Berlin. Nur weil die Reisewarnungen in der EU langsam aufgehoben wird, steigen die Urlauber nicht gleich in ein Flugzeug, sagt Miguel Sanches.

Die Angst vor Corona verfliegt nicht. Wenn nach dem heutigen Kabinettsbeschluss die Binnengrenzkontrollen in Europa wieder wegfallen, werden viele vorgesehene Sommerreisen ins Ausland –und umgekehrt nach Deutschland – trotzdem nicht mehr nachgeholt.

Wir sind so konditioniert: Abstand halten. Umso schwerer ist es, Abstand zur Pandemie zu gewinnen. Es fällt vielen schwer, zurück ins Büro zu kommen, unbeschwert in ein Restaurant zu gehen, geschweige denn ein Flugzeug zu betreten.

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Wenn also am Montag die Kontrollen aufhören, wird am ehesten der kleine Grenzverkehr wieder blühen, der Einkaufsbummel in Holland, die kurze Fahrt zum Nordseestrand in Belgien. Die Nachbarländer werden im Vorteil sein, weil die Rückreise im Zweifel nicht lange dauert.

Auto und Ferienwohnungen werden die erste Wahl sein. Eher Balkonien oder Heimaturlaub als Bella Italia. eher Individualtourismus als Pauschalreisen. Fremdsprachenkenntnisse, interkulturelle Kompetenz – nie waren sie so wertvoll. Warum? Weil viele Menschen den Notfall durchspielen werden: Was ist, wenn ich im Urlaub erkranke? Wie schnell finde ich Hilfe, wie leicht kann ich mich verständlich machen?

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Aufhebung von Reisewarnungen langt nicht

Die Reisepolitik steht unter Vorbehalt. Sie hängt davon ab, wie sich die Pandemie im Zielland entwickelt; und davon, dass sich in Deutschland selbst keine zweite Welle aufbaut. Denn dann sind wir woanders gar nicht mehr willkommen.

Polen und Norwegen warten ab, die Briten verhängten eine 14-tägige Quarantänepflicht. Das war’s mit Urlaub in Britannien. Die Österreicher ringen mit sich, ob sie wirklich die Grenze nach Italien öffnen sollen. Und Schweden ist mit seiner Corona-Nachlässigkeit derart in Verruf geraten, dass der Urlaub in Pipi-Langstrumpf-Land ins Katalog für Abenteuerreisen gehört.

Miguel Sanchez glaubt, dass das „Social Distancing“ der Reisebranche auch nach Aufhebung von Reisewarnungen weiter schaden wird.
Miguel Sanchez glaubt, dass das „Social Distancing“ der Reisebranche auch nach Aufhebung von Reisewarnungen weiter schaden wird. © Funke Foto Services | Archiv

Es gibt keine Planungssicherheit. Wer heute für September in Spanien bucht, weiß nicht, ob er seine Reise wirklich antreten kann. Für die Reiseveranstalter bleibt es ein Horrorjahr und für die Fluggesellschaften vielleicht mehr als das.

Denn noch ungewisser ist, ob die Geschäftsreisen jemals wieder das gewohnte Niveau erreichen werden. Zur Rezession und zur Verlangsamung der Globalisierung kommt hinzu, dass wir uns an Videokonferenzen gewöhnt haben. Das entlastet die Reise- (und Spesen)etats der Firmen, aber es fehlt den Reiseunternehmen und dem Hotel- und Gaststättengewerbe.

Coronavirus: Die Angst fliegt mit

Die Fluglinien können die Einnahmeverluste nicht durch höhere Preise kompensieren, jedenfalls nicht kurzfristig, weil sie Überkapazitäten haben. Und sie haben psychologisch den Fehler gemacht, auf eine freie Mittelreihe in den Maschinen zu verzichten. Sie behaupten, dass die Luft in der Kabine gut sei, fast wie im OP-Saal. Das hört man gern, allein der Glaube, der fehlt. Wer Angst vor Corona hat, fliegt nicht. Zumal die Corona-Tracing-App, die erklärtermaßen helfen sollte, Infektionsketten über Grenzen hinweg zu verfolgen, zu spät kommt und ohnedies vor lauter Datenschutz-Bedenken zerredet wurde.

Sommerurlaub ist traditionell Strandurlaub. Die Bedingungen sind eigentlich gut, weil die UV-Strahlung und eine gute Durchlüftung bei der Eindämmung der Virusverbreitung hilfreich sind. Man kann es riskieren, in in den Süden zu düsen, das ist vertretbar und beherrschbar. Aber es ist eben keine reine Kopfsache. Die Sehnsucht nach einer Auszeit konkurriert mit einem mächtigen Gegnerpart: mit der Angst.

Es sind seltsame Zeiten, in denen der Nächste zum Risikofaktor und die Selbstisolation zur Tugend geworden ist. Und die Spuren von „Social Distancing“ werden zuallerletzt im Reiseverkehr verwehen.

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