Mittwoch musste sich Spahn im Bundestag eine Stunde lang der Befragung des Parlaments stellen. In einer kurzen Einleitung versuchte er zunächst nochmal eine Eigenwerbung: „Wir befinden uns auf einem guten Weg“, sagte er. Es sei gelungen, das Infektionsgeschehen wieder besser unter Kontrolle zu bringen und die Dynamik „ein ganzes Stück“ zu brechen. Auch seien inzwischen über vier Prozent der Bevölkerung geimpft. In den Kliniken und auf den Intensivstationen sei eine Entlastung spürbar. „Dieses Virus gibt nicht einfach auf“, sagte Spahn: „Aber wir haben Tag um Tag mehr Mittel, um damit umzugehen.“

Das sahen Abgeordnete aller Fraktionen (mit Ausnahme der eigenen) erwartungsgemäß anders. Sie nahmen Spahn ins Kreuzverhör. Doch dieser zeigte sich im Vergleich zu seinem eher matten Vorwort recht angriffslustig. Auf die Frage von SPD-Vizefraktionschefin Bärbel Bas, warum viele Menschen mit höchster Impfpriorität immer noch keine Impfung erhalten haben, verwies er auf die Zuständigkeit der Länder.

Ebenso bei der Aufforderung der Grünen-Gesundheitspolitikerin Maria Klein-Schmeink, das Chaos bei der Impforganisation zu beenden, damit auch Menschen mit Vorerkrankungen und Behinderungen schnellstmöglich geimpft werden können. Das sei eine „Aufgabe der Länder, die die Länder ausdrücklich für sich auch beansprucht haben“, erwiderte Spahn, nicht ohne den Hinweis: „Es gibt ja kaum eine Fraktion, deren Mitglieder mehr an Landesregierungen beteiligt sind als die der Grünen.“

Kostenlose Selbsttests: Spahn will sich nicht festlegen

Die Strategie, den Ball in die Fraktion des oder der Fragenden zurückzuspielen, behielt Spahn die ganze Stunde über bei. „Wenn Sie etwas mehr fürs Impfen getan hätten, hätten wir schon ein Problem weniger“, sagte er einem AfD-Abgeordneten. Der SPD-Abgeordneten Politikerin Hilde Mattheis, die kostenlose Selbsttests forderte, riet er, mal mit den eigenen Haushältern zu sprechen.

Aber auch er selbst ist vorsichtiger mit Versprechen geworden. Der Nachfrage vom Grünen-Politiker (und Arzt) Janosch Dahmen, ob die Bundesregierung diese Selbsttests bezuschussen oder sie gar kostenlos zur Verfügung stellen werde, wich er aus. Dies hänge von den Marktpreisen ab: "Es macht für mich einen Unterschied, ob Tests im Einzelhandel 1,99 € oder 8,99€ kosten.“ Offenbar will er sich nicht mit einem weiteren Versprechen, was er nicht einlösen kann, verbrennen.

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Inzidenzwert: Spahn widerspricht sich selbst

Manchmal widersprach er sich auch selbst. Als der FDP-Abgeordnete Gero Hocker wissen wollte, ob die Orientierung an einer Inzidenzzahl nicht angesichts einer Zunahme von Tests falsch sei, antwortete Spahn: „Ich halte wenig davon, nur auf einen Wert zu schauen.“ Die Pandemie lasse sich nicht nur „auf eine Zahl reduzieren“. Ein paar Antworten später sagte er, die Inzidenz sei „ein sehr guter Indikator für das Infektionsgeschehen“. Die Linken-Forderung nach Zwangslizenzen für die Impfstoffproduktion lehnte er ab, die wiederholte Nachfrage der AfD, ob die Regierung eine „Zwangsimpfung“ für bestimmte Berufsgruppen plane, beschied er mit einem klaren „Nein“.

Am Ende gab es für Spahn dann doch noch ein Lob. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP), der zwischenzeitlich die Sitzungsleitung von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) übernommen hatte, dankte ihm „für das Stehvermögen“. Das wird Spahn in den kommenden Monaten noch sehr brauchen.