Erfurt. In Thüringen will die CDU dem Linken Bodo Ramelow ins Amt des Ministerpräsidenten verhelfen. Ein Tabubruch – aber ein vernünftiger.

Am 5. Februar wurde der FDP-Politiker Thomas Kemmerich mit AfD-Stimmen zum Ministerpräsidenten gewählt. Das war ein Tabubruch der gefährlichsten Art: Zum ersten Mal seit Ende des zweiten Weltkriegs kam ein Regierungschef mit den Stimmen der extremen Rechten ins Amt.

Dieser historische Fehler wird nun korrigiert – und zwar mit einem zweiten Tabubruch. Die CDU erklärt sich bereit, den Linken Bodo Ramelow am 4. März zurück ins Amt zu verhelfen. Damit verstößt sie nicht nur gegen den Abgrenzungsbeschluss der Bundespartei von 2018, sondern gegen die gesamte antikommunistische Tradition der Union.

Thüringen: Manöver der AfD zeigt Verachtung für das Parlament

Doch es gibt entscheidende Unterschiede zwischen den beiden Tabubrüchen, und dies gerade in Thüringen. Die Linke hat sich hier unter Ramelow als demokratische, ja zumeist staatstragende Partei erwiesen. Hingegen gebärdet sich AfD unter Björn Höcke besonders extremistisch.

Das miese Manöver der Rechten, einen Strohmann gegen Bodo Ramelow in die Ministerpräsidentenwahl zu schicken, um dann insgeheim geschlossen Kemmerich zu wählen, bewies ihre Verachtung für das höchste Verfassungsorgan, das Parlament. Es ist nur konsequent, dass nun die Partei im Landtag nicht nur bei Wahlen, sondern auch bei Gesetzesabstimmungen komplett umgangen werden soll.

Die Linke ist auf Bundesebene noch nicht regierungsfähig – in Thüringen aber schon

So oder so ist der Schritt für die CDU historisch. Ja, die Linke steht in der Rechtsnachfolge der SED und sie hat Mitglieder, die radikale Ansichten vertreten. Aber die Partei hat sich in ihrer Gesamtheit in die bundesrepublikanische Grundordnung integriert, während sich die AfD radikalisierte.

Auf der Bundesebene mag es vor allem außen- und sicherheitspolitische Gründe geben, warum die Linke noch nicht regierungsfähig ist. Aber genau diese Gründe kommen in einem Land wie Thüringen nicht zum Tragen.

Lieberknecht zur Krise in Thüringen- Ich bin raus

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