Düsseldorf/Berlin. In Nordrhein-Westfalen waren an diesem Sonntag Kommunalwahlen. Das Ergebnis gibt Armin Laschet im Machtkampf in der Union Auftrieb.

Armin Laschet wird am Sonntag einmal tief durchgeatmet haben vor Erleichterung. Der NRW-Ministerpräsident kann sich über Rückenwind für seine bundespolitischen Ambitionen freuen. Die CDU des 59-jährigen Regierungschefs kann bei der einzigen größeren Wahl während der Corona-Pandemie einen Erfolg verbuchen. Die Partei geht den ersten Hochrechnungen zufolge souverän als stärkste Kraft aus der Kommunalwahl hervor.

„Ich freue mich, dass das ein guter Sonntag ist“, sagt Laschet am Abend in der CDU-Zentrale in Düsseldorf. „Wir können heute sagen, die CDU hat diese Wahl gewonnen“, fügt er hinzu und vergisst nicht zu erwähnen, dass es die größte Wahl im Jahr 2020 ist - und mit 14 Millionen Wahlberechtigten auch eine durchaus große. Seit 1999 holte die CDU bei Kommunalwahlen in NRW regelmäßig landesweit die meisten Stimmen, 2014 war sie mit 37,5 Prozent Siegerin, gefolgt von der SPD mit 31,4 Prozent.

NRW-Kommunalwahlen: Merz warnt vor falschen Schlüssen

Für Laschet ist es eine Stärkung im Machtkampf um den CDU-Vorsitz. Ihm war seine Corona-Politik als zu unstet vorgeworfen worden, sein Agieren wirkte zum Teil fahrig und nervös. Er blickte unruhig auf die Abstimmung. Doch die guten Ergebnisse der CDU bei der Kommunalwahl am Sonntag haben nun Laschets Chancen verbessert, Kommunalbezug hin oder her.

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Ein schlechtes Ergebnis wäre mit ihm nach Hause gegangen, das gute Ergebnis tut es nun auch. Nach wie vor bewerben sich Laschet, CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen und der frühere Unionsfraktionschef Friedrich Merz um das Amt des CDU-Vorsitzenden. Interessant ist, dass alle drei Bewerber dem NRW-Landesverband angehören. Doch nur Laschet übt ein Regierungsamt aus.

Und allmählich wird es ernst bei der CDU. Am heutigen Montag will die Parteispitze einen Vorschlag unterbreiten, wie der Wahlparteitag im Dezember unter Corona-Bedingungen stattfinden kann: verkürzt, konzentriert auf die Wahl des Vorstands und des Vorsitzenden, so der Plan. Nach wie vor blicken viele in der Partei mit einem unguten Gefühl auf den Tag in Stuttgart.

Der Kandidat für den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, warnt seine Partei indes davor, falsche Schlüsse aus dem Ergebnis der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen zu ziehen. Trotz des Wahlerfolges dürfe die CDU ihre „Schwächen nicht übersehen“, sagte der frühere Vorsitzende der Unionsfraktion in einer ersten Reaktion unserer Zeitung. Die CDU verliere vor allem in den Großstädten an die Grünen. „Die CDU braucht deshalb ein Konzept, wie sie mit dieser Herausforderung umgeht“, forderte Merz. „Die Bundestagswahl 2021 lässt sich nicht alleine im ländlichen Raum gewinnen.“

Schwacher Trost: SPD rettet Platz zwei vor den Grünen

Mit der CDU-Vizechefin Julia Klöckner appellierte am Wochenende eine prominente Stimme, dass sich die drei Kandidaten im Vorfeld einigen. Am besten für die Mitglieder wäre es, wenn die drei Kandidaten sich noch vor dem Parteitag darauf einigen, wer es macht, sagte sie. Zuvor hatte sich unter anderem Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) für eine Teamlösung an der CDU-Spitze ohne Kampfabstimmung ausgesprochen. Merz wies solche Bestrebungen umgehend zurück.

„Diese Entscheidung ist das Königsrecht des Parteitags“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Erst danach sei er im Fall seiner Wahl bereit, ein Team auch unter Einbeziehung seiner Mitbewerber zu bilden. Bislang hat sich der Sauerländer nicht zu einer Bundestagskandidatur geäußert.

Auch Röttgen preschte vor, schlug seinen Kontrahenten gar einen TV-Dreikampf vor. Der Wahlkampf nimmt Formen an.

