Berlin. Bis 21. September sollen sich eigentlich alle in Deutschland gegen Corona impfen lassen können. Doch die Hürden werden immer höher.

  • Noch vergangene Woche klangen die Worte von Angela Merkel optimistisch
  • Bis zum Ende des Sommers solle jeder für eine Impfung bereite Deutsche geimpft werden können
  • Doch es wird immer deutlicher, dass Merkel dieses Versprechen nur schwer einhalten kann - oder doch?

Dieser Satz der Kanzlerin hat sich eingebrannt: Man könne es schaffen, „bis Ende des Sommers jedem Bürger ein Impfangebot zu machen“, hatte Angela Merkel Ende vergangener Woche erklärt. Und sogar noch präzisiert: Der Sommer gehe kalendarisch bis zum 21. September. Heißt: In acht Monaten soll jeder, der will, geimpft werden.

Der Satz ist noch keine fünf Tage alt, doch längst steht ein dickes Fragezeichen dahinter, vor allem wegen der Probleme beim Vakzin von Astrazeneca. Die Kanzlerin hatte allerdings auch eine wichtige Einschränkung gemacht: „Wenn alles wie zugesagt erfolgt.“ Ist der 21. September noch zu halten?

Corona-Impfstoffe: Es gibt massive Lieferengpässe

  • Bis auf Weiteres gibt es einfach zu wenig Impfstoff, um genug Bürger zu immunisieren.
  • In Deutschland konnten bislang erst 1,9 Prozent der Bürger geimpft werden.
  • Ginge es in diesem Tempo weiter, wäre Ende September nicht mal jeder Fünfte geschützt.

Die Bundesregierung geht aber davon aus, dass die Kampagne jetzt Fahrt aufnimmt: Nach den Vakzinen von Biontech/Pfizer und Moderna wird die EU-Arzneimittelbehörde EMA am Freitag auch für das Mittel von Astrazeneca grünes Licht geben. Der Impfstoff des US-Konzerns Johnson & Johnson dürfte ab Ende Februar in der Union zum Einsatz kommen.

Merkel mahnt faire Verteilung von Corona-Impfstoffen an.
Merkel mahnt faire Verteilung von Corona-Impfstoffen an.

Aus den Bestellungen über die EU erwartet Deutschland von Biontech bis zu 94 Millionen Dosen, von Moderna 50 Millionen, von Astrazeneca 56 Millionen und von Johnson & Johnson 37 Millionen. Eigentlich genug. Aber auch rechtzeitig?

Beispiel Biontech/Pfizer: Der Konzern kürzt seine Lieferung an die EU vorübergehend wegen eines Produktionsengpasses. Auch wenn das in einigen Wochen wieder ausgeglichen werden soll, ist man in Brüssel sauer.

Astrazeneca will Lieferung um 60 Prozent kürzen

Größer ist der Ärger über Astrazeneca: Der Hersteller will seine Lieferung im ersten Quartal an die EU gleich um 60 Prozent auf 31 Millionen Dosen kürzen – ebenfalls wegen Produktionspro­blemen. Doch die EU und auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) haben den Hersteller mit Sitz in Großbritannien im Verdacht, dass Kunden außerhalb der EU von den Kürzungen nicht betroffen sind.

Krisensitzungen mit Unternehmensvertretern endeten aus EU-Sicht unbefriedigend, bei einer weiteren an diesem Mittwoch soll Astrazeneca einen detaillierten Plan vorlegen, wann und wie die Impfstoff-Lieferungen stattfinden; offenbar ist im Gespräch, wenigstens den Start um eine Woche auf den 7. Februar vorzuziehen. Klar ist: Die EU-Kommission wird ein „Transparenzregister“ für in der EU hergestellte Impfstoffe einführen. Alle Exporte sollen erfasst und genehmigt werden.

