Berlin. Die Kanzlerin soll wie die SPD den Daumen über den Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen gesenkt haben. Was macht der Innenminister?

Von Horst Lorenz Seehofer war erst einmal nichts zu sehen und zu hören. Zum Wochenauftakt weilte der CSU-Chef und Bundesinnenminister in München, wo für ihn als Ministerpräsident zehn Jahre lang die Welt meist noch in Ordnung war.

Der CSU-Parteitag am Wochenende lief für den 69-Jährigen eher mäßig. An der Basis, die ihn einst als instinktsicheren Machtgaranten bejubelte, nun aber den Verlust der absoluten Mehrheit bei der Landtagswahl in knapp vier Wochen fürchtet, hat sich über den „Horst“ einiges an Frust angestaut.

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in den Umfragen gemacht. In Berlin sieht es nicht besser aus. Seehofer sitzt wegen der Causa Maaßen gewaltig in der Klemme – und mit ihm die ganze Koalition.

Maaßen-Gipfel, Teil II

Wie die Zeitung „Die Welt“ berichtete,

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Das habe Merkel, die am Montag zu einem Kurztrip nach Algerien aufbrach, am Wochenende in Telefonaten mit führenden Unionspolitikern klargemacht.

Allerdings ist es eher unüblich, dass die verschwiegene und vorsichtige Merkel sich frühzeitig in die Karten gucken lässt. Denn der Maaßen-Gipfel, Teil II, sollte ja erst am Dienstagnachmittag, 16.00 Uhr, im Kanzleramt steigen.

Eine echte Überraschung wäre Merkels Position nicht. SPD-Chefin Andrea Nahles hatte aus dem Spitzentreffen zu Maaßen am vergangenen Donnerstag mit Merkel und

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das sichere Gefühl mitgenommen, Merkel stehe auf Seiten der Sozialdemokraten, die Maaßen für untragbar halten.

Merkel: Koalition wird nicht an Maaßen scheitern

Siegesgewiss verkündete Nahles dann im hessischen Wahlkampf:

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Merkel selbst hatte am Freitag bei einem Besuch in Litauens Hauptstadt Vilnius deutlich gemacht, dass die Koalition nicht an der Person eines Präsidenten einer nachgeordneten Bundesbehörde scheitern werde. Im fernen Algier blieb sie dabei. Ihre Aussagen hätten weiter Gültigkeit: „Dem ist nichts hinzuzufügen.“

Ausgangspunkt des Wirbels um Maaßen waren dessen Äußerungen gegenüber der „Bild“-Zeitung, ihm lägen „keine belastbaren Informationen“ vor,

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Vielmehr sprächen „gute Gründe“ dafür, dass es sich bei einem entsprechenden Video „um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken“.

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    Maaßen scheint sich auf Seehofers Schutz zu verlassen

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    Tatverdächtig sind drei Asylbewerber aus Syrien und dem Irak. Nach der Tat – die Staatsanwaltschaft ermittelt übrigens wegen eines Tötungsdelikts und nicht wegen Mordes – war es zu Demos von Rechtsgerichteten, Neonazis und Gegnern der Flüchtlingspolitik gekommen. Dabei kam es auch zu fremdenfeindlichen Übergriffen.

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      Innenminister Seehofer hatte dem Spitzenbeamten gleich zweimal das Vertrauen ausgesprochen – erst im Innenausschuss, dann auf der großen Bühne des Bundestages. Maaßen scheint sich darauf verlassen zu haben, dass Seehofer ihn schützen werde. So soll er vergangene Woche vor einer Gruppe von Unionsabgeordneten erklärt haben: „Horst Seehofer hat mir gesagt, wenn ich falle, dann fällt er auch.“

      Andreas Scheuer: Maaßen ist ein guter Verfassungsschutzpräsident

      Aus CSU-Kreisen verlautete am Montag, eine Entlassung Maaßens komme unverändert nicht infrage. Die SPD sei unnötigerweise auf die Bäume geklettert. „Wir unterhalten uns seit mehreren Tagen über eine zweit- und drittklassige Personalangelegenheit“, kritisierte CSU-Mann und Verkehrsminister Andreas Scheuer.

