Berlin. Durchbruch bei Streit um die Corona-App: Die Regierung will Daten der User nicht selbst speichern und folgt dem Rat der Datenschützer.

Die Bundesregierung setzt bei der Corona-Warn-App für das Handy offenbar auf mehr Datenschutz. Denn: Kanzleramtschef Helge Braun und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) bestätigen: Die Regierung will eine Lösung, bei der die Daten der Handy-Nutzer dezentral auf dem Mobiltelefon gespeichert werden – und nicht zentral, etwa auf einem Server, der von den Behörden betrieben wird.

Damit wird der Weg frei, die Apps mit den Smartphone-Systemen von Apple und Google zu verknüpfen. Fast alle Handys in Deutschland laufen mit Betriebssystemen der beiden IT-Konzerne aus den USA.

Die Corona-Apps sollen helfen, die Ansteckungen nachzuverfolgen, wenn Ausgehbeschränkungen gelockert werden. Sie sollen erfassen, welche Smartphones einander nahegekommen sind – und Nutzer warnen, wenn sich später herausstellt, dass sie sich neben infizierten Personen aufgehalten hatten.

Nutzung der Corona-Warn-App offenbar nicht vor Ende Mai

„Wir verfolgen als Bundesregierung bei der Entwicklung einer Tracing-App einen Ansatz, der auf Freiwilligkeit beruht, datenschutzkonform ist und ein hohes Maß an IT-Sicherheit gewährleistet“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Braun und Spahn.

Wann genau die Handy-App einsatzbereit sein soll, sagten die beiden Politiker nicht. Am Sonntagabend erklärte Spahn in den ARD-„Tagesthemen“, man wolle den jetzt eingeschlagenen Weg mit einer dezentralen App „so schnell als möglich, aber auch so sicher als möglich gehen“.

Auf den Hinweis, dass eine App ursprünglich schon Mitte April in Betrieb gehen sollte, sagte der Minister, er habe „immer darauf hingewiesen, mit den Erfahrungen aus anderen Digitalprojekten, dass es meistens ein, zwei, drei Wochen länger dauert, als manch einer öffentlich sagt, weil Datensicherheit und Datenschutz so wichtig sind“. Ursprünglich peilte Spahn eine Nutzung schon im April an. Laut Experten wird es nun frühestens Mitte bis Ende Mai.

Die neue freiwillige Coronavirus-Tracing-App
Die neue freiwillige Coronavirus-Tracing-App "COVIDSafe" der australischen Regierung. Länder weltweit setzen auf verschiedene Systeme. In Deutschland sollen die Daten nun offenbar dezentral gespeichert werden. © dpa | Scott Barbour

Der Bonner Infektiologe Peter Walger warnte unterdessen vor übertriebenen Hoffnungen. „Ich erwarte von der App keine wirkliche Hilfestellung beim Versuch, in die Normalität zurückzukehren“, sagte der Vorstandssprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

„Wenn alle Mundschutz tragen und Abstand einhalten, wäre sie überflüssig, weil sie dann nur die unkritische Nähe geschützter Leute erkennt.“ Die App sage nichts darüber aus, ob ein tatsächliches Infektionsrisiko bestehe, sondern definiere nur die Nähe einer Person zu einer potenziell ansteckenden Person.

Bundesregierung präferierte erst zentralisierten Ansatz für App

Noch vor wenigen Tagen sah es danach aus, dass die Bundesregierung eher einen zentralisierten Ansatz bevorzugen könnte. Mehrere namhafte Forscher und Datenschützer hatten diesen Weg kritisiert, da die Daten der Bürger so auf einem zentral gespeicherten Server gelagert würden.

Beim Konzept von Apple und Google soll die Entfernung zwischen den Nutzern anhand der Bluetooth-Signalstärke gemessen werden – allerdings anonym und ohne eine Zuordnung etwa zu einer Adresse oder den Klarnamen einer Person. Die Smartphones sollen nur einen Code austauschen, der sich alle 10 bis 20 Minuten ändert. Dabei bleibt deren Identität auch für Apple, Google und die anderen App-Nutzer unbekannt.

Die Behörden können Grenzwerte für Signalstärke und die Zeit, die Geräte nebeneinander verbringen, festlegen. Das heißt: Google und Apple liefern die technischen Werkzeuge, aber die Gesundheitsbehörden entscheiden, wann sie von einer Ansteckungsgefahr ausgehen.

Karl Lauterbach begrüßt Kursschwenk der Regierung

Der Bundesverband Deutsche Startups begrüßt den Entschluss der Regierung. „Wir dürfen jetzt nicht länger Zeit im Kampf gegen Corona verlieren“, sagt Christian Miele, Präsident des Verbandes unserer Redaktion. „Es muss jetzt das Ziel der Regierung sein, diese Technik gemeinsam mit Google, Apple und den deutschen IT-Firmen gemeinsam zu entwickeln.“

Deutschland dürfe sich nicht abhängig von den US-Firmen machen. Deutsche IT-Entwickler hätten etwa mit der Initiative „GesundZusammen“ bereits Anwendungen für eine solche App ausgearbeitet. „Die Regierung muss nur noch anfragen. Bisher war da leider wenig Resonanz des Bundes auf die heimischen Initiativen.“

Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach zeigt sich erfreut über den Kursschwenk der Bundesregierung. Die Entscheidung sei mittlerweile unvermeidbar gewesen, weil sonst die Diskussion um den Datenschutz die Akzeptanz zerstört hätte, noch bevor sie fertig gewesen wäre, sagte er der „Passauer Neue Presse“ (Montag).

(cu/dpa)