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Ärger über die Verzögerungen bei Impfstoffen ist groß

In den 16 Bundesländern ist der Ärger über die Verzögerungen groß: „Wenn wir Zusagen bekommen, müssen wir auch verlässlich mit dem Impfstoff planen können. Andernfalls drohen wir den Rückhalt und die Bereitschaft der Menschen zum Mitmachen zu verlieren“, sagte der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Klaus Holetschek (CSU), unserer Redaktion. „Verlässlichkeit ist hier die wichtigste Währung“, so der bayerische Gesundheitsminister.

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Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) erklärte, angesichts der großen Probleme bei der Impfstoff-Lieferung gebe es „eine ganz große Unsicherheit“ bei den Menschen. Von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) forderte sie Aufklärung über die bestellten Impfdosen und die genauen Lieferdaten. „Wer eine Zusage macht, muss diese auch mit sicheren Daten und Lieferterminen unterlegen“, so Kalayci. Die Hoffnung, dass bis zum Sommer allen Deutschen ein Angebot zur Impfung gemacht werden könne, habe sie noch nicht aufgegeben.

Die Wirksamkeit des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca sorgte zuletzt für Diskussionen.
Die Wirksamkeit des Corona-Impfstoffs von Astrazeneca sorgte zuletzt für Diskussionen.

Zweifel an der Wirksamkeit der Vakzine

Entscheidende Fragen beim Impfstoff sind offen: Wie lange hält die Immunität? Und können Geimpfte andere mit dem Virus anstecken? Und noch wichtiger für den Erfolg der Kampagne: Wie sicher schützt das Vakzin überhaupt vor einer Infektion?

Die bislang eingesetzten Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna haben laut Zulassung eine Wirksamkeit von 90 bis 95 Prozent. Der britisch-schwedische Pharmakonzern Astrazeneca hatte dagegen mitgeteilt, sein von der Universität Oxford entwickeltes Vakzin sei zu durchschnittlich 70,4 Prozent wirksam.

Unklar ist, ob die Arzneimittelagentur EMA den Einsatz des Astrazeneca-Impfstoffs möglicherweise ausgerechnet für Senioren beschränkt – denn: Die Datenlage für die Wirksamkeit bei Älteren ist dünn, weil in den Studien nur knapp zwölf Prozent der Probanden über 56 Jahre alt waren. Astrazeneca hat in letzter Minute noch Daten nachgereicht. Ob die EMA sich davon überzeugen lässt, ist nach Angaben von Experten in Brüssel offen.

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Probleme bei der Impfstoff-Verteilung

Überlastete Hotlines, kollabierende Server, endlose Warteschleifen. Nahezu überall gilt: Wer einen Impftermin ausmachen will, braucht starke Nerven. Das Gleiche gilt für die Organisatoren der örtlichen Impfstoff-Verteilung: Mehrmals änderten Bund und Hersteller in den letzten Wochen die Lieferpläne für die Impfdosen – was wiederum zu Änderungen bei den örtlichen Impfplänen und der Terminvergabe führte.

Große Hoffnungen setzten die Organisatoren in den Ländern deswegen auf den Impfstoff von Astrazeneca. Das Vakzin ist so unproblematisch in der Lagerung, dass es auch in Arztpraxen genutzt werden kann. Doch auch hier gibt es Fragezeichen: Wie viel Impfstoff kommt jetzt vor Ort an? Und für welche Bevölkerungsgruppen wird er überhaupt zugelassen? „Wir können konkrete Pläne erst machen, wenn die Zulassung in Brüssel erfolgt ist“, heißt es aus Kreisen der Länder.

Hinzu kommt: Sollte das Astrazeneca-Vakzin nur für Jüngere zugelassen werden, muss man auch über eine neue Priorisierung nachdenken. Die Älteren zuerst – das funktioniert dann nicht mehr. Eine Entscheidung über die Verteilung soll laut Gesundheitsminister Spahn in der nächsten Woche fallen.

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