Berlin. GroKo oder NoGroKo: Die SPD-Mitglieder entscheiden mit ihrem Votum über die politische Zukunft der Republik. Die wichtigsten Fakten.

Am Dienstag startet das SPD-Mitgliedervotum in vollem Umfang: Die Sozialdemokraten stimmen darüber ab, ob ihre Partei in einer weiteren große Koalition mit der Union regieren soll – und sie dürften damit auch über das Schicksal von Kanzlerin Merkel entscheiden.

Während die SPD-Spitze um

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Andrea Nahles rechnet nach den Erfahrungen bei den ersten Basiskonferenzen mit einer mehrheitlichen Zustimmung. Viele Mitglieder warnten dort vor einem Chaos, wenn es zu Neuwahlen kommen würde. Zudem liegt die SPD in einer ARD-Umfrage nur noch bei 16 Prozent in der Wählergunst – und müsste im Fall einer Neuwahl fürchten, von der rechtspopulistischen AfD eingeholt zu werden.

Wie läuft das Votum genau ab, können Mitglieder beispielsweise auch im Netz abstimmen? Wir sammeln die wichtigsten Fakten zur Abstimmung.

• Bis wann können Mitglieder abstimmen?

Die Abstimmung dauert bis zum 2. März, 24 Uhr. Dafür müssen Mitglieder auch eine eidesstattliche Erklärung ausfüllen. Alle Briefe, die später im Postfach des Parteivorstands eingehen, werden nicht mehr berücksichtigt.

Stimmberechtigt sind exakt 463.723 SPD-Mitglieder, die bis zum Stichtag 06. Februar Mitglied waren. Die Kosten belaufen sich nach SPD-Angaben auf rund 1,5 Millionen Euro.

• Welche Unterlagen haben SPD-Mitglieder zugestellt bekommen?

In den Briefwahlunterlagen finden Mitglieder ein Anschreiben, einen Wegweiser, den Stimmzettel und eine eidesstattliche Erklärung. In dem Anschreiben wirbt die SPD für den ausgehandelten Koalitionsvertrag, wie Fotos zeigen, die Nutzer in den sozialen Medien teilen.

„Der Koalitionsvertrag trägt eine klare sozialdemokratische Handschrift!“ Und weiter: „Unterm Strich können wir sagen: Unser Verhandlungsergebnis bietet die Grundlage für eine Regierung, die die Menschen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellt – mit all ihren Hoffnungen, Wünsche, aber auch Sorgen und Ängsten. Nur mit der SPD ist eine solche Politik möglich.“

Bei einigen Wahlberechtigten stößt das Anschreiben auf Kritik. Sie bemängeln, dass es nicht neutral genug gehalten ist, sondern Position für die große Koalition bezieht.

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• Hat jedes Mitglied den Koalitionsvertrag erhalten?

Ja. Die Parteizeitung „Vorwärts“ druckte eine Sonderausgabe mit dem 177-seitigen Koalitionsvertrag, die auch per Post verschickt wurde. Zudem kann der Vertrag online heruntergeladen werden.

Die gestellte Frage an die Mitglieder lautet: „Soll die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) den mit der Christlich-Demokratischen Union (CDU) und der Christlich-Sozialen Union (CSU) ausgehandelten Koalitionsvertrag vom Februar 2018 abschließen? – Ja oder Nein.“

• Können Mitglieder auch online abstimmen?

Jein. Eine Online-Abstimmung ist bislang nur für rund 2300 im Ausland lebende SPD-Mitglieder möglich. Klappt dieser Test, kann eine Option mit Internetabstimmung beim nächsten Mal auch im Inland bei einem SPD-Mitgliederentscheid zum Einsatz kommen.

Aber: Die Kosten wird das kaum reduzieren, weil viele SPD-Mitglieder über 60 Jahre alt sind und die Partei aus Verfahrensgründen die Unterlagen auch per Post zusenden muss. Daher lässt sich das Votum auch kaum beschleunigen.

• Wo werden die Briefe ausgezählt?

Die Post wird die Briefe per Lastwagen zur Berliner SPD-Zentrale, dem Willy-Brandt-Haus, bringen. Anders als bei dem ersten SPD-Mitgliederentscheid 2013 wird keine Halle für die Auszählung angemietet, damals fand sie in einem früheren Postbahnhof statt. Die SPD hat durch die schwierige Regierungsbildung hohe Kosten zu verkraften, unter anderem durch den GroKo-Sonderparteitag.

Hinzu kommt wegen des schlechten Bundestagswahlergebnisses weniger Geld aus der Parteienfinanzierung. Allein Sonderparteitag und Votum kosten die SPD rund 2,5 Millionen Euro extra. Die 120 Freiwilligen, die beim Auszählen im Willy-Brandt-Haus helfen, müssen ihre Handys abgeben, damit das Wahlgeheimnis nicht gefährdet wird. Zur Brieföffnung kommen Hochleistungsschlitzmaschinen zum Einsatz – sie können pro Stunde 20.000 Briefe öffnen. 2013 dauerte die Auszählung rund 14 Stunden.

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    • Wann wird das Ergebnis verkündet?

