Berlin. „Die Migration ist die Mutter aller Probleme“. Das hat Innenminister Horst Seehofer gesagt. Die Kanzlerin sieht das offenbar anders.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der Einschätzung von CSU-Chef Horst Seehofer widersprochen, die Migrationsfrage sei „Mutter aller politischen Probleme“ in Deutschland. „Ich sag’ das anders“, sagte Merkel am Donnerstag im RTL-Sommerinterview vor dem Hintergrund der teils rassistischen und fremdenfeindlichen Demonstrationen in Chemnitz. „Ich sage, die Migrationsfrage stellt uns vor Herausforderungen. Und dabei gibt es auch Probleme.“ Es gebe aber auch Erfolge zu verzeichnen.

Seehofer hatte zuvor die Ausschreitungen für eine Grundsatzkritik an der deutschen Asylpolitik genutzt. Die Migration sei Mutter aller Probleme, sagte er übereinstimmenden Medienberichten zufolge. Seehofer äußerte diese Worte demnach am Rande einer Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im brandenburgischen Neuhardenberg.

Merkel: Jeder und jede sollte Position beziehen

Der Innenminister verteidigte auch die Demonstranten in Sachsen. Wenn sich Leute empörten, seien sie noch lange keine Nazis, soll er laut Teilnehmern der Tagung gesagt haben.

Merkel sagte nun zu Chemnitz, in der Stadt habe man Demonstrationen erlebt „mit Erscheinungen, die nicht in Ordnung sind. Hasserfüllt und auch gegen andere Menschen gerichtet“, sagte Merkel. Es habe aber auch Demonstrationen gegeben, die gezeigt hätten, „wie Menschen auch dagegen aufstehen gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus“. Die Kanzlerin betonte: „Es ist eine angespannte Stimmung, in der auch jeder, glaube ich, und jede Position beziehen sollte.“

Aufgeheizte Stimmung bei AfD-Demo in Chemnitz

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    Erst einmal ein Bild der Situation machen

    Gegenüber der „Rheinischen Post“ hatte Seehofer seine Aussage zur Migration später abgeschwächt. Angesprochen auf die schlechten Umfragewerte der Union und mit Blick auf den Aufstieg der AfD sagte Seehofer weiter „Wir haben erstmals eine Partei rechts der Union, die sich mittelfristig etablieren könnte, ein gespaltenes Land und einen mangelnden Rückhalt der Volksparteien in der Gesellschaft.“

