Brüssel. Die EU will die Zeitumstellung abschaffen. Der Plan ist respektabel – aber falsch begründet. Eine neue Abstimmung wäre ein Gewinn.

Es ist für Brüsseler Verhältnisse ein kleines Wunder: Jahrelang ist die EU-Kommission der Debatte um die nervende Zeitumstellung ausgewichen, immer wieder hat sie kritische Studien und Mahnungen von Experten ignoriert.

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für ein Ende der halbjährlichen Zeitsprünge. Respekt, möchte man sagen: Es gibt viele gute Argumente für diesen Schritt. Doch leider: Junckers Begründung gehört nicht dazu.

Als der Präsident gestern den überraschenden Vorstoß verkündete, berief er sich nicht etwa auf eigene Einsichten, sondern allein auf den angeblich ermittelten Wunsch der EU-Bürger. Das ist, mit Verlaub, einfach falsch.

Abschaffung von Zeitumstellung Wunsch vieler

Tatsächlich haben weniger als ein Prozent der Einwohner der Union

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in einem sogenannten Konsultationsverfahren ihre Meinung zur Zeitumstellung geäußert – in vielen Teilen Europas war die Beteiligung nahe null.

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, eine Debatte gab es nicht.

Es handelte sich deshalb ausdrücklich nicht um eine Abstimmung, wie die Kommission selbst stets betonte. Dass leidenschaftliche Gegner der Zeitumstellung ihre Truppen für eine 80-Prozent-Mehrheit mobilisierten, ist absolut legitim. Die Aktion mag im Sinne von mehr Bürgernähe auch gut gemeint gewesen sein.

Aber Juncker und seine Kommission können diese Befragung doch nicht im Nachhinein zur Grundlage einer so weitreichenden Entscheidung machen, bloß um die Sache streitfrei vom Tisch zu bekommen.

Kein positiver Effekt durch Zeitumstellung

Warum versteckt sich die Brüsseler Behörde hinter einem vorgegaukelten Bürgerwillen, statt die Entscheidung inhaltlich zu begründen? Das wäre möglich: Eingeführt wurde die

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unter dem Eindruck der Energiekrise der siebziger Jahre. Das offizielle Ziel: Die längere Helligkeit an Sommertagen sollte Strom sparen.

Dieser Effekt ist nachweisbar nicht eingetreten, die Energieeinsparung ist allenfalls marginal. Dafür legen zahlreiche Studien den Schluss nahe, dass die halbjährliche Zeitumstellung zu erheblichen gesundheitlichen Belastungen führen kann – vom Herzinfarktrisiko bis zu Depressionen. Von der nervenden und pannengefährdeten Uhrumstellung mal abgesehen. Allerdings sind die Alternativen nicht durchweg verlockend.

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Eine mögliche Rückkehr zur Winterzeit ist ausgesprochen unpopulär. Gilt künftig aber die Sommerzeit das ganze Jahr über, dann geht im tiefen Winter die Sonne teilweise erst um halb zehn oder später auf – die Schule und die Arbeit beginnen gefühlt mitten in der Nacht.

EU-Staaten müssen Plan zustimmen

Ob das für eine Mehrheit der Menschen wirklich wünschenswert ist, darüber wäre zumindest zu diskutieren. Solche Fragen überlässt Juncker jetzt wohlweislich anderen.

Das EU-Parlament und die 28 Mitgliedstaaten müssen dem Vorstoß zustimmen, sicher ist das nicht. Setzt sich die Kommission durch, müsste jedes Mitgliedsland für sich entscheiden, ob dauerhaft Sommer- oder Winterzeit gelten soll.

Diese 5 Tipps helfen bei der Zeitumstellung

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    Die Gefahr ist offensichtlich: Aus den drei Zeitzonen in der EU könnte ein unüberschaubarer Flickenteppich werden. Ein Rückschlag für das Gemeinschaftsgefühl in Europa, eine unnötige Belastung nicht nur für die Wirtschaft. Muss das sein? Warum macht die EU nicht Nägel mit Köpfen?

    Neue Abstimmung?

    Wenn Juncker wirklich an einer demokratischen Entscheidung interessiert ist, dann legt er den Bürgern die Frage der Zeitumstellung nächstes Jahr am Tag der Europawahl zur Abstimmung vor. Eine ernsthafte, nicht nur simulierte Volksbefragung wäre ein Gewinn für die Demokratie in Europa. Noch besser, wenn die Bürger danach auch zu anderen, wichtigeren Themen gefragt würden.