Brüssel. Angela Merkel sieht Fortschritte – doch in der Flüchtlingspolitik kommt die Kanzlerin kaum voran. Der EU-Gipfel brachte keinen Erfolg.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat trotz großen innenpolitischen Drucks auf einem extra einberufenen EU-Flüchtlingsgipfel keinen Durchbruch erzielt. Man sei sich einig gewesen, illegale Migration eindämmen zu wollen, sagte Merkel am Sonntag nach dem Treffen in Brüssel. Dies solle möglichst auf Basis einer europäischen Lösung geschehen.

Wo dies nicht erreichbar sei, wolle man die willigen Länder zusammenführen und einen gemeinsamen Rahmen für die Zusammenarbeit erarbeiten. Daran werde nun in den nächsten Tagen bis zum EU-Gipfel Ende der Woche und auch danach gearbeitet. Sie hatte bereits vor dem Treffen betont, die Frage des ungewollten Weiterzugs von Flüchtlingen, die einmal in der EU seien, mit zwischenstaatlichen Abkommen anzugehen.

Angela Merkel steht unter Druck der CSU

Das Treffen der 16 EU-Staats- und Regierungschefs war für Merkel von besonderer Bedeutung, da sie wegen eines Streits um Migrationsfragen mit dem Koalitionspartner CSU unter großem Druck steht. Die bayerische Partei will bereits in anderen Ländern registrierte Flüchtlinge an der Grenze abweisen - gegen Merkels Willen.

Die CSU stellte der Regierungschefin ein Ultimatum bis Anfang Juli für eine Lösung. Der Umgang der EU mit Flüchtlingen wird bestimmendes Thema auf dem großen EU-Gipfel Ende der Woche in Brüssel.

Merkel zog trotz der überschaubaren Ergebnisse ein positives Fazit der Unterredungen, die vier Stunden dauerten. Es sei eine gute Debatte gewesen, in der sich neben einigen Unterschieden ein großes Maß an Gemeinsamkeit gezeigt habe, betonte die CDU-Chefin.

Konkret habe man über die Situation in den Herkunftsländern der Flüchtlinge, einen Ausbau der EU-Grenzschutztruppe Frontex und die Verbesserung der innereuropäischen Asylverfahren gesprochen. Ein Augenmerk gelte hier den Staaten an der EU-Außengrenze wie Italien oder Griechenland. „Wir können die Ankunftsländer nicht allein lassen“, sagte sie. Gleichzeitig dürften sich Schlepper und Flüchtlinge aber auch nicht frei aussuchen können, in welchem EU-Land sie Asyl beantragen wollten. Hier müsse festgelegt werden, welches Land welche Aufgaben übernehme, sagte Merkel.

Positiv äußerte sich auch der neue spanische Ministerpräsident Pedro Sanchez. „Das Treffen machte Hoffnung“, sagte er danach. Es habe mehr Punkte mit Übereinstimmungen als mit Meinungsverschiedenheiten gegeben.

Italien will Dublin-Regeln verändern

Der neue italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte legte einen eigenen Vorschlag für den Umbau der EU-Flüchtlingspolitik vor. Er will „sichere Häfen“ außerhalb Europas. Der Plan ziele darauf ab, Flüchtlinge effizient zu steuern. Zentren zur Aufnahme von Flüchtlingen und Migranten müssten in mehreren EU-Ländern eingerichtet werden, nicht nur in Italien und Spanien. Der Vorstoß ziele darauf, die sogenannten Dublin-Regeln zu ersetzen.

Dem Dublin-Verfahren zufolge ist das EU-Land, in das Migranten zuerst einreisen, auch für die Aufnahme und die Bearbeitung des Asylantrags zuständig ist. In der Flüchtlingskrise 2015 zeigte sich aber, dass Staaten an der Außengrenze wie Italien und Griechenland angesichts Hunderttausender anlandender Menschen vollkommen überfordert waren. Die Mittelmeer-Anrainer ließen die Menschen weiterziehen.

Die danach geplante Umverteilung der Menschen scheiterte jedoch am Widerstand osteuropäischer Länder. Deshalb liegt auch seit Jahren die Reform der Dublin- und EU-Asylregeln auf Eis.

2017 sank die Zahl der Asylbewerber in den EU-Staaten um nahezu die Hälfte auf 651.000. Im Jahr davor waren es noch 1,2 Millionen. Auch in den ersten Monaten dieses Jahr setzte sich die Entwicklung fort. (rtr)