Moskau. Die Generation Putin: Die unter 25-Jährigen in Russland können sich kaum an einen anderen Präsidenten als Wladimir Putin erinnern.
Im Zentrum Moskaus, in der Nähe des Parks der Kulturen, schlendert Maria Klimenko (23) auf der Suche nach einem Café die Pirogowa-Straße entlang. Für das Gespräch möchte sie gern in ein McDonald’s-Café gehen, die Studentin ist gerade knapp bei Kasse. An diesem Sonntag wählt Russland einen neuen Präsidenten.
Maria ist mit ihren 23 Jahren eine Vertreterin jener Generation, die angesichts der sechsjährigen Amtszeit des Präsidenten zum ersten Mal an die Wahlurnen geht. Eine Generation, die als Russlands mächtigsten Mann nur Wladimir Putin kennt.
Eine Generation, die ins Gewicht fällt: Sie sind nicht nur die Zukunft des Landes, die unter 25-Jährigen machen heute schon fast ein Drittel der Bevölkerung aus. Es ist auch eine Generation, die nicht einfach zu verstehen ist, vor allem nicht aus westlicher Sicht.
80 Prozent der Russen sind mit Putin zufrieden
Auch Maria könnte in dem Moskauer Bezirk wählen, in dem sie gemeldet ist. „Aber ehrlich gesagt, ich habe so wenig Zeit an den Wochenenden, da geh ich nicht in ein Wahlbüro“, erzählt sie mit einem Chai Latte in der Hand. Ob Maria zur Wahl geht oder nicht, aller Voraussicht nach wird der neue Präsident der alte sein: Wladimir Putin hat Russland fest im Griff.
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, wurde nicht zur Wahl zugelassen. Abgesehen davon ist Putin sowieso der bei Weitem beliebteste Politiker des Landes: Laut einer aktuellen Studie des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Levada sind über 80 Prozent der erwachsenen Russen mit Putin als Präsident zufrieden.
Maria kann sich auch nicht vorstellen, dass sich in Russland etwas ändert. Grund genug, auf die Regierung sauer zu sein, hätte sie aber. Während der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2014 musste ihr Vater seine beiden Geschäfte in Sotschi aufgeben, weil die Einkaufsstraße über Monate für Bauarbeiten gesperrt war. Danach war die Miete für ihn zu hoch. „Die Regierung wollte einen Luxus-Kurort aus Sotschi machen, ist aber daran gescheitert. Auf Kosten der Natur und der Bewohner“, erzählt Maria.
So kurios inszeniert sich Wladimir Putin
Sonnenklar, dass die Wahlen nicht fair sind
Marias Freund, der Kunststudent Wasilij Kruglow (23), ist nicht so gleichgültig. Auf seinen Gemälden sind Demo-Absperrungen zu sehen, daneben ein russischer Polizist in Kampfmontur mit Schlagstock. Wasilij hat das Bild in einem kindlichen Stil gemalt.
Er selbst kennt Absperrungen und die Moskauer Polizei zur Genüge – Wasilij geht fast immer hin, wenn es in Moskau eine Demo gibt. „Ich fühle mich bei der Opposition lebendig, das restliche Leben in Russland fühlt sich eher wie Tauchen im Moor an“, erzählt er. Zur Wahl will er auch nicht gehen. „Dieser Zirkus ergibt keinen Sinn“, schimpft er.
Maria und ihre Generation beziehen ihre Informationen aus dem Internet und wissen, was in der Welt los ist. Ihnen ist sonnenklar, dass die Präsidentschaftswahlen keine fairen Wahlen sind. Kaum einer von ihnen schaut sich noch die Propaganda auf den staatlichen Fernsehsendern an.
Sie haben auf Youtube die Videos gesehen, in denen der Oppositionelle Nawalny die absurde Korruption der russischen Eliten aufdeckt, auch im engen Kreis Putins. Und trotzdem protestieren nur wenige von ihnen wie Wasilij. 86 Prozent der 18- bis 24-Jährigen sagen sogar, dass sie mit Wladimir Putin zufrieden sind.
50 Prozent der Jungen wollen zu den Sicherheitskräften
„Es gibt keine kritische Masse von Leuten, die radikalen Wandel verlangen“, schreiben die Analysten Iwan Krastew und Gleb Pawlowski dazu. „Im Gegensatz zu westlichen Fantasien sind die Russen unter 25 in der konservativsten und Putin-freundlichsten Gruppe der Gesellschaft. Es ist symptomatisch, dass laut einer Studie 50 Prozent der Jungen im Schulalter gern bei den Sicherheitskräften arbeiten wollen.“
Warum die junge Generation dem Regime Putin gegenüber entweder gleichgültig oder positiv gegenüberstehe, ist schwer aus den Statistiken herauszulesen. Eine Erklärung ist, dass sie Putins Russland nicht mit dem Westen vergleichen, sondern mit dem, was sie vom Russland der 90er-Jahre gehört haben.
Und in diesem Vergleich schneidet Putin-Russland sehr gut ab: Seit 1999 ist das Bruttoinlandsprodukt Russlands pro Kopf um mehr als das Sechsfache gestiegen. Die Lebenserwartung der Generation Putin ist deutlich höher als die ihrer Eltern. Außerdem sind sie ohne die historischen Umbrüche aufgewachsen, die ihre Eltern erlebt haben.
Relative Stabilität wichtiger als unsicherer Machtwechsel
„Die heutige politische Maschinerie läuft im Niedrig-Ressourcen-Modus, quasi im Kaloriensparmodus, beschäftigt eher mit dem Überleben als mit der Expansion“, beschreibt die Politologin Jekaterina Schulmann das aktuelle Russland. Aber die relative Stabilität des Regimes scheint der Jugend wichtiger zu sein als die Ungewissheit eines Machtwechsels.