Teheran/Berlin. Teheran glaubt, dass Israel hinter dem Anschlag auf einen iranischen Atomforscher steckt. Das Auswärtige Amt warnt vor einer Eskalation.

Im Iran ist einer der wichtigsten Atomwissenschaftler des Landes, Mohsen Fachrisadeh, bei einem Anschlag getötet worden. Die Regierung in Teheran macht dafür vor allem Israel verantwortlich. Es gebe „ernsthafte Hinweise“ auf eine Beteiligung des Landes an dem Anschlag am Freitag durch „Terroristen“ , schrieb Außenminister Mohammed Dschawad Sarif im Onlinedienst Twitter.

Der Generalstabschef der Streitkräfte drohte „fürchterliche Rache“ für die Tat an, das Verteidigungsministerium spricht von einem „Märtyrertod“. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu hatte Fachrisadeh einst als den Vater des iranischen Atomprogramms bezeichnet. Der Kernphysiker leitete die Forschungs- und Innovationsabteilung des iranischen Verteidigungsministeriums .

Anschlag auf Kernphysiker: Iran gibt Israel und USA die Schuld

Das iranische Verteidigungsministerium hatte bekannt gegeben, dass Fachrisadeh nach dem Angriff am Freitag seinen Verletzungen erlegen sei. Der iranische Präsident Hassan Ruhani wirft nun den USA und Israel vor, den Anschlag gemeinsam geplant zu haben. „Erneut sorgten der Imperialismus und sein zionistischer Söldner für ein Blutvergießen und den Tod eines iranischen Wissenschaftlers“, sagte Ruhani am Samstag im Staatsfernsehen.

Mohsen Fachrisadeh (rechts), Atomphysiker und Raketenspezialist aus dem Iran, wurde laut iranischen Behörden am Freitag „von Terroristen“ in seinem Wagen angeschossen und schwer verletzt. Er sei später im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen.
Mohsen Fachrisadeh (rechts), Atomphysiker und Raketenspezialist aus dem Iran, wurde laut iranischen Behörden am Freitag „von Terroristen“ in seinem Wagen angeschossen und schwer verletzt. Er sei später im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen. © dpa | -

Die „New York Times“ berichtete am Samstag, ein US-Vertreter und zwei Geheimdienstmitarbeiter hätten erklärt, dass Israel hinter dem Attentat stehe. Es sei unklar, ob die US-Regierung vorher informiert gewesen sei, doch beide Staaten seien engste Verbündete. In US-Medien gab es Berichte, wonach ein US-Marineverband in den Persischen Golf verlegt worden sei, was mit dem Truppenteilabzug aus Afghanistan begründet wurde.

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Auswärtiges Amt zum Anschlag: „Eskalation nicht zu gebrauchen“

UN-Generalsekretär António Guterres mahnte nach dem Anschlag zur Mäßigung. Irans UN-Botschafter Madschid Tacht erwiderte in einem Schreiben an Guterres, dass in den vergangenen Jahren mehrere iranische Wissenschaftler bei Anschlägen getötet worden seien. Die Ermordung Fachrisadehs sei ein weiterer Versuch, die Region ins Chaos zu stürzen und die wissenschaftliche Entwicklung des Irans zu stören.

Das Auswärtige Amt hat sich „sehr beunruhigt“ über die Entwicklung im Mittleren Osten gezeigt. Die Tötung des iranischen Atomwissenschaftlers Mohsen Fachrisadeh spitze die Lage in der Region erneut zu – „in einer Zeit, in der wir gerade eine solche Eskalation überhaupt nicht gebrauchen können“, sagte eine Sprecherin von Außenminister Heiko Maas (SPD) dieser Redaktion. „Wir rufen deshalb alle Beteiligten eindringlich auf, von Schritten abzusehen, die zu einer weiteren Eskalation der Lage führen könnten.“

Wenige Wochen vor Amtsantritt der neuen US-Regierung gelte es, „noch vorhandene Spielräume für Gespräche mit Iran zu erhalten, damit der Streit über das iranische Atomprogramm auf dem Verhandlungsweg gelöst werden kann“.

Anschlag verkompliziert diplomatische Bemühungen in Nahost

Der Geheimdienst und die iranischen Revolutionsgarden (IRGC) ermitteln derzeit weiter wegen des Attentats. Beobachter aus Teheran sahen in dem Anschlag auch einen Versuch Israels und der Regierung von US-Präsident Donald Trump, einen Neuanfang der Beziehungen zwischen Teheran und Washington zu torpedieren. „Das war nicht nur ein Anschlag auf den Professor, sondern auf die bevorstehenden diplomatischen Bemühungen beider Länder nach der Amtsübernahme von Joe Biden“, twitterte etwa der Teheraner Politologe Mohsen Milani.

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Israel unterstellt dem Iran, neben dem zivilen Atomprogramm heimlich Atomwaffen zu entwickeln, was seine Existenz bedrohe. Trump hatte ein internationales Abkommen, das den Iran am Bau einer Atombombe hindern soll, 2018 aufgekündigt und versucht seitdem, den Iran mit harten Sanktionen gegen Schlüsselindustrien wirtschaftlich erheblich zu schaden.

Seit Ablauf einer Frist von einem Jahr, in der Teheran die europäischen Vertragspartner vergeblich zur Einhaltung des Atomdeals drängte, steigt der Iran ebenfalls progressiv aus dem Abkommen aus. Dabei hoffte der Iran bisher, dass die USA unter Biden zur Vereinbarung zurückkehren. (dpa/fmg)

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