Teheran/Tunis. Am 40. Jahrestag der Islamischen Revolution feiert sich das Regime mit martialischer Rhetorik – doch im Inneren des Landes gärt es.

Der Mann mit dem grauen Vollbart und dem freundlichen Blick gibt sich kämpferisch. „Wir haben nicht um Erlaubnis gefragt, und wir werden dies auch künftig nicht tun, um verschiedene Raketentypen zu entwickeln“, sagt der iranische Präsident Hassan Rohani am Montag. Am 40. Jahrestag der Islamischen Revolution legt das sonst eher gemäßigte Staatsoberhaupt eine aggressive Rhetorik an den Tag.

„Wir befinden uns heute in einem psychologischen und wirtschaftlichen Krieg.“ Und: „Unsere Streitkräfte erhalten alles, was sie wollen.“ Der Iran werde seine militärische Schlagkraft erhöhen. Auch wirtschaftliche Sanktionen würden zu keinem Kurswechsel führen, so Rohani. Zudem lehne das Land trotz internationaler Kritik einen Rückzug aus den regionalen Konfliktherden ab.

Die Lebensmittelpreise haben sich verdoppelt

In den Städten gehen Hunderttausende Menschen auf die Straßen, um den Jahrestag des Sieges von Ajatollah Ruhollah Khomeini über den Schah zu feiern. Menschenmengen skandierten „Tod Israel, Tod den USA“. Zudem werden US-Flaggen verbrannt. Die USA waren der wichtigste Verbündete des Schahs und sind entschiedener Gegner der jetzigen Regierung in Teheran.

Nach Berichten iranischer Medien stellten die Revolutionsgarden vergangene Woche eine Boden-Boden-Rakete mit einer Reichweite von 1000 Kilometern vor. Sie drohten, israelische Städte zu zerstören, sollten die USA den Iran angreifen.

Eine Aufnahme aus der Februar 1979 in Teheran: Ein Bild von Ajatollah Ruhollah Chomeini am Kanonenrohr eines Panzers vor dem Niavaran-Palast.
Eine Aufnahme aus der Februar 1979 in Teheran: Ein Bild von Ajatollah Ruhollah Chomeini am Kanonenrohr eines Panzers vor dem Niavaran-Palast. © dpa | Aristotle Saris

Die martialische Siegesrhetorik jedoch kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es im Inneren der Islamischen Republik kräftig gärt. Die Stimmung im Volk ist rebellischer und frustrierter als je zuvor. Das doktrinäre Staatsprojekt wirkt bis ins Mark erschöpft, marode und ausgezehrt.

Mailverkehr im Internet wird systematisch überwacht

Die Flamme des Aufbruchs ist erloschen, die Erinnerung an die dramatischen Tage von 1979 sind verglüht. Stattdessen zweifeln immer mehr Iraner an ihrem politischen System, was sich als gottgegebene Wohltat inszeniert, in Wirklichkeit aber ein Übermaß an Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsmisere, an Dürre und Umweltverschmutzung produziert.

Wer von den jungen Leuten kann, emigriert nach Europa, Kanada oder in die USA. Journalisten, Menschenrechtler, Gewerkschafter und Umweltaktivisten werden drangsaliert, Frauen, die gegen das Zwangskopftuch aufbegehren, ins Gefängnis geworfen. Der Mailverkehr im Internet wird systematisch überwacht. Facebook, Twitter, Telegram und Youtube sind blockiert, lediglich Instagram ist noch offen.

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Die Wirtschaftsleistung schrumpft, die Währung kollabiert. Die Lebensmittelpreise haben sich verdoppelt, in den Apotheken fehlen lebenswichtige Medikamente.

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