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In Bayern hat CSU-Chef Markus Söder die Wahlberichterstattung sicher sehr genau verfolgt – gilt doch die Abstimmung in NRW auch als Fingerzeig in Richtung des neuen CDU-Chefs und dessen Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur der Union. Doch CSU-Chef Söder hat ein gewichtiges Wort mitzureden, möglicherweise hat er auch das letzte Wort.

Der Grund: Trotz der Pannen bei den Corona-Tests an Autobahnen in Bayern, die gemeinhin mit Söders schnellem Vorpreschen in Zusammenhang gebracht werden, halten die meisten Bürger den bayerischen Ministerpräsidenten für die beste Option für das Kanzleramt. 31 Prozent trauen Söder den Posten zu, wie eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar ergab. Unter den Unionsanhängern schnitt Söder mit 46 Prozent noch besser ab. Hingegen halten nur acht Prozent der Befragten – und sogar nur sechs Prozent der Unionsanhänger – Laschet für kanzlertauglich.

SPD kann den Angriff der Grünen abwehren

Der CSU-Chef selbst sprach sich erneut dafür aus, die Nominierung des CDU/CSU-Kanzlerkandidaten nicht zu überstürzen. „Ein Frühstart hilft wenig, der Wahlkampf wird lang genug und nicht einfach werden – daher scheint es klüger, die Nerven zu behalten“, sagte Söder. Laschet wiederum hatte jüngst gesagt, es sei falsch zu glauben, die Kanzlerkandidatur laufe automatisch auf die CDU zu. „Das haben sich bei uns manche so angewöhnt, dass schon sicher davon ausgegangen wird, wer CDU-Vorsitzender wird, wird auch Kanzler“, sagt Laschet. „Das wird ein harter Kampf.“

Für die seit knapp einem Jahr amtierende Doppelspitze Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans war die Kommunalwahl ebenfalls ein Stimmungstest – mit ernüchterndem Ausgang. Fast überall in NRW fährt die SPD satte Verluste ein. Aufbruchstimmung durch die frühe Festlegung auf Olaf Scholz als Kanzlerkandidat? Fehlanzeige. Der dezidierte Linkskurs mit dem Versprechen, Hartz IV abschaffen zu wollen? Bislang verpufft. Natürlich spielten in Städten und Gemeinden regionale Themen in die Wahl hinein. Aber Rückenwind aus Berlin gibt es schon lange nicht mehr. Besonders bitter für die SPD: Obwohl ihre Minister in der Bundesregierung viele milliardenschwere Corona-Hilfspakete durchsetzten, zahlt sich das lokal nicht in mehr Wählerstimmen aus.

Sozialdemokraten können nur noch auf eins hoffen

Immerhin konnte die SPD den Angriff der Grünen auf Platz zwei abwehren und bleibt in Dortmund stärkste Kraft, muss aber in die OB-Stichwahl. Die Ergebnisse zeigen auch, dass der Machtverlust von Hannelore Kraft 2017 in der früheren Herzkammer der Sozialdemokratie an Laschet keine Eintagsfliege war. Die SPD schafft es kaum noch, ihre Hochburgen zu verteidigen. Die Grünen laufen ihr in vielen NRW-Städten den Rang ab. In Köln wird die Ökopartei stärkste Kraft. Das wird die Grünen-Spitze um Robert Habeck und Annalena Baerbock bestärken, dass Klimaschutz auch in Corona-Zeiten zieht.

Für die Bundestagswahl in rund einem Jahr lässt das für die SPD wenig Gutes hoffen. Wie will Scholz Kanzler werden, wenn seine Partei im bevölkerungsreichsten Bundesland von alter Stärke meilenweit entfernt ist? In Bayern und Baden-Württemberg (im Ländle wird im März 2021 gewählt) muss die SPD inzwischen froh sein, wenn sie zweistellig ist.

Nun kann die SPD eigentlich nur noch auf den Merkel-hört-auf-Faktor hoffen. Da die Kanzlerin 2021 in Rente geht, so das Kalkül der Strategen, könnten viele reine Merkel-Wähler am Ende vielleicht doch bei „Olaf Merkel“ landen. Der Vizekanzler und Finanzminister soll nach der Ära Merkel für Kontinuität und Stabilität stehen. Viel wird in den nächsten Monaten davon abhängen, ob die CDU ihr Personalproblem überzeugend lösen kann. Laschet hat am Sonntag einen kleinen, aber nicht unwichtigen Schritt Richtung Kanzleramt gemacht.