Berlin. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg liegt bei Wählern als möglicher grüner Nachfolger von Angela Merkel vorn – Habeck dahinter.

  • Die Deutschen halten Winfried Kretschmann am ehesten für geeignet, Kanzlerkandida der Grünen zu sein führen
  • Wie das Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag unserer Redaktion ermittelte, sprechen sich 29 Prozent der Befragten für und 48 Prozent gegen Kretschmann aus
  • Robert Habeck hat die in der Umfrage die zweitbesten Werte

Grün ist die Hoffnung, sagt der Volksmund. Doch für die grüne Partei hat sich der Wunsch nach einer Regierungsbeteiligung im Bund seit dem Ende von Rot-Grün im Jahr 2005 nicht mehr erfüllt. In den Jamaika-Verhandlungen mit Union und FDP sah es 2017 zeitweise so aus, als könne den Grünen der Schritt zur Macht erneut gelingen. Bekanntlich platzte die Sache aber, weil die Liberalen zurückzogen.

Nach der damaligen Bundestagswahl lagen die Grünen bei knapp neun Prozent. Inzwischen sind die Zustimmungswerte in etwa doppelt so hoch und bewegen sich um die 20 Prozent. Das beflügelt Regierungsphantasien.

Nicht zuletzt die weltweiten „Fridays for Future“-Proteste hatten dafür gesorgt, dass ein grünes Kernthema, das Klima, ins Zentrum der öffentlichen Debatte geraten ist und der Partei einen anhaltenden Auftrieb bescherte. Seit Wochen liegt sie deutlich vor der SPD. Kein Wunder stellt sich die Frage, ob nicht auch die Grünen einen Kandidaten oder eine Kandidatin fürs Kanzleramt aufstellen könnten, wenn es ja auch die Genossen tun.

Kanzlerkandidat: Bevölkerung hält Kretschmann für geeigneter als Habeck

Winfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
Winfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident von Baden-Württemberg. © dpa | Hendrik Schmidt

Eine exklusive Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar im Auftrag unserer Redaktion zeigt, dass die Deutschen durchaus personelle Präferenzen für einen möglichen grünen Kanzlerkandidaten haben. Überraschend dabei ist, dass die 1017 repräsentativ ausgewählten Befragten niemanden aus der Parteispitze für den geeignetsten Bewerber halten, sondern einen Landespolitiker: den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann.

29 Prozent der Befragten gaben an, der 72-Jährige eigne sich am ehesten als grüner Kanzlerkandidat. Kretschmann erhält damit den besten Wert im Vergleich zu anderen prominenten Vertretern seiner Partei. Zugleich ist jedoch mit 48 Prozent der Anteil derer deutlich größer, die der Ansicht sind, der Stuttgarter Regierungschef sei ungeeignet fürs Kanzleramt.

Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen.
Robert Habeck, Bundesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Der Bundesvorsitzende der Partei, Robert Habeck, landet im Vergleich mit Kretschmann auf Platz zwei in der Umfrage. Ihn sehen 25 Prozent als kanzlertauglich an, 47 Prozent tun dies jedoch nicht. Die Ko-Vorsitzende Annalena Baerbock kommt auf 18 Prozent Zustimmung. Eine Mehrheit von 55 Prozent der Befragen hält sie dagegen für ungeeignet, das Land zu führen.

Ähnlich verhält es sich bei der Chefin der Bundestagsfraktion von Bündnis90/Grüne, Katrin Göring-Eckardt. Bei ihr sehen 58 Prozent der Befragten die Voraussetzung fürs Kanzleramt nicht gegeben, 18 Prozent glauben, sie passe auf den Posten. Anton Hofreiter, den Ko-Vorsitzenden der Fraktion, können sich nur 10 Prozent der Befragten als Regierungschef vorstellen. Beim Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer sind es mit 8 Prozent die wenigsten.

Grünen-Anhänger halten zur Partei-Spitze

Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen.
Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen. © dpa | Kay Nietfeld

Insgesamt liegen die Werte für alle Genannten im Westen höher als in Ostdeutschland. Am stärksten fallen die Unterschiede bei Habeck und Baerbock aus. Ihnen trauen im Osten zehn beziehungsweise neun Prozent weniger Befragte das Kanzleramt zu als im Westen. Bei Kretschmann ist die Kluft mit 4 Prozent kleiner.

Ein etwas anderes Bild ergibt die Kantar-Umfrage beim Blick auf die Anhängerschaft der Grünen. Dort liegt mehrheitlich ein Kanzlerkandidat Habeck vorn. Dennoch ist mit einer Zustimmung von 56 Prozent nur etwas mehr als jeder zweite Parteigänger der Ansicht, dass der Grünen-Vorsitzende ein aussichtsreiche Besetzung für das höchste Regierungsamt darstellen würde. Jeder fünfte Befragte (22 Prozent) ist anderer Ansicht. Den Ministerpräsidenten Kretschmann halten im eigenen Lager 34 Prozent für kanzlertauglich, 44 sind vom Gegenteil überzeugt.

Katrin Göring-Eckardt, Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen.
Katrin Göring-Eckardt, Vorsitzende der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Wie Habeck hat auch Baerbock in der Grünen-Anhängerschaft mit 50 Prozent Zustimmung bessere Werte als in der Gesamtbevölkerung. Der Anteil derer, die die Ko-Vorsitzende nicht für die Richtige im Kanzleramt ansehen, liegt bei den Grüne-Sympathisanten bei einem Drittel (31 Prozent). Fraktionsschefin Göring-Eckardt halten 35 Prozent aus dem grünen Lager als Regierungschefin geeignet. Hofreiter und Palmer liegen mit 13 beziehungsweise 11 Prozent abgeschlagen dahinter.

Unterschiedliche Meinungen in den verschiedenen Lagern

Bei Anhängern der anderen Bundestagsparteien punktet der Schwabe Kretschmann im Unionslager am stärksten. Dort halten ihn 39 Prozent der Befragen für einen geeigneten Kanzlerkandidaten der Grünen. Lediglich 22 Prozent aus den Reihen von CDU und CSU sehen im Bundesvorsitzenden Habeck den besten Grünen-Bewerber für das oberste Regierungsamt. Baerbock kommt in der Union auf 12 Prozent.

Unter SPD-Wählern gilt dagegen Habeck als Favorit, für ihn sprechen sich 49 Prozent aus. In Kretschmann sehen 40 Prozent aus dem Lager der Sozialdemokraten den besseren Grünen-Bewerber fürs Kanzleramt. Baerbock kommt bei Genossen auf 32 Prozent Zustimmung. Auch Linke-Anhänger sehen zu 41 Prozent in Habeck den fähigsten Kanzlerkandidaten, während FDP und AfD Kretschmann mit 28 beziehungsweise 20 Prozent vorne sehen.

Mehr zum Thema: Grüne kämpfen gegen die Corona-Flaute