Berlin. Deutschland und Frankreich haben 1963 den Élysée-Vertrag geschlossen. Weil sich die Welt geändert hat, gibt es einen neuen Vertrag.

In vielen Partnerschaften ist manchmal der Wurm drin. Paare, die unbedingt zusammenbleiben wollen, erneuern dann in einer feierlichen Zeremonie ihr Eheversprechen, um den Zauber von einst zurückzuholen. So ähnlich ergeht es gerade Deutschland und Frankreich.

An diesem Dienstag unterschreiben Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron bei einem Staatsakt in Aachen einen Freundschaftsvertrag zwischen beiden Ländern. Er soll anknüpfen an den berühmten Élysée-Vertrag aus dem Jahr 1963. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Präsident Charles de Gaulle besiegelten seinerzeit die Aussöhnung und Freundschaft der einstigen Erbfeinde und überwanden so die Schatten der beiden Weltkriege.

Der Élysée-Vertrag verpflichtete beide Regierungen zu enger Zusammenarbeit in der Außen- und ­Sicherheitspolitik, aber auch auf kultureller Ebene. Ein Erfolgsgeschichte ist das deutsch-französische Jugendwerk. Seit 1963 nahmen rund neun Millionen Kinder und Jugendlicher beider Länder an Austauschprogrammen teil.

Weil die Welt sich ändert,sei ein neuer Vertrag nötig

Die Kanzlerin betonte am Wochenende, diese Freundschaft sei nach den jahrhundertelangen kriegerischen Auseinandersetzungen „alles andere als selbstverständlich“. Die Welt habe sich geändert, deshalb sei ein neuer Vertrag nötig. Dabei werde die grenznahe Zusammenarbeit ein großes Kapitel einnehmen. „Wir werden diesen Vertrag durch eine Projektliste ergänzen, die permanent ergänzt wird und zeigt, wie Deutschland und Frankreich in Europa weiter gemeinsam die Dinge voranbringen.“ Allerdings knirscht es in der Europapolitik zwischen Berlin und Paris immer wieder.

100 Jahre Ende Erster Weltkrieg: So erleben unsere jungen Leser Verdun

weitere Videos

    So klagten die Franzosen, dass die Deutschen in der Finanzpolitik zu zögerlich und knauserig seien. Denn der als Europa-Visionär ins Amt gestartete Macron braucht vier Monate vor der Europawahl, wo seine Partei En Marche antritt, dringend Erfolge. Seit in Frankreich die Gelbwesten auf den Straßen gegen Macrons Reformpolitik teils gewaltsam protestieren, sind dessen Beliebtheitswerte ins Bodenlose gestürzt.

    Unterstützung erhält Macron von Martin Schulz. Der Ex-Präsident des Europaparlaments und frühere SPD-Kanzlerkandidat sagte unserer Redaktion, die von der Koalition vereinbarten Europa-Reformen müssten jetzt umgesetzt werden. „Die deutsch-französische Zusammenarbeit darf sich nicht in feierlichen Erklärungen erschöpfen. Die Bundeskanzlerin, der Finanzminister (Olaf Scholz) und jeder andere in der Regierung hat sich dazu verpflichtet.“

    Frankreich und Deutschland wollen Internetsteuer durchsetzen

    Eine Internetsteuer für große Konzerne sei überfällig. „Deutschland und Frankreich müssen die notfalls im Alleingang erheben. Damit können wir den Menschen zeigen, dass nicht die Kleinen die Zeche zahlen, sondern die Großen, die sich vor den Steuern drücken, endlich angemessene Beiträge leisten müssen.“ Es sei einzigartig, dass im Koalitionsvertrag Amazon, Google, Facebook und Apple namentlich genannt würden. Auch eine Börsenumsatzsteuer müssten Berlin und Paris durchsetzen. „Wenn sie ein Pfund Kartoffeln kaufen, zahlen sie Mehrwertsteuer. Wenn sie ein Aktienpaket verkaufen, zahlen sie nix. Das muss aufhören.“

    Einen Aufstand der Abgehängten wie im Nachbarland fürchtet Schulz nicht. „Eine Gelbwesten-Bewegung ­hätte in Deutschland keine Chance. Dafür ist unsere Gesellschaft viel stärker auf Dialog und Konsens ausgerichtet als in Frankreich. Das erlebt doch gerade Frau Wagenknecht, die mit ihren durchschaubaren Versuchen, die Gelbwesten zu kapern, Schiffbruch erleidet.“