Berlin. Das ZDF ist mit dem Talkmagazin von Dunja Hayali innovativ. Das ist gut, doch die Ausgabe vom Mittwoch zeigt: Es gibt noch viel zu tun.
Bei Dunja Hayali ging es am Mittwochabend um das Altern: Wie gelingt es mir in Würde? Wer kümmert sich dann um mich? Werde ich finanziell abgesichert sein? Und was passiert, wenn ich krank werde? Mit dem Altern sind viele essenzielle Fragen verbunden. Und doch spielt es in der öffentlichen Debatte nur selten eine wichtige Rolle.
Allein schon deswegen war es zunächst einmal löblich, dass sich am Mittwochabend Dunja Hayali dem Thema widmete. „Abenteuer Alter – Lust am Lebensabend oder Angst vor Armut?“ lautete der Titel der Sendung, die im ZDF unter dem Genre „Talkmagazin“ läuft.
Diese Gäste waren bei Dunja Hayali dabei:
• Andrea Nahles, SPD-Parteivorsitzende
• Stefan Sell, Sozialwissenschaftler
• Anita Pixberg, Rentnerin
• Erika und Norbert, Rentner aus Berlin
• Norbert Blüm, früherer Bundesarbeitsminister
• Ria Schröder, Bundesvorsitzende Junge Liberale
• Christine und Hans Laabs, Ehepaar
Ein überfordernder Ansatz
Aufbereitet wurde das Thema diesem Genre entsprechend mit zahlreichen einzelnen Beiträgen und kleineren Talkrunden. Ein spannender Ansatz, der aber wie schon in den Sendungen zuvor heillos überladen wirkte und einen als Zuschauer überforderte.
Eben noch wurde Anita Pixberg gezeigt: Eine Frau, die 30 Jahre als Teilzeitkraft im Einzelhandel gearbeitet, drei Kinder groß gezogen hat und nun von einer kleinen Rente leben muss. Schon sitzt Pixberg im Studio und diskutiert mit SPD-Chefin Andrea Nahles über die Grundrente.
Im nächsten Moment: Die Gastgeberin springt auf, um an einem separaten Tisch mit dem Experten Stefan Sell über die Tücken der Grundsicherung zu sprechen. Kurz darauf: Sell wird zur Couch geführt, um mit Nahles und Pixberg weiter zu debattieren. Danke, nächster Themenbereich!
Dynamischer als die Konkurrenz
So ging das eine volle Stunde lang, wobei der Charme der Herangehensweise durchaus auf der Hand liegt: Im Unterschied zu den Standard-Talkshowformaten ist
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unglaublich dynamisch. Binnen kürzester Zeit werden unterschiedliche Dinge anhand von unterschiedlichsten Personen beleuchtet.
Geht es beispielsweise allen Rentnern wie Anita Pixberg? Nein, der Einspieler zu Bernd Krause zeigt: Vielen geht es finanziell auch sehr gut. „Mein Rentenleben so wie es jetzt ist hab ich mir früher immer so vorgestellt“, sagt der braungebrannte Bootsbesitzer und Oldtimer-Liebhaber.
Andrea Nahles: Ihre Karriere in Bildern
Und im Anschluss erklärt binnen weniger Minuten ein Marketingexperte, warum „Silver Ager“ eine so wichtige Konsumentengruppe sind; und eine Agenturbesitzerin, warum alte Menschen mittlerweile auch als Model gefragt sind. Dann: Auftritt einer Videobloggerin, die erzählt, warum Alte selbstverständlich alles tun und probieren dürfen. Hui, steile These!
Tempo mit Tücken
So erfrischend sie ist, die Dynamik hat einen hohen Preis: Zumindest die Diskussionen, zum Teil aber auch die Beiträge bleiben arg oberflächlich.
Das zeigte exemplarisch die Debatte zwischen der Anita Pixberg und
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. Die Rentnerin forderte eine höhere Rente, die Politikerin verwies auf das, was man ja schon auf den Weg gebracht habe.
„Ihr habt überhaupt keine Ahnung, wie ein großer Teil der Menschen leben muss. Schön wäre, wenn jeder 1000 Euro bekommen würde“, geht sie Nahles an. Die Rentnerin kämpft mit ihren Gefühlen. Sie arbeitete 30 Jahre als Verkäuferin, hat drei Kinder. Damit ihr Geld zum Leben reicht, kocht sie in einem Treff der Diakonie für ältere Menschen. Würde sie das nicht tun, hätte sie mit ihrer
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gerade mal 200 Euro zum Leben.
Ob es gerecht sei, dass sie so wenig habe, obwohl sie ihr ganzes Leben gearbeitet habe, fragt Hayali. „Die Rente könnte ein bisschen höher sein“, antwortet Pixberg emotional.
Nahles will sich diesen Schuh nicht anziehen lassen. „Ich muss mir nicht vorwerfen lassen, das Thema Rente verpennt zu haben.” Pixberg fragt, warum auch nicht die Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Nahles erzählt plötzlich etwas von Bismarck – dann versiegt das Thema. Wie so oft in der Sendung.
Dabei war es Nahles, die das Thema in ihrer Zeit als Arbeitsministerin auf dem Tisch und 2014 eine Rentenreform auf den Weg gebracht hatte. Wichtige Dinge wie die Absicherung vor Altersarmut konnte auch sie aber nicht auf den Weg bringen. Sie hält bei Hayali dagegen, dass man mit der von der großen Koalition vereinbarten Grundrente genug gegen Altersarmut tue.
Soweit, so vorhersehbar. Für tieferes Nachfragen war kaum Zeit.
Fazit: Es ist gut, dass das ZDF und Dunja Hayali versuchen, neue Wege zu gehen. Schon vor der Debatte um die Qualität der konventionellen Talkshows war klar: Es braucht dringend Innovation!
Doch so sehr das Tempo von Dunja Hayalis „Talkmagazin“ packt: Es steckt einfach
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. Weniger Gäste, weniger Filme, dafür mehr Tiefe – so könnte es klappen. Sechs weitere geplante Sendung bleiben Hayali, um mehr Zuschauer von der Sendung zu überzeugen.
Dabei war es dieses Mal richtig und vor allem wichtig auf das Thema zu setzen: Schließlich liegt fast
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Die Schwächen des Formats scheinen sich auch auf die Quoten auszuwirken. Lediglich 1,1 Millionen Zuschauer (7,2 Prozent Marktanteil) schalteten am Mittwochabend ein. Laut dem Branchendienst „Meedia“ ist das die niedrigste Quote in der Geschichte der Sendung. Bei der vergangenen Sendung lag die Quote mit 1,45 Millionen noch bei 9,5 Prozent.
Die aktuelle Ausgabe von „Dunja Hayali“ finden Sie in der ZDF-Mediathek.