    Die Karriere von Horst Seehofer

    Er ist Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat im Kabinett Merkel IV: Der CSU-Politiker Horst Seehofer kann auf eine Jahrzehnte lange politische Karriere zurückblicken. Wir zeigen Bilder des CSU-Politikers.
    Er ist Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat im Kabinett Merkel IV: Der CSU-Politiker Horst Seehofer kann auf eine Jahrzehnte lange politische Karriere zurückblicken. Wir zeigen Bilder des CSU-Politikers. © Reto Klar | Reto Klar
    Seehofer wurde am 4. Juli 1949 in Ingolstadt geboren. Nach der Mittleren Reife tritt er 1969 in die Junge Union ein, 1971 wird der Diplom-Verwaltungswirt Mitglied der Christlich Sozialen Union (CSU).
    Seehofer wurde am 4. Juli 1949 in Ingolstadt geboren. Nach der Mittleren Reife tritt er 1969 in die Junge Union ein, 1971 wird der Diplom-Verwaltungswirt Mitglied der Christlich Sozialen Union (CSU). © picture alliance / Andreas Geber | dpa Picture-Alliance / Andreas Gebert
    Am 21. April 1989 wird Seehofer zum Nachfolger des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesarbeitsministerium, Stefan Höpfinger (l.), ernannt.
    Am 21. April 1989 wird Seehofer zum Nachfolger des Parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesarbeitsministerium, Stefan Höpfinger (l.), ernannt. © Bundesarchiv | Reineke, Engelbert
    Von 1992 bis 1998 ist er Gesundheitsminister.
    Von 1992 bis 1998 ist er Gesundheitsminister. © picture-alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Torsten Silz
    Von 1980 bis 2008 ist er Mitglied des Deutschen Bundestag. Von 1994 bis 2008 stellvertretender Vorsitzende der CSU und von 1998 bis 2004 der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
    Von 1980 bis 2008 ist er Mitglied des Deutschen Bundestag. Von 1994 bis 2008 stellvertretender Vorsitzende der CSU und von 1998 bis 2004 der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. © imago/photothek | Nicole Maskus
    Nach der Bundestagswahl 2005 wird Horst Seehofer in der großen Koalition Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
    Nach der Bundestagswahl 2005 wird Horst Seehofer in der großen Koalition Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. © Getty Images | Andreas Rentz
    Das Amt bekleidet er von 2005 bis 2008.
    Das Amt bekleidet er von 2005 bis 2008. © Getty Images | Miguel Villagran
    Seit 2008 hat er den Parteivorsitz der CSU inne.
    Seit 2008 hat er den Parteivorsitz der CSU inne. © REUTERS | REUTERS / RALPH ORLOWSKI
    Im Oktober 2008 wird er vom Bayerischen Landtag zum Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern gewählt.
    Im Oktober 2008 wird er vom Bayerischen Landtag zum Ministerpräsidenten des Freistaats Bayern gewählt. © picture-alliance/ dpa/dpaweb | dpa Picture-Alliance / Eva Chloupek
    Horst Seehofer mit seiner Ehefrau Karin Seehofer (2 v.l.) und den drei gemeinsamen Kindern Andreas, Ulrike und Susanne beim Neujahrsempfang des Bayerischen Ministerpräsidenten 2018 im Kaisersaal der Münchner Residenz. Aus einer außerehelichen Beziehung hat er eine weitere Tochter, die 2007 geboren wurde.
    Horst Seehofer mit seiner Ehefrau Karin Seehofer (2 v.l.) und den drei gemeinsamen Kindern Andreas, Ulrike und Susanne beim Neujahrsempfang des Bayerischen Ministerpräsidenten 2018 im Kaisersaal der Münchner Residenz. Aus einer außerehelichen Beziehung hat er eine weitere Tochter, die 2007 geboren wurde. © imago | Spöttel Picture
    „Ich gehe ständig an die Grenze dessen, was man sich körperlich zumuten kann“, sagte er einmal.
    „Ich gehe ständig an die Grenze dessen, was man sich körperlich zumuten kann“, sagte er einmal. © dpa | Tobias Hase
    2002 erlitt er eine Herzmuskelentzündung, die ihn fast das Leben kostete. Privat habe er kaum Zeit für Freunde, Familie, Hobbys.
    2002 erlitt er eine Herzmuskelentzündung, die ihn fast das Leben kostete. Privat habe er kaum Zeit für Freunde, Familie, Hobbys. © dpa | Michael Kappeler
    Am 12. März 2018 präsentierten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der CSU-Vorsitzende Seehofer und der damalige kommissarische SPD-Vorsitzende und jetzige Finanzminister Olaf Scholz, den gemeinsam unterzeichneten Koalitionsvertrag in Berlin. Es gibt wieder eine große Koalition.
    Am 12. März 2018 präsentierten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der CSU-Vorsitzende Seehofer und der damalige kommissarische SPD-Vorsitzende und jetzige Finanzminister Olaf Scholz, den gemeinsam unterzeichneten Koalitionsvertrag in Berlin. Es gibt wieder eine große Koalition. © dpa | Bernd von Jutrczenka
    Für das Kabinett Merkel IV wird Seehofer am 14. März 2018 zum neuen Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat ernannt. Der Höhepunkt in seiner Karriere.
    Für das Kabinett Merkel IV wird Seehofer am 14. März 2018 zum neuen Bundesminister des Inneren, für Bau und Heimat ernannt. Der Höhepunkt in seiner Karriere. © REUTERS | REUTERS / HANNIBAL HANSCHKE
    Dieses Foto sorgt kurze Zeit später für Aufsehen. Der Heimatminister präsentiert seine Mannschaft – und es sind ausschließlich Männer zu sehen.
    Dieses Foto sorgt kurze Zeit später für Aufsehen. Der Heimatminister präsentiert seine Mannschaft – und es sind ausschließlich Männer zu sehen. © picture alliance / /Bundesminist | dpa Picture-Alliance / -
    Der Streit zwischen Seehofer und Merkel über den Umgang mit Flüchtlingen an der deutschen Grenze eskaliert Ende Juni. Auch bei einem Krisengespräch im Kanzleramt können die beiden die Wogen zunächst nicht glätten.
    Der Streit zwischen Seehofer und Merkel über den Umgang mit Flüchtlingen an der deutschen Grenze eskaliert Ende Juni. Auch bei einem Krisengespräch im Kanzleramt können die beiden die Wogen zunächst nicht glätten. © dpa | Paul Zinken
    Innenminister Seehofer bleibt in der Fragen nach Abweisungen an der Grenze hart – Merkel auch.
    Innenminister Seehofer bleibt in der Fragen nach Abweisungen an der Grenze hart – Merkel auch. © dpa | Ralf Hirschberger
    Doch nach einem weiteren Krisengespräch wird man sich einig. Die Union will Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze einrichten.
    Doch nach einem weiteren Krisengespräch wird man sich einig. Die Union will Transitzentren an der deutsch-österreichischen Grenze einrichten. © Reto Klar | Reto Klar
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    Dies habe „nicht nur“ mit der Migrationspolitik zu tun, sagte Seehofer. „Aber die Migrationsfrage ist die Mutter aller politischen Probleme in diesem Land. Das sage ich seit drei Jahren. Und das bestätigen viele Umfragen. Das erlebe ich aber auch in meinen Veranstaltungen.“ Viele Menschen verbänden jetzt ihre sozialen Sorgen mit der Migrationsfrage.

