München. Ex-Papst Benedikt distanziert sich deutlich von Ehen Homosexueller. Vor hundert Jahren hätte das „jedermann“ für „absurd“ gehalten.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. kritisiert Ehen zwischen Homosexuellen und sieht sich als Opfer einer „bösartigen Verzerrung der Wirklichkeit“. Immer wieder äußerte er sich auch nach seiner Zeit als Kirchenoberhaupt öffentlich und mischte sich in Debatten ein. 2018 schrieb Benedikt etwa einen umstrittenen Beitrag in der theologischen Zeitschrift „Communio“ über das Verhältnis von Christen und Juden.

„Der Spektakel an Reaktionen, der hernach von der deutschen Theologie kam, ist so töricht und so bösartig, dass man lieber nicht davon spricht. Die eigentlichen Gründe dafür, dass man einfach meine Stimme ausschalten will, möchte ich nicht analysieren“, sagt Benedikt in der neuen Biografie „Benedikt XVI. – Ein Leben“. Die Biografie von Autor Peter Seewald kommt an diesem Montag auf den Markt.

Homo-Ehe: Ex-Papst sieht „antichristliches Credo“ in der modernen Gesellschaft

Jetzt holt Papst Benedikt erneut aus, distanziert sich in der neuen Biografie deutlich von Ehen zwischen Homosexuellen. „Vor hundert Jahren hätte es noch jedermann für absurd gehalten, von homosexueller Ehe zu sprechen. Heute ist gesellschaftlich exkommuniziert, wer sich dem entgegenstellt. Ähnliches gilt bei Abtreibung und für die Herstellung von Menschen im Labor“, sagt er laut der Biografie.

„Die moderne Gesellschaft ist dabei, ein antichristliches Credo zu formulieren, dem sich zu widersetzen mit gesellschaftlicher Exkommunikation bestraft wird. Die Furcht vor dieser geistigen Macht des Antichrist ist dann nur allzu natürlich.“ Nach Ansicht des früheren Kardinals Joseph Ratzinger liegt „die eigentliche Bedrohung der Kirche“ in einer „weltweiten Diktatur von scheinbar humanistischen Ideologien“.

Kritiker werfen Benedikt vor, sich wie eine Art „Schattenpapst“ zu verhalten. Besonders laut wurde diese Kritik, als im vergangenen Jahr ein Beitrag von ihm in einem Buch von Kardinal Robert Sarah über den Zölibat erschien.

Benedikt soll gute Beziehungen zum aktuellen Papst Franziskus haben

„Die Behauptung, dass ich mich regelmäßig in öffentliche Debatten einmische, ist eine bösartige Verzerrung der Wirklichkeit“, betont der 93 Jahre alte frühere Kardinal Joseph Ratzinger im Gespräch mit Seewald, das im letzten Kapitel der mehr als 1000 Seiten umfassenden Biografie unter der Überschrift „Letzte Fragen an Benedikt XVI.“ aufgeführt ist.

Benedikt hat nach eigenen Angaben eine sehr gute Beziehung zu seinem Nachfolger Franziskus. „Wie Sie wissen, ist die persönliche Freundschaft mit Papst Franziskus nicht nur geblieben, sondern gewachsen.“

Papst Franziskus in Rom: Aufgrund von Corona hält er christliche Messen ohne Publikum.
Papst Franziskus in Rom: Aufgrund von Corona hält er christliche Messen ohne Publikum. © AFP | Handout

Der 1927 geborene Joseph Ratzinger hat drei Pontifikate geprägt: Das von Johannes Paul II. (1978-2005), dessen theologischen Kurs er als „Chef-Dogmatiker“ entscheidend mitbestimmte. Dann sein eigenes, kirchenpolitisch eher glückloses als Benedikt XVI. (2005-2013). Und schließlich auch das von Papst Franziskus, den er nun fast schon ebenso lang, wie er aktiv Papst war, als emeritierter Papst begleitet und sich dabei selten, aber stets Kontroversen auslösend, zu Wort meldet.

Zu den Wesenszügen Ratzingers/Benedikts zählt eine Neigung, eher weiterzuwandern als auf verlorenem Posten auszuharren. Das beginnt im April 1945, als der an der Hand leicht verletzte Flakhelfer Ratzinger desertiert. Biograf Seewald analysiert: „Josephs Desertion ist keine Flucht oder ein Zurückweichen aus Angst, sondern eine Entscheidung aus Einsicht. Er entzieht sich aus rationalen Erwägungen einer Situation, die er selbst nicht mehr aktiv gestalten kann. Er hat gewissermaßen das Seine getan, mehr ist nicht zu machen.“

Papst Benedikt: Skandale der Kirche in der Spätphase

Diese Sätze passen auf jede weitere Station im Leben Ratzingers, die er aufgibt. Das gilt 1969 für seinen Wechsel als Professor von der revolutionär-chaotischen Universität Tübingen an die junge, stabile Universität Regensburg. Oder für den Reformprozess der „Würzburger Synode“, den er 1974 wortlos verlässt, als er einsieht, dass er ihn nicht in seinem Sinne beeinflussen kann.

Und auch für den überraschenden Schritt, mit dem er sich für alle Zeiten einen Platz in der Kirchengeschichte gesichert hat: Den Rücktritt vom Papstamt und den Eintritt in das von ihm neu erfundene Amt eines emeritierten Papstes.

Seewald beschreibt die Wegscheiden im Leben des 93-Jährigen mit Empathie, meist nimmt er ihn gegen Kritik in Schutz. Wirklich neue Erkenntnisse vermittelt er immer dann, wenn er aus persönlichen Gesprächen mit dem Alt-Papst (oder mit dessen Sekretär) schöpft.

Zu den stärksten Kapiteln des Buchs mit 1150 Seiten Text sowie einem ausführlichen Bildteil zählt die Schilderung der Missbrauchskrise und anderer Skandale in der Spätphase des Benedikt-Pontifikats, die dann in die Entscheidung zum Rücktritt münden - ohne diesen Schritt jedoch ausgelöst zu haben, wie Seewald und sein Protagonist versichern.

Die Schilderung der präzisen Vorbereitung des welterschütternden Ereignisses ist spannend zu lesen. Nun weiß man, wer wann informiert war und wie es gelang, den sensationellen Plan über Monate geheim zu halten.

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