Berlin. Die Zunahme der Corona-Tests bringt deutsche Labore an den Rand der Überlastung. Die Folge sind längere Wartezeiten auf Testergebnisse.

„Wir schwitzen in den Laboren“, sagt Michael Müller, der Vorstandsvorsitzende des Interessenverbands der akkreditierten medizinischen Labore in Deutschland (ALM e.V.). Das liege nicht nur an der sommerlichen Hitze, die derzeit in der Bundesrepublik herrscht, sondern vor allem daran, dass die Auslastung der Kapazitäten in den Laboren seit Anfang Juni immer stärker ansteigt. Müller warnte in einer digitalen Pressekonferenz am Dienstag: „Wir kommen an unsere Grenzen.“

Die deutlich zunehmende Anzahl der Corona-Tests sei vor allem auf Maßnahmen wie die Testpflicht für Reiserückkehrer aus Risikogebieten oder die kostenlosen Tests für alle Bürger Bayerns zurückzuführen. Müller sagte: Man müsse überlegen, ob die jetzige Teststrategie nützlich ist.

Corona-Tests: Laborverband warnt Politik vor falschen Versprechen

„Anlasslose Corona-Tests für Jedermann sind medizinisch und epidemiologisch wenig sinnvoll“, so der Vorstandsvorsitzende. Vielmehr solle aus seiner Sicht anlassbezogen getestet werden, um die Labor nicht unnötig zu überlasten. Am Ende drohen laut Verband Ressourcen an anderer Stelle zu fehlen: für die Versorgung Erkrankter, in Kliniken und Pflegeheimen sowie bei der Aufdeckung von Infektionsketten.

In der vergangenen Woche wurden laut ALM in Deutschland mehr als 700.000 PCR-Corona-Tests durchgeführt. Das sind 23 Prozent mehr als in der Vorwoche. Die Auslastung der Labore steigt damit auf 67 Prozent. „Die immense Zunahme des Testgeschehens brachte die Labore mancherorts an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit“, warnt der ALM. Warum einfache Reisen ein Anlass für einen Test sein sollen, solange beispielsweise keine Symptome vorliegen, sei für ihn nicht erkennbar, sagte Müller.

Die Labore in Deutschland arbeiten an der Belastungsgrenze. „Die immense Zunahme des Testgeschehens brachte die Labore mancherorts an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit“, warnt der Labor-Verband ALM.
Die Labore in Deutschland arbeiten an der Belastungsgrenze. „Die immense Zunahme des Testgeschehens brachte die Labore mancherorts an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit“, warnt der Labor-Verband ALM. © dpa | Uwe Anspach

Um „Spitzen in der Belastung“ – wie beispielsweise den Ausbruch in Gütersloh – abfangen zu können, dürften die Labor nicht weiter und dauerhaft so stark ausgelastet sein. „Auch einen Marathon würde man nicht im Sprint laufen“, so Müller. Um langfristig durchhalten zu können, müssten stets ausreichend Geräte, Mitarbeiter und Material – wie beispielsweise Testkits – vorhanden sein.

Corona: Politiker sollen keine falschen Versprechen geben

Noch könne man den Bedarf an medizinisch veranlassten Tests zuverlässig erfüllen. „Aber die Kapazitäten in den Laboren sind nicht beliebig steigerbar“, warnte Müller. Die Politik solle keine Leistungsversprechen geben, die sich nicht einhalten lassen.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von einem externen Anbieter, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Vorstandsmitglied Wolf Frederic Kupatt betonte in der Pressekonferenz, dass der Personalbestand in Deutschlands Laboren seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie deutlich hochgefahren wurde. Allerdings benötige man „hochqualifizierte, erfahrene Spezialisten“ um die Corona-Tests auszuwerten. Das erschwere die Suche nach Personal.

Außerdem begrenzt der globale Testbedarf auch die maximalen PCR-Testkapazitäten in Deutschland. So agieren Material-Hersteller häufig international und müssen ihre Ressourcen sinnvoll auf die unterschiedlichen Länder verteilen. Zudem dürfe die Bearbeitung der Proben anderer Erkrankungen wie etwa HIV oder Diabetes nicht auf der Strecke bleiben, betonte Müller.