    Am Sonntag, den 4. März, wahrscheinlich am frühen Nachmittag. Und zwar nach bisheriger Planung nicht von dem kommisarischen SPD-Chef Olaf Scholz oder der designierten SPD-Chefin Andrea Nahles, die auf einem weiteren Sonderparteitag am 22. April in Wiesbaden gewählt werden soll.

    Beim letzten Mal verkündete das in ganz Europa erwartete Ergebnis Barbara Hendricks, weil sie Vorsitzende der Mandatsprüfungs- und Zählkommission war – dieses Mal wäre das Schatzmeister Dietmar Nietan. Das Ergebnis für Annahme oder Ablehnung der Koalition ist bindend, wenn mindestens 20 Prozent der Mitglieder abstimmen. Der 45-köpfige Vorstand kann sich nicht über das Ergebnis hinwegsetzen.

    • Was stößt bei der SPD-Basis auf besonders viel Kritik?

    Andrea Nahles und Olaf Scholz werben für eine Neuauflage der großen Koalition.
    Andrea Nahles und Olaf Scholz werben für eine Neuauflage der großen Koalition. © dpa | Kay Nietfeld

    Alle Koalitionen mit Merkel hätten gezeigt, dass kein Politikwechsel oder Aufbruch möglich sei. Es werde an Stellschrauben gedreht, aber nichts ganz Neues gewagt. Juso-Chef Kühnert kritisiert, es gebe über 100 Kommissionen und Prüfaufträge im Koalitionsvertrag, es fehle zudem an Maßnahmen gegen die ungleiche Vermögensentwicklung. Und so werde nun das Klimaziel 2020 aufgegeben und ein neues für 2030 auserkoren.

    „Das ist eine Politik, die Verantwortung weit in die Zukunft schiebt.“ Eine „NoGroKo“-Initiative aus NRW, darunter auch Vorstandsmitglieder, meint: „Eine neue Zeit braucht eine neue Politik“. Kernforderungen seien unerfüllt. So werde die grundlose Jobbefristung in Betrieben über 75 Beschäftigten zwar eingeschränkt. In kleineren Betrieben und im öffentlichen Dienst bleibe sie aber „vollumfänglich bestehen“.

    • Darf eine Partei über die nächste Regierung bestimmen?

    Wie schon 2013 hat das Bundesverfassungsgericht Eilanträge abgelehnt, dass das Votum nicht mit dem Prinzip der Freiheit der Abgeordneten und den Grundsätzen der repräsentativen Demokratie vereinbar sei. Dabei wird argumentiert, dass ein solches Votum der Mitglieder die frei gewählten Bundestagsabgeordneten binde.

    Aber es wird ja hier nicht direkt über ein Regierungshandeln oder die Zusammensetzung einer Regierung entschieden, sondern nur, ob eine Partei sich daran beteiligen will. So meint die Landeschefin von Baden-Württemberg, Leni Breymeier, mit Blick auf FDP-Chef Christian Lindner: „So was entscheidet in der FDP ein Mann alleine“. Bei der CDU werden nicht alle Mitglieder entscheiden, sondern ein Parteitag am 26. Februar.

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      • Wie wahrscheinlich ist eine Ablehnung der GroKo?

      Nach den Chaos-Tagen bei der SPD schlägt das Pendel eher Richtung GroKo aus. Denn laut ARD-„Deutschlandtrend“ steht die SPD nur noch bei 16 Prozent – bei einer Neuwahl müsste die älteste demokratische Partei Deutschlands ein Debakel fürchten. „Ich bin zuversichtlich: Am Ende wird es ein Ja geben“, sagte der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil. Ein Kenner der Parteiseele tippt auf ein Ergebnis von 60:40. Aber es ist keine Zustimmung mit dem Herzen, sondern nur aus kühler Ratio. Kanzlerin Merkel könnte dann in der ersten März-Hälfte wiedergewählt werden.

      • Und wenn die Basis gegen eine große Koalition stimmt?

      Die längste Regierungsbildung der Bundesrepublik wird in jedem Fall auch noch die 160-Tages-Schwelle reißen, also fast ein halbes Jahr. Sagt die Basis Nein, müssten die Karten ganz neu gemischt werden – dann drohen Verwerfungen, Merkel könnte versuchen, ohne feste Mehrheit zu regieren und sich für Auslandseinsätze oder den Haushalt unterschiedliche Partner für eine Mehrheit zu suchen – aber sie könnte jederzeit durch ein Misstrauensvotum gestürzt werden.

      • Kann es bei einem SPD-Nein sofort eine Neuwahl geben?

      Kevin Kühnert will eine weitere GroKo verhindern.
      Kevin Kühnert will eine weitere GroKo verhindern. © dpa | Swen Pförtner

      Nein. Der Weg dahin ist schwierig, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier müsste erst jemanden zur Kanzlerwahl im Bundestag vorschlagen. Es würde mangels Koalition keine absolute Mehrheit etwa für Merkel geben – im dritten Wahlgang würde die relative Mehrheit reichen.

      Steinmeier müsste dann entscheiden, ob er sie zur Kanzlerin einer Minderheitsregierung ernennt – er könnte auch den Bundestag auflösen. Dann müsste binnen 60 Tagen eine Neuwahl stattfinden. Es gibt für dieses Szenario Spekulationen, eine Neuwahl im Bund zusammen mit der Landtagswahl in Bayern am 14. Oktober 2018 anzustreben. (dpa/les)