Berlin. In den USA wird Ex-VW-Chef Winterkorn angeklagt. In Deutschland kann man darauf lange warten. Das Vertrauen in den Rechtsstaat leidet.

Die Ermittlungen im

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ARCHIV - Abgase strömen aus dem Auspuff eines Fahrzeuges mit Dieselmotor, aufgenommen in Leipzig am 03.11.2009. (zu dpa-Berichterstattung im Vorfeld des Dieselgifel) Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++
Von Hannah Gersmann, Wolfgang Mulke und Tanja Tricarico

kommen voran – in den USA, nicht in Deutschland. Nun haben die

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, in dessen Amtszeit der größte Betrug der Unternehmensgeschichte fällt.

In Deutschland hingegen sind auch fast drei Jahre nach Bekanntwerden des Betrugs, kein Strafprozess, keine Entschädigungsleistungen in Sicht.

Man muss sich schon fragen, warum es immer wieder die Amerikaner sind, die kriminelle Machenschaften deutscher Konzerne und Manager aufdecken und hart bestrafen. Die schwarzen Kassen bei Siemens, die windigen Geldgeschäfte der Deutschen Bank, jetzt der Diesel-Betrug – ohne das Zutun der US-Behörden wäre vieles im Verborgenen geblieben.

Winterkorn galt lange als der Unantastbare

Die Amerikaner sind nicht zimperlich – natürlich auch, wenn es um eigene Industrie-Interessen geht. Aber wer bei VW lediglich einen Angriff der Amerikaner auf die deutsche Wirtschaft vermutet, der unterschätzt die Wichtigkeit, dass Gerechtigkeit hergestellt wird. Und er knüpft an einen Habitus an, der dazu beigetragen hat, dass der Betrug möglich wurde.

Politiker und Kontrollbehörden, die diesen Namen nicht verdienen, haben Volkswagen jahrzehntelang hofiert. Winterkorn galt lange als der Unantastbare, der nicht damit rechnen musste, dass andere rechnen.

Eine Philosophie, in der die Industrie alles zählt, der Kunde nichts. Die Folgen sind beschämend für den deutschen Rechtsstaat: Klagen von Kunden haben kaum Schlagkraft, denn Sammelklagen wie in den USA, gibt es hierzulande noch immer nicht – auch mit dem Hinweis auf den durch den Abgas-Skandal angeschlagenen VW-Konzern wurde deren Einführung immer wieder verschoben.

Glauben an den Rechtsstaat wird untergraben

Die Arbeit der Justiz kommt nicht voran. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt zwar – auch gegen Winterkorn – doch mehr als Aktenzeichen hat das bislang nicht hervorgebracht. Von der Behörde heißt es nun, mit einem Abschluss der Ermittlungen in diesem Jahr sei nicht zu rechnen.

Dieses Gemisch aus überforderter Justiz, laxen Gesetzen und Klüngel der Politik legt sich wie ein Schutzmantel um die VW-Spitze und Martin Winterkorn. Eine explosive Konstellation, die in der Bevölkerung den Glauben an den Rechtsstaat untergräbt und das Gefühl nährt, die da oben kommen doch mit allem davon. Und es ist darüber hinaus auch ein Schlag ins Gesicht für all jene, die in dem Betrugsskandal bereits zur Verantwortung gezogen wurden.

Denn anders als das Top-Management mussten VW-Mitarbeiter niederer Hierarchieebenen bereits schmerzlich erfahren, wie ernst es die US-Strafverfolger meinen: Ein Ingenieur aus dem mittleren Management wurde zu über drei Jahren Gefängnis verurteilt. Der Deutsche Oliver Schmidt muss sieben Jahre ins Gefängnis.

Winterkorn soll sich bei Testfahrten im Kofferraum eingeschlossen haben

Ist das Gerechtigkeit? Der Verdacht liegt nahe, dass die VW-Konzernspitze sie doch nur zum Sherpa machte, die Last des Betrugs zu tragen. Es ist deutlich zu spüren, dass da etwas in Schieflage geraten ist.

Winterkorn ist ein hart rechnender Kaufmann, ein Techniker, der präzise Maß anlegt. Unter VW-Mitarbeitern erzählt man sich die Geschichte, er haben sich bei Testfahrten sogar im Kofferraum einschließen lassen, um zu überprüfen, ob eine Tür bei der Fahrt klappert. So einer soll vom größten Betrug in der Unternehmensgeschichte nichts gewusst haben?

„Wer versucht, die Vereinigten Staaten zu betrügen, wird dafür einen hohen Preis zahlen“, kommentierte US-Justizminister Jeff Sessions die Anklage – ein Satz dieses Formats würden sich viele Bundesbürger wohl auch von den deutschen Behörden wünschen.