Berlin. Kurz vor der Wahl rückt das Thema Pflege in den Fokus. Doch wie ist die Lage wirklich? Und was planen die Parteien? Ein Überblick.

Nicht Zuwanderung und Integration, auch nicht Klimawandel oder Dieselgate – der Pflegenotstand wird in den letzten Tagen vor dem Wahltag am 24. September zum beherrschenden Thema.

Nachdem ein Altenpfleger in einer Live-Sendung der ARD Kanzlerin Angela Merkel mit kritischen Fragen „gegrillt“ hatte, setzte SPD-Herausforderer Martin Schulz am Montag nach –

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Am Dienstag sprangen auch die Grünen mit der Forderung nach einem „Sofortprogramm“ auf den Pflege-Zug auf.

Gleichzeitig weiteten sich am Dienstag die Streiks an Kliniken aus. Wie die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi mitteilte, wurden Beschäftigte in Krankenhäusern in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Berlin zum Streik aufgerufen. Bereits seit Montag streiken die Beschäftigen der Berliner Charité. Hintergrund ist die schlechte Personalausstattung in den Kliniken.

Doch wie ist Lage in der Kranken- und Altenpflege in Deutschland wirklich?

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Dies sind die Fakten in der Pflege:

• Die Zahl der Pflegebedürftigen steigt stetig – laut Gesundheitsministerium von rund zwei Millionen im Jahr 1999 auf knapp drei Millionen im Jahr 2015. Die Regierung geht davon aus, dass im Jahr 2050 rund 5,3 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig sein werden – das wären sieben Prozent der Bevölkerung, ein doppelt so hoher Anteil wie heute.

• Die Zahl der Pflegekräfte reicht bereits heute nicht aus, um den Bedarf zu decken. Laut Gesundheitsministerium liegt die aktuelle Zahl der Pflegekräfte in Deutschland bei rund 392.000. Dazu zählen Beschäftigte in der Alten-, Gesundheits-, Kranken- und Kinderkrankenpflege. Die Prognosen, wie groß die künftige Versorgungslücke in der Pflege sein wird, sind sehr unterschiedlich. Die Bundesregierung geht von bis zu 200.000 fehlenden Kräften im Jahr 2025 aus. Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung kommt dagegen zu dem Schluss: „2030 werden fast 50.000 Vollzeitkräfte in der Pflege fehlen, wenn sich die derzeitigen Trends fortsetzen.“

Viele Pflegekräfte fordern einen höheren Lohn für ihre Arbeit.
Viele Pflegekräfte fordern einen höheren Lohn für ihre Arbeit. © dpa | Daniel Karmann

• Die Entlohnung der Pflegekräfte ist ein wichtiger Aspekt für (mangelnde) Attraktivität des Berufs. In der Altenpflege gilt seit 2010 ein spezieller Pflegemindestlohn. Derzeit sind dies 10,20 Euro pro Stunde in den alten Ländern (9,50 Euro in den neuen Ländern). Er gilt für Pflegeheime, nicht aber für Privathaushalte mit Pflegebedürftigen. Ab Januar 2018 soll der Pflegemindestlohn auf 10,55 Euro (10,05 Euro) steigen, danach in zwei weiteren Schritten bis Januar 2020 auf 11,35 Euro ((10,85 Euro). Tatsächlich zahlen viele Pflegebetriebe ihren Mitarbeitern Gehälter oberhalb dieser Untergrenze. Zum Vergleich: Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn liegt aktuell bei 8,84 Euro.

• Die Probleme der Beschäftigen in der Pflege sind vielfältig: Viele klagen über eine große zeitliche Arbeitsbelastung wegen fehlenden Personals. Der Umgang mit pflegebedürftigen Menschen führe auch zu einer starken psychischen Belastung. Ein nicht geringer Teil der Arbeit entfällt auf die Verwaltung. „Durch Bürokratie geht Motivation verloren, und außerdem fehlt die damit verbrachte Zeit für die eigentliche Pflegetätigkeit“, sagt auch die Bundesregierung. Angesichts dieser Lage halten viele Pflegekräfte ihre Bezahlung für nicht angemessen. Gleichzeitig werben die Pflegekräfte für mehr gesellschaftliche Anerkennung ihres Berufs.

Das versprechen die Parteien:

• Für die SPD preschte Kanzlerkandidat Martin Schulz am Montag vor – mit seiner Ankündigung eines „Neustarts in der Pflege“ in den ersten 100 Tagen nach der Wahl. Schulz: „In der Altenpflege wird die Würde des Menschen mit Füßen getreten in vielen Fällen.“ Nötig seien mehr Personal in der Pflege, eine bessere Bezahlung der Pfleger und mehr Plätze für Pflegebedürftige. Im SPD-Wahlprogramm findet sich gibt es die Forderung nach einem Sofortprogramm für mehr Jobs in der Altenpflege. Und im Krankenhaus soll eine Mindestanzahl an Beschäftigten pro Station gelten.

• Die CDU/CSU will den Pflegeberufen mehr Aufmerksamkeit schenken. „Wir wollen noch mehr Menschen für eine Tätigkeit im Gesundheitswesen gewinnen“, heißt es bei der Union im Wahlprogramm. Parteichefin Angela Merkel sagt: „Gerade, wenn man über Pflege oder Gesundheit spricht, erwarten viele von uns, dass wir auch mal danke sagen, für all das, was getan wurde.“ Die Union verspricht bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Vernetzung der unterschiedlichen Berufsgruppen in der Pflege.

In vielen Pflegeheimen fehlt es am Personal.
In vielen Pflegeheimen fehlt es am Personal. © dpa | Frank Rumpenhorst

• Die Grünen waren die ersten, die am Dienstag auf die „Neustart“-Ankündigung der SPD reagierten. „Wir brauchen mehr Pflegekräfte. Deswegen haben wir gesagt, 25.000 in einem Sofortprogramm“, sagte Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt im ARD-„Morgenmagazin“. Und: „Wir brauchen mehr und bessere Bezahlung.“ Im Wahlprogramm steht die Forderung, „die Pflegeversicherung zu einer Bürgerinnenversicherung“ zu machen. Zudem soll es in der Alten- und Krankenpflege verbindliche Vorgaben zur Mindestzahl von Stellen geben.

• Die Linke wird in ihrem Wahlprogramm sehr konkret. Sie fordert einen Mindestlohn in der Pflege von 14,50 Euro und eine Fachkräftequote in Krankenhäusern und Altenheimen von mindestens 50 Prozent: „Um das zu finanzieren, wollen wir den Pflegevorsorgefonds auflösen und in einen Pflegepersonalfonds umwandeln“. Die seit gut zwei Jahren angesparten Beträge aus der Pflegeversicherung sollen sofort für neues Personal ausgegeben werden.

• Die FDP setzt vor allem auf Bürokratieabbau. „Ein Lösungsansatz ist unter anderem die verstärkte Nutzung von IT- und Assistenzsystemen“, so das Wahlprogramm der Liberalen. Das Zwei-Säulen-Modell aus privater und gesetzlicher Vorsorge und Versicherung soll erhalten bleiben.

• Die AfD fordert einen verbindlichen, länderübergreifenden Mindestpersonalschlüssel für das Pflegepersonal. „Die Akzeptanz und Attraktivität des Pflegeberufs muss erhöht werden“, heißt es im Parteiprogramm. Konkrete Schritte zur Umsetzung finden sich bei der AfD allerdings kaum.