Verzögerungen bei der Übermittlung von Corona-Testergebnissen haben in Bayern deutlich dramatischere Ausmaße als bisher bekannt, wie am Mittwoch bekannt wurde: 44.000 Reiserückkehrer, die im Ausland im Urlaub waren, warten nach Tests an bayerischen Autobahnen noch auf ihre Ergebnisse, darunter auch 900 nachweislich positiv getestete. Das hatte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) am späten Nachmittag einräumen müssen. Wie viele davon aus dem Freistaat und wie viele aus dem übrigen Bundesgebiet kommen, konnte sie zunächst nicht sagen. Die Infizierten sollten aber bis Donnerstagmittag ihr Ergebnis bekommen.

Wartezeiten für Corona-Testergebnisse nehmen zu

Indes häufen sich Berichte, dass Menschen mittlerweile deutlich länger auf ihr Testergebnis warten. Zu Beginn der Krise galt das Ziel, dass Patienten das Testergebnis innerhalb von 24 bis 48 Stunden erhalten sollen. Dies kann offenbar nicht mehr sicher gewährleistet werden.

Mehrere Medien berichten übereinstimmend, dass Wartezeiten von mehr als sieben Tagen bei den freiwilligen Tests, die zum Beispiel seit über einer Woche an den bayerischen Autobahn-Grenzübergängen sowie am Flughafen München oder an Bahnhöfen angeboten werden, keine Seltenheit sind.

Lesen Sie mehr: Corona-Urlaub – Aus diesen Ländern kommt das Virus zu uns

Bayern beauftragt private Firmen für Corona-Tests

In Bayern ist das Problem längst bekannt. „Gerade in der Anfangsphase kam es zu Verzögerungen, die dem hohen Probeaufkommen und dem anfänglich noch manuellen Erfassungsprozess geschuldet waren”, sagt eine Sprecherin des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Lesen Sie dazu: Panne bei Corona-Tests: So kam es zur Blamage in Bayern

Nachdem die Tests bisher mit der Unterstützung von Hilfsorganisationen und Ehrenamtlichen vorgenommen und in Laboren des LGL ausgewertet wurden, wird die Labordiagnostik seit Montag durch einen externen Dienstleister durchgeführt.

Seit knapp zwei Wochen können sich Urlaubs-Rückkehrer an den bayerischen Grenzen, Bahnhöfen und Flughäfen auf das Coronavirus testen lassen. Doch die Auswertung der Tests dauert noch zu lange. Nun sollen private Firmen es besser machen.
Seit knapp zwei Wochen können sich Urlaubs-Rückkehrer an den bayerischen Grenzen, Bahnhöfen und Flughäfen auf das Coronavirus testen lassen. Doch die Auswertung der Tests dauert noch zu lange. Nun sollen private Firmen es besser machen. © imago images/Ernst Wukits

Die Firma Eurofins übernimmt in Bayern also den Betrieb der Testzentren und soll den Ablauf entsprechend digitalisieren. “Mit dem externen Dienstleister ist die Zielvorgabe vereinbart, dass das Testergebnis innerhalb von bis zu 48 Stunden mitgeteilt wird”, sagt die Sprecherin.

Ob andere Bundesländer sich an Bayern orientieren, ist noch unklar. Nordrhein-Westfalen erfasst die durchschnittliche Wartezeit auf Corona-Testergebnisse bisher beispielsweise gar nicht.

Wartezeit auf Corona-Tests hängt von Digitalisierung ab

Der ALM sagt, dass der Zeitraum von 24 bis 48 Stunden bei medizinisch angeordneten Tests eingehalten werde. Ihnen schreibe man in den Laboren eine höhere Priorität zu. Auf freiwillige Tests warten die Deutschen dagegen möglicherweise länger.

Die Wartezeit hänge auch davon ab, wie digital die Teststelle oder die Arztpraxis organisiert sei. Die Zielvorgabe von 24 bis 48 Stunden gilt nur bei elektronischer Übermittlung. Wenn eine solche nicht möglich ist, weil die Patienten beispielsweise keine digitale Übertragung gestatten, ist diese Zeitspanne schon aufgrund des Postlaufs nicht einzuhalten.

Der ALM ist der Interessenverband der akkreditierten medizinischen Labore in Deutschland. Laut eigener Aussage sind 90 Prozent der Labore, die in Deutschland Corona-PCR-Tests auswerten, in dem Verband vertreten.