Brüssel/Berlin. Die USA planen den Rückzug aus Afghanistan. Die Bundeswehr könnte mit anderen Nato-Staaten zurückbleiben. Die Regierung ist alarmiert.

Die Entscheidung zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr schien auf den ersten Blick nur Routine. Bis zu 1300 Soldaten bleiben ein weiteres Jahr in Afghanistan, das entsprechende Mandat wird verlängert, beschloss das Bundeskabinett am Mittwoch.

Doch von Routine ist hinter den Kulissen nichts mehr zu spüren, die Zukunft der Afghanistan-Mission ist plötzlich ungewiss: Der

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und ihrer Nato-Partner am Hindukusch, vor 18 Jahren begonnen, steht auf wackligem Boden. Der drohende Abzug der amerikanischen Truppen aus Afghanistan könnte die Sicherheit der Alliierten, auch der Bundeswehrsoldaten, gefährden.

Verhandlungen mit Taliban sollten beschleunigt werden

„Wenn die Amerikaner gehen sollten, müssen auch wir über den Rückzug nachdenken“, heißt es im Nato-Hauptquartier in Brüssel besorgt. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg mahnte vor einem Treffen der Nato-Verteidigungsminister am Mittwoch die Amerikaner schon zur Kooperation: Die Alliierten seien zusammen nach Afghanistan gegangen und müssten nun auch zusammen ihre zukünftige Haltung bestimmen.

Auch die Bundesregierung ist alarmiert. Noch bevor demnächst der Bundestag über die Mandatsverlängerung entscheidet, stellte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch den Einsatz unter Vorbehalt: Die US-Regierung sei vom Außen- und vom Verteidigungsministerium schon informiert worden, dass die Präsenz Deutschlands und anderer Nationen im Norden Afghanistans vom amerikanischen Engagement abhängig sei. „Wenn sich Veränderungen ergeben, werden wir immer wieder überprüfen müssen, ob dann unser Engagement noch nötig ist“, sagte Merkel.

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    Veränderungen aber wird es geben: US-Präsident Donald Trump hatte erst vergangene Woche erklärt, er wolle Verhandlungen mit den radikalislamischen Taliban beschleunigen, um eine politische Lösung in Afghanistan zu finden. Sobald es Fortschritte gebe, könne die Truppenpräsenz reduziert werden.

    Die USA haben die meisten Soldaten am Hindukusch

    Der Afghanistan-Krieg ist der längste Krieg, in den die USA jemals verwickelt waren. Entsprechend groß ist der Wunsch Trumps, vor den nächsten Präsidentschaftswahlen in knapp zwei Jahren ein Ende herbeizuführen. Derzeit sind rund 15.000 Soldaten an der Nato-Mission „Resolute Support“ beteiligt, die seit 2015 die Ausbildung afghanischer Soldaten in neuer Regie fortsetzt. 8000 Soldaten entsenden die Amerikaner, Deutschland ist mit aktuell 1200 Soldaten der zweitgrößte Truppensteller. Parallel sind die USA noch mit rund 6000 Soldaten in einem speziellen Anti-Terror-Einsatz präsent.

    Trump will die Soldaten zügig nach Hause zurückholen. Auf Twitter kündigte er zu Jahresbeginn an, die Truppe werde stark reduziert, der Einsatz dann auch bald beendet. Was das genau heißt, ist indes völlig unklar. Während die US-Regierung auf Anfragen der Alliierten betont, es gebe keine konkreten Pläne, kursieren Spekulationen, die Zahl der amerikanischen Soldaten am Hindukusch solle zügig mindestens halbiert werden.

    Die Besorgnis bei der afghanischen Regierung ist groß: Die afghanischen Sicherheitskräfte sind nach wie vor nicht in der Lage, allein und flächendeckend für Sicherheit im Land zu sorgen. Amerikas Nato-Partner aber prüfen bereits, was ein Rückzug bedeuten würde.

    „Wir sind auf die besonderen Fähigkeiten der USA angewiesen, vor allem auf die Luftunterstützung“, hieß es im Bündnis im Vorfeld des Treffens der Verteidigungsminister. Ohne die besonderen Fähigkeiten der Amerikaner steige die Gefahr für die Nato-Truppen. Der amtierende US-Minister Patrick Shanahan muss sich in Brüssel deshalb dringenden Fragen seiner Kollegen stellen.

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    USA fordern Garantien

    Die Bundesregierung teilt zwar den Ansatz, dass der Konflikt in Afghanistan nur durch einen politischen Verhandlungsprozess zu beenden ist, der allerdings die afghanische Regierung einschließt. So gibt es das Angebot Berlins, die Taliban zu einer Afghanistan-Friedenskonferenz nach Deutschland einzuladen.

    Doch sowohl in Berlin wie in Brüssel bestehen massive Zweifel, dass die von den USA forcierten Friedensverhandlungen überhaupt in absehbarer Zeit zum Ziel führen werden. Die Taliban verlangen einen Abzug aller ausländischen Truppen aus Afghanistan. Die USA fordern aber im Gegenzug Garantien, dass nicht wieder Terrorgruppen wie Al-Kaida aus Afghanistan agieren können.

    Wie es auf dieser Grundlage überhaupt zu einer Einigung kommen soll, ist unklar. Doch gewiss ist, dass die Taliban bisher nur verhandlungsbereit waren, weil sie militärisch unter Druck stehen. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen warnt deshalb schon, jede Spekulation über ein vorzeitiges Ende oder eine erhebliche Reduzierung des militärischen Engagements des Westens gefährde die Verhandlungen mit den Taliban. Denn das, meint Röttgen, wäre ein Angebot an die Taliban, „einfach noch ein bisschen zu warten“.