Prag/Berlin. Im August 1968, vor 50 Jahren, wurden die Reformer in der CSSR brutal gestoppt. Moskau schickte Panzer, um den Frühling zu beenden.

Die Bilder vom Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die damalige Tschechoslowakei gingen vor 50 Jahren um die Welt. Die Idee vom „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ – am 21. August 1968 wurde sie von Soldaten aus der Sowjetunion, Polen, Ungarn, Bulgarien und der DDR buchstäblich niedergewalzt. Der Prager Frühling war vorbei.

Die Botschaft aus Moskau an die kommunistischen Bruderstaaten war mehr als deutlich: Wer vom sowjetischen Weg des Sozialismus abweicht, der bekommt den Zorn des Kreml zu spüren. Und in Prag waren die Reformer mit KP-Chef Alexander Dubcek und Staatspräsident Ludvik Svoboda ihren eigenen Weg gegangen.

Zum 50. Jahrestag demonstrierten am Montagabend mehrere Hundert Menschen vor der russischen Botschaft in Prag. Sie hielten Ukraine-, Nato- und Europaflaggen sowie Spruchbänder wie „Okkupanten sind keine Brüder“ hoch.

Für die nach Angaben von Historikern von August bis Dezember 1968 ums Leben gekommenen 137 Zivilisten zündeten die Menschen Kerzen an. Dutzende Polizisten bewachten den Eingang der Botschaft mit Absperrgittern.

Prager Frühling gegen die Macht im Kreml

Der Prager Frühling, das waren Reformversuche der kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, die Menschen weit über das Land hinaus die Hoffnung auf einen anderen Kommunismus gaben – auf eben jenen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“, wie damals das Schlagwort hieß. Auf eine Politik ohne Unterdrückung, ohne Zensur, ohne politische Verfolgung.

Nachdem im März 1968 die Zensur abgeschafft worden war, hatte sich innerhalb kurzer Zeit eine kritische Öffentlichkeit gebildet. Das Grummeln im Kreml wurde immer vernehmlicher.

Alexander Dubcek, das Gesicht des Prager Frühlings 1968.
Alexander Dubcek, das Gesicht des Prager Frühlings 1968. © dpa | DB

Als am 5. April 1968 das Zentralkomitee der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei ein „Aktionsprogramm“ beschließt, in dem die Partei ihren Führungsanspruch zwar nicht aufgibt, aber einräumt, dass sie nicht mehr die „Vertreterin der ganzen Skala sozialer Interessen sein“ könne, reicht es Moskau. Der sowjetische Staatschef Leonid Breschnew spricht nun von „Konterrevolution“ in Prag.

Niederschlagung mündete in der „Breschnew-Doktrin“

Am Abend des 20. August 1968 gegen 21 Uhr marschieren die Truppen des Warschauer Pakts in die CSSR ein. Am 21. August werden Parteichef Alexander Dubcek, Parlamentspräsident Josef Smrkovsky und Ministerpräsident Oldrich Cernik verhaftet.

Wenige Monate später, am 12. November 1968, verkündet Kreml-Chef Breschnew auf dem Parteitag der polnischen Kommunisten seine „Breschnew-Doktrin“: Die Sowjetunion werde auch künftig notfalls militärisch eingreifen, wenn sie die Interessen des sozialistischen Lagers bedroht sehe. Die Warschauer-Pakt-Staaten hätten nur eine begrenzte Souveränität. In Prag hatten sie das zu spüren bekommen.

Gedenken fällt in Tschechien heute schwer

Im Tschechien von heute geht das Jahr 1968 beinahe unter: Überschattet wird das Gedenken an den Prager Frühling vor allem vom Jahr 1918, als die Tschechoslowakei gegründet wurde – ein demokratischer Staat, der vielen Tschechen heute als Ideal gilt.

Das Gedenken zum 50. Jahrestag des Einmarschs der Warschauer-Pakt-Staaten in die Tschechoslowakei sorgt in Tschechien für Streit. Die Opposition beklagt, dass Präsident Milos Zeman am 21. August keine öffentliche Rede halten werde. Das sei eine merkwürdige Entscheidung, sagte der Vorsitzende der konservativen Bürgerdemokraten (ODS), Petr Fiala. Der Präsident solle seinen verfassungsrechtlichen Pflichten nachkommen, forderte Ex-Justizminister Jiri Pospisil von der Partei TOP09.

Ein Sprecher des Präsidenten wies die Kritik zurück. Zemans Meinung sei klar: „Die Okkupation war ein Verbrechen.“ Er sei mutig gewesen in einer Zeit, als Mut Opferbereitschaft erfordert habe. „Und das ist weit wertvoller als tausend Reden nach 50 Jahren“, hieß es. (W.B./epd/dpa)

• TV-Tipp: Unter dem Titel „Der Prager Frühling und die Deutschen - Vom Traum zum Trauma“ ruft ZDF-Info am Dienstag, 21. August um 20.15 Uhr die Ereignisse von 1968 in Erinnerung.