Berlin. Die Regierung warnt, dass sich gewaltbereiter Islamismus auf andere Inhaftierte ausbreiten könnte. Die Zahl der Inhaftierten steigt.

Nach Angaben der Bundesregierung steigt die Zahl der Islamisten in deutschen Gefängnissen. „In Deutschland nimmt die Zahl der verurteilten Straftäterinnen und Straftäter mit islamistischem Hintergrund kontinuierlich zu“, heißt es in einer Antwort des Bundesjustizministeriums auf Anfrage der Linksfraktion, die unserer Redaktion vorliegt. „Von diesen Gefangenen kann sich gewaltbereiter Extremismus auf andere Inhaftierte ausbreiten.“

Zugleich hob die Bundesregierung in der Antwort hervor, dass Gefängnisse auch „Gelegenheit bieten, gewaltbereite Extremisten über längere Zeiträume positiv zu beeinflussen und auch diese Gefangenen auf die Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorzubereiten“.

Islamisten in Gefängnissen – Extremisten werden „dezentral“ untergebracht

Zuständig für die Unterbringung und Betreuung der Inhaftierten in Deutschland sind die Bundesländer. Aktuelle Zahlen über gefangene Islamisten liegen der Bundesregierung offenbar nicht vor. Das Justizministerium verweist auf eine bundesweite Erhebung von Ende Juni 2018. Demnach saßen in allen Bundesländern insgesamt 136 Personen im Gefängnis, weil sie islamistisch motivierte Straftaten begangen oder sogar Anschläge geplant hatten. 77 dieser Islamisten waren allerdings noch in Untersuchungshaft.

Zugleich zählten die Bundesländer 106 Inhaftierte, die den Sicherheitsbehörden als Islamisten bekannt waren oder unter Islamismus-Verdacht standen. Sie saßen allerdings wegen einer nicht politisch motivierten Straftat in Haft. Die Bundesregierung hielt in der Antwort fest, dass „immer wieder Personen nach Deutschland zurückkehren, die sich in den Kampfgebieten in Syrien und Irak aufgehalten haben“. Das Justizministerium schließe daher eine weitere Zunahme islamistischer Inhaftierter nicht aus.

In der Vergangenheit hatten sich sowohl in Frankreich als auch in Belgien Islamisten radikalisiert, die später auch an den Anschlägen 2015 und 2016 beteiligt waren. Auch der Berlin-Attentäter Anis Amri soll sich in Haft in Italien radikalisiert haben.

Die gefangenen Extremisten werden heute laut Behörden „dezentral“ untergebracht. Eine Arbeitsgruppe der Länder hatte dringend davon abgeraten, mehrere Terrorverdächtige gemeinsam etwa in einem Trakt einer Haftanstalt unterzubringen. Die Erfahrungen in Deutschland mit der „Roten Armee Fraktion“ hätten gezeigt, dass solche „Gruppenbildung eine Radikalisierung eher fördern“, schreibt die Regierung.

Linke fordern bessere Resozialisierung

Ebenfalls verwies das Ministerium auf „zahlreiche Präventionsprogramme“ in Haft, darunter Gruppentraining und Einzelberatung. Die Justizbehörden in den Ländern arbeiten dabei mit zivilen Trägern zusammen. Eine Maßnahme gegen Radikalisierung hinter Gittern ist der Einsatz einer „muslimischen Seelsorge“. Ziel sei eine „Gleichwertigkeit der muslimischen Gefängnisseelsorge mit der christlichen Seelsorge“, heißt es von Seiten der Behörden.

Für die Linken-Innenexpertin Ulla Jelpke ist diese Gleichstellung eine wichtige Forderung. „Es darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, muslimische Gefangene seien aufgrund ihrer religiösen Überzeugung besonderer Willkür ausgesetzt“, sagte Jelpke unserer Redaktion. „Wer sich aus seinem normalen Leben herausgerissen in Haft wiederfindet, ist häufig empfänglicher für radikales Gedankengut“, hob die Linken-Politikerin hervor. Die beste Prävention gegen Islamismus in den Gefängnissen sei „ein Strafvollzug, der das Ziel der Resozialisierung tatsächlich ernst nimmt“. (fmg)