Berlin. Schließen sich Deutsche Bank und Commerzbank zusammen? Die beiden Institute starten jetzt formelle Gespräche über eine mögliche Fusion.

Nach politischem Druck und monatelangen Spekulationen bewegen sich die beiden größten deutschen Privatbanken aufeinander zu. Die Commerzbank und die Deutsche Bank haben am Sonntag in Pflichtmitteilungen an die Börse bestätigt, dass sie Gespräche über eine mögliche Fusion führen.

In einem Brief an die Mitarbeiter betont Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing, es stehe „keineswegs fest, ob es überhaupt zu einer Transaktion kommen wird“. Man werde „ausschließlich wirtschaftlich sinnvolle Optionen verfolgen“. Das Geldhaus sei in den vergangenen Monaten weit dabei vorangekommen, die eigenen Hausaufgaben zu erledigen. „Gleichzeitig müssen wir uns aber dann mit Gelegenheiten beschäftigen, wenn sie sich bieten.“ Die Commerzbank erklärt, es handele sich um „ergebnisoffene Gespräche“.

Die beiden Kreditinstitute waren in den vergangenen Jahren vor allem mit sich selbst beschäftigt. Die Deutsche Bank musste Skandale wie Kursmanipulationen mit Milliardenstrafen bezahlen. Die Postbank, die sie 2009 mitten in der Finanzkrise übernommen hatte, ist bis heute nicht vollständig inte­g­riert. Die Commerzbank fusionierte ebenfalls 2009 mit der Dresdner Bank und hatte sich damit übernommen – die Bank musste mit Steuergeld gerettet werden. Bis heute ist die Bundesrepublik mit 15 Prozent an dem Geldhaus beteiligt. Die Deutsche Bank verbuchte 2018 nach drei Verlustjahren in Folge immerhin wieder einen Gewinn.

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    Der seit vergangenem April amtierende Vorstandschef der Deutschen Bank, Christian Sewing, baut das einstigen Vorzeigeinstitut derzeit von Grund auf um. Er hat Tausende Stellen gestrichen, die Investmentbank eingedampft, die seit Jahren der Konkurrenz, vor allem aus den USA, hinterherläuft.

    Auch die Commerzbank schrieb 2018 wieder schwarze Zahlen. Vorstandschef Martin Zielke hat aber zuletzt die mittelfristigen Ziele zurückgenommen. Sollte es zu einem Zusammenschluss beider Banken kommen, entstünde das mit Abstand größte deutsche Kreditinstitut mit rund 38 Millionen Privat- und Firmenkunden, 1400 Filialen in Deutschland, einem Marktanteil von rund 20 Prozent und einer Bilanzsumme von fast zwei Billionen Euro.

    Gemessen an den Bilanzsummen wäre die fusionierte Bank Europas Nummer drei nach der britischen HSBC und der französischen BNP Paribas. „Beide Banken zusammen wären auch nach einer Fusion nicht in der Weltspitze angekommen“, sagt Klaus Nieding, Vizepräsident der Aktionärsvereinigung DSW. Es entstünde „kein internationaler Champion“.

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    Die Deutsche Bank ist an der Börse 16 Milliarden Euro wert – zu guten Zeiten wie 2006 waren es mehr als dreimal so viel. Die Commerzbank kommt heute auf einen Börsenwert von neun Milliarden Euro und ist gerade erst aus dem wichtigsten deutschen Aktienindex Dax geflogen. Der Aktienkurs beider Geldhäuser ist in den letzten zwölf Monaten jeweils um fast 40 Prozent abgestürzt. International spielen die beiden Großbanken damit keine wichtige Rolle mehr.

