Essen. Senta Berger ermittelt in dem ZDF-Krimi „Unter Verdacht“ in einem Flüchtlingsheim. Die Reihe hat schon bessere Filme hervorgebracht.

Der Einstieg könnte dramatischer nicht sein. Zwei Gesetzeshüter greifen einen jungen Migranten auf, der sofort rennt. Es ist wohl die einzige Reaktion, die er kennt, mit der er auch in seiner Heimat überlebt hat, wie eine Überblendung deutlich zeigt. Als sie ihn dann gefangen haben und ins Heim bringen, zeigt der Junge eine derartige Panik, dass er sich losreißt, aufs Dach flieht, um sich von dort in die Tiefe zu stürzen. Die besonnene Polizistin versucht noch, ihn davon abzubringen, doch als ihr bulliger Kollege mit Drohgebärde auf ihn zurennt, fällt die tödliche Entscheidung.

Der Titel „Die Guten und die Bösen“ dieses Beitrags aus der Reihe „Unter Verdacht“ könnte auch auf diese Polizisten gemünzt sein. Der weibliche Cop zeigt Verständnis, der alte Haudegen mit seiner offensichtlichen AfD-Gesinnung aber, der muss mit seinen Ansichten den Bösen geben. Ein solches Schwarz-Weiß-Denken, das auch an anderer Stelle immer mal wieder zu spüren ist, kennt man bisher nicht von den Filmen um das Gespann Prohacek (Senta Berger) und Langner (Rudolf Krause).

Jugendliche werden zu Sklaven

Die Heimleiterin (Bibiana Beglau) zum Beispiel ist der verständnisvolle, gute Mensch schlechthin, sie sieht in all ihren Schäfchen kleine Engel. Der Staatssekretär aber, ganz Politiker, zeigt hinter den Kulissen, was er von diesen jungen Asylanten hält. Um die geht es hauptsächlich in diesem Film von Johannes Grieser (Regie) und Michael Gantenberg (Buch). Um die vielen Tausenden aus Afghanistan oder Syrien, die ohne Eltern eingereist und von denen viele irgendwann nicht mehr auffindbar sind.

Prohacek und Langner haben anfangs nur mit den besagten Polizisten zu tun und mit ihrem Verhalten während des Sprungs. Später aber bekommen sie eine Ahnung von dem tristen Dasein in solchen Heimen, wo Jugendliche ohne Arbeit sich anderen Beschäftigungen zuwenden. Sie lassen sich beispielsweise anheuern, um in gesundheitsgefährdenden Anlagen zu arbeiten, nur um der Familie daheim Geld schicken zu können. „Moderne“ Sklavenarbeit. Ganz deutlich will dieser Film aufrütteln, will auf Schicksale aufmerksam machen wie auf das des Afrikaners Chandu (gut), der Kontakt hält mit seiner kranken Schwester, die er nicht nachholen kann. Als er von ihrem Tod erfährt, zerreißt es ihn schier.

