Berlin. Der Corona-Lockdown geht noch bis zum 7. März. Doch könnte es bei sinkender Inzidenz schon vorher Öffnungen in manchen Bereichen geben?

Keine Schule, kein Friseur, kein Shopping: Schon eine gefühlte Ewigkeit gilt der Corona-Lockdown. Bei dem vergangenen Gipfeltreffen haben sich Bund und Länder nun darauf geeinigt, ab einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz von 35 Fällen den Einzelhandel, die Museen und Studios für körpernahe Dienstleistungen unter strengen Auflagen wieder zu öffnen. Doch ab wann gilt diese Regelung? Können Landkreise mit niedriger Inzidenz schon jetzt lockern?

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Was bedeutet die Sieben-Tage-Inzidenz von 35?

Eine Sieben-Tage-Inzidenz von 35 würde bedeuten, dass sich innerhalb von sieben Tagen 35 Menschen je 100.000 Einwohner mit dem Coronavirus infiziert haben. Er ist im Infektionsschutzgesetz als wichtiger Schwellenwert angegeben: Bei einem Inzidenzwert von 35 oder mehr seien breit angelegte Schutzmaßnahmen zu treffen, um eine Abschwächung des Infektionsgeschehens zu erzielen, heißt es dort.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schränkte bereits am Abend nach dem Gipfel ein, dass die Sieben-Tage-Inzidenz mindestens über drei bis fünf Tage unter 35 Fällen pro 100.000 Einwohner liegen müsse, um „stabil“ zu sein.

Wann ist in Deutschland die Sieben-Tage-Inzidenz von 35 erreicht?

Was vor ein paar Monaten noch illusorisch klang, ist heute in greifbarer Nähe: Erste Virologen gehen davon aus, dass die 35er-Schwelle bereits Anfang März erreicht sein könnte. Am Freitag lag die seit Tagen sinkende bundesweite Inzidenz bei 62,2. Könnte es also vor dem 7. März schon Lockerungen geben?

Gibt es bei einer Inzidenz von 35 sofort Lockerungen?

Im Beschluss von Bund und Ländern vom 10. Februar heißt es dazu, dass der nächste Öffnungsschritt bei einer stabilen Inzidenz von 35 "durch die Länder" erfolgen könne. Länder können demnach theoretisch regionale oder sogar landesweite Öffnungen beginnen, sobald die 35er-Inzidenz stabil erreicht ist – sie müssten nicht bis zum 7. März warten.

Allerdings spielen bei Entscheidungen zu möglichen Öffnungen von Landkreisen oder ganzen Ländern auch die benachbarten Regionen eine Rolle - schließlich wollen die Kreise mit niedriger Inzidenz vermeiden, dass die Bewohner von angrenzenden Risikogebieten zum Einkaufen angereist kommen. Lesen Sie auch: Corona: Brasilianische Mutation ist dreimal ansteckender

Corona: Führen regionale Lockerungen zu Zustrom aus den Nachbarkreisen?

In Deutschland gibt es 294 Landkreise und 107 kreisfreie Städte. Das Problem liegt auf der Hand: Würde eine Region die Inzidenz unterschreiten und Maßnahmen lockern, würden die Menschen aus den angrenzenden Gebieten dies für den Shoppingbummel nutzen - was wiederum kontraproduktiv für die Eindämmung des Infektionsgeschehens wäre. Genauso verhält es sich auf Länderebene.

Im Beschluss von Bund und Ländern vom 10. Februar heißt es aus diesem Grund: "Mit den benachbarten Gebieten mit höheren Inzidenzen sind gemeinsame Vorkehrungen zu treffen, um länderübergreifende Inanspruchnahme der geöffneten Angebote möglichst zu vermeiden."

In Norddeutschland gibt es jetzt schon etliche Städte und Landkreise, bei denen die Inzidenz unter 35 liegt. Schleswig-Holstein aber hat sich bereits festgelegt, dass es erst Öffnungen geben soll, wenn die Inzidenz landesweit niedrig genug ist. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) will nur dann landesweite Öffnungsschritte gehen, wenn keine Gefahr besteht, dass etwa Hamburger, bei denen noch keine Lockerungen möglich sind, dann massenhaft nach Kiel zum Einkaufen kommen. „Da wird es enge Absprachen zwischen den benachbarten Ländern geben“, sagte der Kieler Regierungssprecher Peter Höver unserer Redaktion.

Präsident des Deutschen Landkreistages: Shoppingtourismus ist nicht immer vermeidbar

Die Landkreise haben allerdings erhebliche Zweifel, dass das in der Praxis funktioniert. In Gebieten, in denen aufgrund einer hinreichend niedrigen Inzidenz wieder die Geschäfte öffnen, „werden wir einen gewissen Shoppingtourismus nicht in allen Fällen verhindern können“, sagte der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, unserer Redaktion.

„Man kann weder die Grenzen eines Landkreises kontrollieren, noch die Inhaber von Geschäften dazu verpflichten, nur noch die ansässige Bevölkerung zu bedienen. Das alles wäre nicht mehr verhältnismäßig und auch lebensfremd“, so Sager.

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Letztlich komme es „auf das umsichtige Verhalten der Bevölkerung an“, betonte Sager. Es sei abhängig von der Disziplin der Bürger, „ob wir den Lockerungsweg nachhaltig gehen können“. Der Landkreis-Präsident verwies auf die Schließung von überlaufenen Touristenzielen in den zurückliegenden Wochen des Lockdowns. Zu solchen Schritten sei man „immer dann gezwungen, wenn die Vernunft der Menschen nachlässt“. (fmg)