      Seehofer als Bundesinnenminister habe das erste Zugriffsrecht in dieser Frage: „Und kein anderer“. Deutschland brauche einen starken Verfassungsschutzpräsidenten: „Und Herr Maaßen ist ein guter.“

      Koalition setzt auf freiwilligen Rücktritt Maaßens

      Angela Merkel mit ihrem österreichischen Amtskollegen Sebastian Kurz (l.).
      Angela Merkel mit ihrem österreichischen Amtskollegen Sebastian Kurz (l.). © REUTERS | FABRIZIO BENSCH

      Als unverändert elegantester Weg wird in der Koalition darauf gesetzt, dass Maaßen freiwillig geht und um seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand bittet. Aber was ist, wenn beide stur bleiben, Seehofer und Maaßen?

      Auch der Bundespräsident ist mittlerweile besorgt. „Ich kann nur meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass dort, wo Entscheidungen gefällt werden müssen, sie bald fallen“, sagte Frank-Walter Steinmeier bei einem Besuch im finnischen Helsinki.

      Auch Seehofer will die Koalition fortsetzen

      Hört Seehofer die Signale? Der Innenminister könnte die fragile Lage in der Koalition erneut eskalieren lassen, wenn er Maaßen im Amt belässt und Merkel offen herausfordert. Fraglich aber ist, ob Seehofer nach dem von ihm angezettelten Sommerstreit mit Merkel um Zurückweisungen von Flüchtlingen an der Grenze (wo er nach leerer Rücktrittsdrohung als Verlierer vom Platz ging) noch genug Rückhalt in der CSU für eine erneute Kraftprobe mit Merkel und der SPD hätte.

      Auch der Zeitpunkt für eine Eskalation wäre dreieinhalb Wochen vor der Bayernwahl für alle Regierungsparteien mehr als riskant. Außerdem sagte Seehofer beim CSU-Parteitag, auch er wolle die Koalition fortsetzen.

      AfD kostet das Dilemma des Innenministeriums aus

      Die SPD-Spitze um Nahles und Vizekanzler Olaf Scholz will die Regierung aus Angst vor Neuwahlen ebenfalls nicht sprengen. Nahles hatte aber sehr früh Maaßen maximal unter Druck gesetzt. Daran wird sie nun vom linken Flügel und den Groko-Gegnern in der SPD gemessen, die nach Chemnitz den Kampf gegen rechts als Überlebensweg der Partei auserkoren haben.

      Die AfD kostet das Dilemma des Innenministers und das Zaudern der Koalition aus. Schon jetzt ist absehbar, dass die AfD versuchen wird, einen Abgang Maaßens als Beleg für die Verschwörungstheorie zu nehmen, dass jeder, der die Kanzlerin offen kritisiere, seinen Hut nehmen müsse.

      Die Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch twitterte: „Seehofer muss jetzt stehen, wenn notwendig muss die CSU auch die Merkel-Regierung verlassen, sonst sind die nicht einmal mehr Bettvorleger, sondern nur noch Merkels Fußabtreter.“ Die AfD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, lenkte den Blick gleich auf die Kanzlerin: „Nicht Maaßen muss weg, sondern Merkel.“

      Seehofer: Die Lage ist sensibel

      Bundesinnenminister Horst Seehofer zusammen mit Hans-Georg Maaßen.
      Bundesinnenminister Horst Seehofer zusammen mit Hans-Georg Maaßen. © imago/photothek | imago stock

      Auch Merkel-Kritiker in der Union murren, dass die Kanzlerin Maaßen auf Druck des Koalitionspartners SPD opfern wolle. Am Dienstag kommender Woche muss Merkels treuer Vasall, Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU), seine Wiederwahl gegen den Herausforderer Ralph Brinkhaus bestehen. Würde Merkel jetzt so weit gehen, gegen Seehofers Willen die Entlassung Maaßens durchzusetzen? Seehofer reagierte im Sommer höchst allergisch auf Merkels Drohung, notfalls per Richtlinienkompetenz Zurückweisungen an den Grenzen zu verhindern.

      Seehofer hat sich bis zum Finale im Kanzleramt im Terminkalender Raum geschaffen, um einen Ausweg zu finden. Einen Auftritt am Dienstag in der Frankfurter Paulskirche zur Wohnungsbaupolitik ließ er absagen.

      Dafür meldete er sich am Montagabend in Regensburg doch noch zu Wort. Er sei optimistisch, dass die Regierung halten werde: „Die Lage ist sensibel, der Vorgang ist sensibel und deshalb muss man auch umsichtig damit umgehen“, sagte Seehofer.