Die Karriere von Senta Berger

Dass sie schon 76 Jahre alt ist, das kann kaum jemand glauben, der sie sieht – und sie selbst am wenigsten. Zu ihrem 75. Geburtstag sagte Senta Berger: „Ich kann die Zahl 75 aussprechen – aber ich glaube sie nicht.“
Dass sie schon 76 Jahre alt ist, das kann kaum jemand glauben, der sie sieht – und sie selbst am wenigsten. Zu ihrem 75. Geburtstag sagte Senta Berger: „Ich kann die Zahl 75 aussprechen – aber ich glaube sie nicht.“ © imago stock&people | Future Image
Kastanienrote Haare, eindringlicher Blick aus blauen Augen und eine elegante, selbstbewusste Haltung – Senta Berger ist seit Jahrzehnten eine der beliebtesten deutschsprachigen Film- und Theaterschauspielerinnen.
Kastanienrote Haare, eindringlicher Blick aus blauen Augen und eine elegante, selbstbewusste Haltung – Senta Berger ist seit Jahrzehnten eine der beliebtesten deutschsprachigen Film- und Theaterschauspielerinnen. © dpa | Kay Nietfeld
Senta Berger kam 1941 in Wien zur Welt. Der Vater rackerte sich als Musiker ab, die lebenslustige Mutter ging putzen. Mit fünf bekam sie Ballettstunden, trat bald mit dem Vater bei „Bunten Abenden“ auf.
Senta Berger kam 1941 in Wien zur Welt. Der Vater rackerte sich als Musiker ab, die lebenslustige Mutter ging putzen. Mit fünf bekam sie Ballettstunden, trat bald mit dem Vater bei „Bunten Abenden“ auf. © Getty Images/Hulton Archive | Erich Auerbach
Mit 16 wurde sie jüngste Schülerin am Max-Reinhardt-Seminar, der renommierten Wiener Schauspielschule. Schnell feierte sie mit dem Image der „Sophia Loren vom Gemeindebau“ erste Bühnen-Erfolge, ...
Mit 16 wurde sie jüngste Schülerin am Max-Reinhardt-Seminar, der renommierten Wiener Schauspielschule. Schnell feierte sie mit dem Image der „Sophia Loren vom Gemeindebau“ erste Bühnen-Erfolge, ... © dpa | Hans Gregor
... und auch der Film ist nicht fern. In luftigen Komödien wie „Immer Ärger mit dem Bett“ oder auch „Der brave Soldat Schwejk“ ist Senta Berger die bildhübsche junge Frau. Gegen die Vermutung, ihr attraktives Äußeres sei Grundlage ihres Erfolgs, wehrt sie sich: „Was wäre ich ohne Talent und Fleiß.“
... und auch der Film ist nicht fern. In luftigen Komödien wie „Immer Ärger mit dem Bett“ oder auch „Der brave Soldat Schwejk“ ist Senta Berger die bildhübsche junge Frau. Gegen die Vermutung, ihr attraktives Äußeres sei Grundlage ihres Erfolgs, wehrt sie sich: „Was wäre ich ohne Talent und Fleiß.“ © Getty Images/Hulton Archive | Keystone
Die Simmel-Verfilmung „Es muss nicht immer Kaviar sein“ ...
Die Simmel-Verfilmung „Es muss nicht immer Kaviar sein“ ... © <<< Verschiedene Einträge >>> | United Archives
... bringt ihr 1961 den Durchbruch. Schließlich wurde auch Hollywood ...
... bringt ihr 1961 den Durchbruch. Schließlich wurde auch Hollywood ... © <<< Verschiedene Einträge >>> | United Archives
... auf die schöne Österreicherin aufmerksam.
... auf die schöne Österreicherin aufmerksam. © Getty Images/Hulton Archive | Keystone
Bis Ende der 60er Jahre arbeitete sie fast ausschließlich in Los Angeles, wo sie neben Stars wie Kirk Douglas ...
Bis Ende der 60er Jahre arbeitete sie fast ausschließlich in Los Angeles, wo sie neben Stars wie Kirk Douglas ... © imago stock&people | ADCAST
... vor der Kamera stand. Hier ein Film-Still aus dem gemeinsamen Film „Der Schatten der Giganten“ (1966).
... vor der Kamera stand. Hier ein Film-Still aus dem gemeinsamen Film „Der Schatten der Giganten“ (1966). © imago/United Archives | imago stock&people
