Berlin. Massendemonstrationen für den Klimaschutz gehen nicht mit Corona. Die Aktivisten von Fridays for Future müssen deshalb kreativ werden.

Die Wut über die Klimakrise, sie sammelt sich in einem Pappkarton hinter den Kassen eines Biosupermarkts in Berlin-Mitte. „Act now“ steht in grüner Farbe außen auf dem Karton, „Handelt jetzt“. Darin wartet ein gutes Dutzend Schilder auf seinen Einsatz. „Rad statt Auto“ steht auf einem, „Klima – aussichtsloser als mein Mathe-Abi“ auf einem anderen.

An zahlreichen Orten in Berlin standen in den vergangenen Tagen solche Kisten, am Freitag sollen die Plakate in der Stadt verteilt werden. Es sind Offline-Spuren der Klimabewegung Fridays for Future in Zeiten, wo Protest in erster Linie online stattfindet.

Vor dem Hintergrund der Pandemie muss auch der Klimaprotest kreativ werden. Eigentlich sollte dieser Freitag ein globaler Streiktag der Klimaschützer von Fridays for Future werden, so wie es sie 2019 im September und November gab. Doch Massendemonstrationen sind derzeit tabu. Der Protest geht deshalb vor allem online weiter: #NetzstreikfürsKlima heißt das Schlagwort.

Redebeiträge und Musik, die sonst vor Tausenden Menschen stattfänden, sollen dann in einem Livestream im Netz zu sehen sein. Auf einer Streikkarte können sich alle eintragen, die mitstreiken wollen. Die Deutschlandkarte auf der Homepage ist übersäht von grünen Punkten. Dazu kommen Aktionen wie die mit den Schildern.

Fridays for Future hört auf Wissenschaftler und die sagen: Abstand halten

Dass Massendemonstrationen wie in der Vergangenheit jetzt unverantwortlich wären, darüber ist man sich einig. Die konsequente Orientierung an der Wissenschaft, die FFF in der Klimakrise einfordert, gilt schließlich auch hier. Und die Wissenschaft sagt: Abstand halten. Greta Thunberg, die Gründerin der Bewegung, demonstriert deshalb schon seit Langem nicht mehr draußen, sondern postet jede Woche ein Bild, auf dem sie zu Hause ein Schild mit dem Schulstreik-Slogan in die Kamera hält.

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Luisa Neubauer, eines der bekanntesten deutschen Gesichter von FFF, zeigt sich auf Instagram mit schwarzer Gesichtsmaske aus Bio-Hanf. Doch bislang ist die Resonanz verhalten. Onlinestreiks seien ein „unzureichendes Provisorium“, räumt Neubauer ein.

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Nur online zu streiken, reiche nicht aus, sagt auch Carla Reemtsma von Fridays for Future Deutschland, „da bleibt man oft in seiner Blase hängen“. Viele Ortsgruppen hätten sich deshalb entschieden, auch anders zu protestieren. Auf der Straße, aber ohne Menschenmassen. „Es ist wichtig, zu zeigen, dass wir noch da sind. Auch für die Leute, die in der Vergangenheit bei Streiks waren und sich jetzt fragen, wie es weitergeht.“

Die Botschaft: Fridays for Future gibt es noch

Die Botschaft des Netzstreiks ist deshalb vor allem: Die Krise gibt es noch, und Fridays for Future ebenso. „Wir müssen in der Lage sein, mit beiden Krisen gleichzeitig zu hantieren“, sagte Thunberg am Mittwoch bei einem Onlinegespräch mit dem Potsdamer Klimaforscher Johan Rockström. Anders als Corona werde die Klimakrise nicht als unmittelbare Bedrohung verstanden: „Die Klimakrise ist auch eine direkte Bedrohung, mit Folgen für uns und für Menschen in anderen Teilen der Welt“, sagte Thunberg.

Diese Dinge kann jeder fürs Klima tun

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    Das Virus, zumindest in Mitteleuropa viel unmittelbarer als die Auswirkungen der Erderhitzung, hat den Klimaschutz ebenso von der politischen Agenda verdrängt wie alle anderen Themen. Doch die Klimabewegung der Schüler stand schon vor Corona vor einem strategischen Dilemma.

    2019 hatte Fridays for Future weltweit Millionen auf die Straße gebracht, allein in Deutschland demonstrierten beim größten Klimastreik im September 1,4 Millionen Menschen. Die mediale Aufmerksamkeit war riesig, die Schülerinnen und Schüler hatten Unterstützung von Wissenschaftlern, Prominenten, auch aus der Politik. Die Antwort, das Klimapaket der Bundesregierung, wurde als Ohrfeige empfunden.

    Fridays for Future will mitreden, wie das Geld verteilt wird

    Danach wurden die Demonstrationen kleiner, viele Ortsgruppen streikten nicht mehr wöchentlich. Der Frust war spürbar. „Die Bewegung hatte einen Punkt erreicht, wo sie mit die größten Proteste in der Geschichte der Bundesrepublik auf die Beine gestellt hatte, konsequente politische Maßnahmen aber ausblieben“, sagt Simon Teune vom Institut für Protest- und Bewegungsforschung. „Die Herausforderung, wie man den Veränderungswillen weitertragen kann, war also schon vor Corona da.“

    In der Bewegung will man sich dieser Herausforderung stellen. Energie und Motivation seien groß, sagte Carla Reemtsma unserer Redaktion. Die Aktivisten wollen mitreden, wenn es um die Zeit nach Corona geht: „Es wird gerade die Zukunft unserer Gesellschaft ausgehandelt, und da müssen wir eine Stimme sein.“

    Konkret heiße das: Konjunkturprogramme, die jetzt kommen, müssten an soziale und ökologische Bedingungen geknüpft sein, erklärt die Studentin. „Konzerne, denen geholfen wird, müssen sich ganz klar dazu verpflichten, ihren Teil zur Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels beizutragen.“ Denn auch wenn die Pandemie irgendwann vorbei ist, die Klimakrise wird noch da sein.

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