    Stamp: Ohne Migration wäre Seehofer Afrikaner

    Für rechtsradikale Äußerungen und Ausschreitungen habe er dagegen kein Verständnis, sagte Seehofer weiter: „Wir sind nicht auf dem rechten Auge blind“.

    NRW-Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) kritsierte Seehofer. „Ohne Migration wären die meisten Menschen wohl noch in der ostafrikanischen Steppe zu Hause und Seehofer wäre heute Afrikaner“, schrieb Stamp bei Twitter.

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    SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf Seehofe auf Twitter „rechtspopulistisches Gequatsche“ vor. „Wenn ich das Foto sehe, frage ich mich, ob man hier nicht den Vater von reichlich Problemen sieht“, schrieb Klingbeil.

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    SPD-Vize Ralf Stegner schloss sich einer Rücktrittsforderung für den Fall an, dass Seehofer nicht mehr Innenminister aller Menschen in Deutschland sein könne. „Der Herr Heimatminister vergisst, dass für ganz viele Menschen unser freiheitliches, tolerantes und rechtsstaatliches Deutschland zur Heimat geworden ist. Vielfalt ist unsere Stärke, Einfalt von rechts unser Problem!“, schrieb Stegner auf Twitter.

    Bundespolitiker reisten nach Chemnitz

    Während einige Politiker des Kabinetts nach Chemnitz gereist waren, hatte Seehofer sich als Innenminister bislang nicht zu den Vorfällen geäußert. Sein Schweigen begründete er auf der Tagung offenbar damit, dass er sich erst einmal ein authentisches Bild von der Situation habe machen wollen. Darum habe er sich bei der Polizei nach Einzelheiten erkundigt.

    Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte nach den Übergriffen in Chemnitz Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) widersprochen, die „Hetzjagden“ auf Ausländer verurteilt hatte.

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      „Es gab keinen Mob, keine Hetzjagd und keine Pogrome“

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      „mit aller Kraft“ gegen Rechtsextremismus zu kämpfen. „Ich bin der festen Überzeugung, dass Rechtsextremismus die größte Gefahr für die Demokratie ist.“ Das Geschehen in Chemnitz müsse aber richtig beschrieben werden. „Klar ist:

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      Merkel bekräftigte in Berlin ihre Verurteilung der Auseinandersetzungen und Proteste.

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      Merkel hatte gesagt, es habe Bilder gegeben, die „sehr klar Hass und damit auch die Verfolgung unschuldiger Menschen“ gezeigt hätten. Davon müsse man sich distanzieren. „Damit ist alles gesagt“, fügte sie hinzu. Kretschmer selbst sagte der „Welt“, er sehe keine Differenzen mit Merkel in der Einschätzung der Vorfälle von Chemnitz. (aba/dpa)