„Mit teuflischen Grüßen“ aus dem Jahr 1967 ist ein deutsch-italienisch-französischen Thriller mit Senta Berger und Alain Delon in den Hauptrollen.
„Mit teuflischen Grüßen“ aus dem Jahr 1967 ist ein deutsch-italienisch-französischen Thriller mit Senta Berger und Alain Delon in den Hauptrollen. © imago | AD
1967 ist sie mit Dean Martin im Film „Wenn Killer auf der Lauer liegen“ auf der Kinoleinwand zu bewundern.
1967 ist sie mit Dean Martin im Film „Wenn Killer auf der Lauer liegen“ auf der Kinoleinwand zu bewundern. © imago | AGD
Ihren Abstecher in die USA beendete Berger Ende der 60er Jahre. 1966 heiratet Senta Berger den Arzt und späteren Regisseur und Schauspieler Michael Verhoeven.
Ihren Abstecher in die USA beendete Berger Ende der 60er Jahre. 1966 heiratet Senta Berger den Arzt und späteren Regisseur und Schauspieler Michael Verhoeven. © Getty Images/Hulton Archive | Keystone Features
Schon 1965 hatte sie gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann die Produktionsfirma Sentana GmbH gegründet, die sich mit zwei Filmen zum Thema Nationalsozialismus profiliert: „Die weiße Rose“ (1982) und „Das schreckliche Mädchen“ (1989).
Schon 1965 hatte sie gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann die Produktionsfirma Sentana GmbH gegründet, die sich mit zwei Filmen zum Thema Nationalsozialismus profiliert: „Die weiße Rose“ (1982) und „Das schreckliche Mädchen“ (1989). © dpa | Gerhard Rauchwetter
Das Paar hat zwei gemeinsame Söhne – Simon und Luca. Beide arbeiten mittlerweile im Filmgeschäft. Die damals 31jährige Berger ist hier mit ihrem erst wenige Tage alten Erstgeborenen Simon (20. Juni 1972) zu sehen.
Das Paar hat zwei gemeinsame Söhne – Simon und Luca. Beide arbeiten mittlerweile im Filmgeschäft. Die damals 31jährige Berger ist hier mit ihrem erst wenige Tage alten Erstgeborenen Simon (20. Juni 1972) zu sehen. © dpa | dpa
Senta Berger hat sich mit ihrer Meinung zu Politik und Gesellschaft nie zurückgehalten, gegen Vietnam- und Golfkrieg protestiert, sich für Abrüstung eingesetzt und gegen die Verschärfung des Asylrechts engagiert. 1972 hat sie sich im Wahlkampf für Willy Brandt eingesetzt.
Senta Berger hat sich mit ihrer Meinung zu Politik und Gesellschaft nie zurückgehalten, gegen Vietnam- und Golfkrieg protestiert, sich für Abrüstung eingesetzt und gegen die Verschärfung des Asylrechts engagiert. 1972 hat sie sich im Wahlkampf für Willy Brandt eingesetzt. © imago | Heinz Browers,UnitedArchives
1971 beteiligt sie sich mit Prominenten wie Romy Schneider an der Aktion „Wir haben abgetrieben“ zur Reform des Paragrafen 218.
1971 beteiligt sie sich mit Prominenten wie Romy Schneider an der Aktion „Wir haben abgetrieben“ zur Reform des Paragrafen 218. © Stern
Das Fernsehen ist seit langem Bergers wichtigste Domäne. Hier wurde sie zum Star mit Helmut Dietls legendärer Serie „Kir Royal“ (1984-86).
Das Fernsehen ist seit langem Bergers wichtigste Domäne. Hier wurde sie zum Star mit Helmut Dietls legendärer Serie „Kir Royal“ (1984-86). © imago | KPA UnitedArchives
Berger verkörperte die kesse Mona, Freundin des Klatschreporters Baby Schimmerlos (Franz-Xaver Kroetz, r.), der immer auf der Suche ist nach einem netten Skandälchen in der Münchner Schickeria.
Berger verkörperte die kesse Mona, Freundin des Klatschreporters Baby Schimmerlos (Franz-Xaver Kroetz, r.), der immer auf der Suche ist nach einem netten Skandälchen in der Münchner Schickeria. © imago | KPA UnitedArchives