    Durch eine Fusion könnten beide Geldhäuser aber zumindest bei der Digitalisierung ihre Kräfte bündeln und Kosten in Milliardenhöhe sparen. Viele Geschäftsbereiche überschneiden sich. Zusammen beschäftigen die Banken rund 133.000 Mitarbeiter. „Im ungünstigsten Fall muss man wohl den Abbau von 30.000 Stellen befürchten“, sagt Jan Duscheck. Der Bundesfachgruppenleiter Banken bei der Gewerkschaft Verdi sitzt für die Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat der Deutschen Bank. „Wir lehnen eine mögliche Fusion beider Häuser mit Blick auf die Gefährdung von Zehntausenden Arbeitsplätzen ab“, betont er. Auf beide Banken würden bei einem Zusammenschluss zusätzliche Risiken zukommen, ohne dass die alten Baustellen abgearbeitet wären.

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      Als Befürworter einer Fusion gilt Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Er stellte im vergangenen Sommer fest, „dass die Banken (...) nicht die Größe und die Globalität haben, um die Wirtschaft zu begleiten“. Scholz’ Staatssekretär Jörg Kukies, Ex-Deutschlandchef der US-Investmentbank Goldman Sachs, ist in der Branche bestens vernetzt. So dürfte der Minister die Nachricht am Sonntag wohlwollend zur Kenntnis genommen haben. „Wir stehen mit allen Beteiligten regelmäßig in Kontakt“, teilte das Finanzministerium mit und nahm die Bekanntgabe der Fusionsgespräche „zur Kenntnis“.

      Politiker fürchten Nachteile für Kunden

      Wichtige Anteilseigner der Deutschen Bank sind dagegen nicht überzeugt, dass eine Fusion Sinn ergibt. Zuletzt hatte jedoch der Finanzinvestor Cerberus, der Anteile an beiden Instituten hält, seine Zustimmung zu einem Deal signalisiert.

      Kritik äußerte unterdessen der Vizechef der Linke-Fraktion im Bundestag, Fabio De Masi: „Finanzminister Scholz hat die Deutsche Bank und die Commerzbank in eine Fusion geredet.“ Es bestehe die Gefahr, dass eine Mega-Bank entstehe, die „aufgrund ihrer Größe und Komplexität noch weniger abwicklungsfähig ist und daher auf den Schultern der Steuerzahler lastet“.

      Aus der Union kamen Forderungen, der Staat solle sich zurückziehen. „Vor einer Fusion beider Banken müsste der Bundesanteil an der Commerzbank von 15 Prozent aufgelöst werden“, sagte der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach. Er hat zudem wettbewerbsrechtliche Bedenken: „Eine Fusion der beiden Großbanken würde den Wettbewerb zum Nachteil der Kunden erheblich einschränken.“

      Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler forderte von der Regierung mehr Transparenz: „Bundesfinanzminister Olaf Scholz muss endlich die Karten auf den Tisch legen, welche Rolle der Bund als größter Eigentümer der Commerzbank bei den Gesprächen spielt“, sagte er. Entscheidungen dürften nicht ohne Beteiligung des Bundestages getroffen werden. Scholz wolle im Hintergrund eine „Großbank mit großen Risiken“ zimmern, kritisierte Kindler.

      Der FDP-Haushälter Otto Fricke mahnte, Scholz dürfe auf keinen Fall „politische Hochzeitsgeschenke“ machen, die eine Fusion beförderten. Mit zunehmender Größe einer Bank bestehe eine besondere Pflicht zur Regulierung. „Sonst heißt es wieder ,too big to fail‘ und der Steuerzahler muss haften.“ FDP-Chef Christian Lindner merkte zudem an: „Der Staat darf nicht eine Bankenfusion, die er gerne wünscht, arrangieren, indem zum Beispiel der Staatsanteil an der Commerzbank verscherbelt und verschachert wird.“ Stattdessen müssten marktübliche Preise gezahlt werden, forderte Lindner.

      Mit schnellen Entscheidungen ist wohl nicht zu rechnen. Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing appelliert daher an seine Mitarbeiter: „In der Zwischenzeit bitte ich Sie, sich auf Ihr tägliches Geschäft zu konzentrieren und für unsere Kunden da zu sein.“ (mit dpa/rtr)

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