In der „Serie “Die schnelle Gerdi„ (1989-2004) gab sie unter der Regie ihres Ehemannes Michael Verhoeven ...
In der „Serie “Die schnelle Gerdi„ (1989-2004) gab sie unter der Regie ihres Ehemannes Michael Verhoeven ... © imago | KPA UnitedArchives
... eine burschikose, couragierte Münchner Taxifahrerin.
... eine burschikose, couragierte Münchner Taxifahrerin. © imago | Nicolas Gradicsky, teutopress
Den Adolf-Grimme-Preis erhielt sie für die Rolle einer aufmuckenden Sekretärin im TV-Wirtschaftskrimi „Frau Böhm sagt nein“ (2009).
Den Adolf-Grimme-Preis erhielt sie für die Rolle einer aufmuckenden Sekretärin im TV-Wirtschaftskrimi „Frau Böhm sagt nein“ (2009). © Getty Images | Friedemann Vogel
„Ein unaufgeregtes, pessimistisches und präzises Sittengemälde aus den deutschen Chefetagen“, urteilte „Spiegel Online“ über den Film und Bergers Darbietung.
„Ein unaufgeregtes, pessimistisches und präzises Sittengemälde aus den deutschen Chefetagen“, urteilte „Spiegel Online“ über den Film und Bergers Darbietung. © ZDF und WDR, Frank W. Hempel | WDR, Frank W. Hempel
2016 arbeitet sie zum ersten Mal mit ihrem ältesten Sohn, dem Regisseur Simon Verhoeven („Männerherzen“, 2.v.l.), zusammen. Sie drehen gemeinsam eine Familienkomödie. In der Hauptrolle: Frauenschwarm Elyas M’Barek.
2016 arbeitet sie zum ersten Mal mit ihrem ältesten Sohn, dem Regisseur Simon Verhoeven („Männerherzen“, 2.v.l.), zusammen. Sie drehen gemeinsam eine Familienkomödie. In der Hauptrolle: Frauenschwarm Elyas M’Barek. © Getty Images | Florian Seefried
Am 26. September 2016 feierte das Paar Goldene Hochzeit. „Wir gehen immer am 26. auf die Wiesn, fahren Achterbahn, was wir damals auch gemacht haben und mein Mann schießt mir ein Herz, wie er das damals auch gemacht hat.“
Am 26. September 2016 feierte das Paar Goldene Hochzeit. „Wir gehen immer am 26. auf die Wiesn, fahren Achterbahn, was wir damals auch gemacht haben und mein Mann schießt mir ein Herz, wie er das damals auch gemacht hat.“ © dpa | Ursula Düren
2016 wurde Senta Berger außerdem beim Bayerischen Fernsehpreis in München mit dem Ehrenpreis des Ministerpräsidenten gewürdigt. Die Jury lobte das „überwältigende Lebenswerk“ der Darstellerin.
2016 wurde Senta Berger außerdem beim Bayerischen Fernsehpreis in München mit dem Ehrenpreis des Ministerpräsidenten gewürdigt. Die Jury lobte das „überwältigende Lebenswerk“ der Darstellerin. © dpa | Ursula Düren
1/26

Welt besteht nicht nur aus Guten und Bösen

Auch der findige Djamal (böse) spielt eine Rolle. Er provoziert Prohacek derart, dass die stets so gefasste Frau ihm tatsächlich eine Ohrfeige verpasst. Man sieht

Auch interessant

immer noch gern in dieser Rolle, weshalb man über manche Schwächen hinwegsehen möchte. Über die totale Reduzierung der Szenen mit Chandus Schwester etwa, die man immer nur wimmernd, liegend in ex­tremer Nahaufnahme sieht. Oder die Art und Weise, wie dem aufbrausenden Polizisten beinahe auch noch ein zweiter Toter untergeschoben werden soll.

Überhaupt kommt die Polizei hier denkbar schlecht weg. Sie ist hier ein Bund, der auch Rechtsaußen in seiner Mitte duldet. Diese überdurchschnittliche Reihe hat schon bessere Filme hervorgebracht.

Fazit: Spannender Fall, aber zu viel Schwarz-Weiß-Denken – die Welt besteht nicht nur aus Guten und Bösen.

ZDF, Samstag, 24. Februar, um 20.15 Uhr