Berlin. Horende Mieten und wenig Wohnraum: Der ARD-Talk bei Frank Plasberg suchte Lösungen im Angriff auf Justizministerin Katarina Barley.

Ja, die Mieten in den deutschen Groß- und Universitätsstädten explodieren und es fehlt an bezahlbarem Wohnraum. Den Höhepunkt bilden übertriebene Wohnungsanzeigen: In Berlin wurde nun ein Zelt auf einem Balkon als WG-Zimmer angeboten. Und diese Problem wollten auch alle Gäste bei „Hart aber fair“ lösen: vom Vertreter der Immobilienwirtschaft bis hin zum Grünen Stadtrat in Berlin, der Hausbesetzungen als „tolle und gelungene Kampagne“ bezeichnet.

Doch spätestens beim „Wie“ hörte die Einigkeit am Montagabend beim Talk mit Frank Plasberg auf. Das Thema der Runde: „Mieten zu hoch, Bauen zu teuer – wenn Wohnen arm macht“. Eine Problematik, die laut Bundesjustizministerin

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(SPD) das Potenzial habe, zur „sozialen Frage des 21. Jahrhunderts“ zu werden.

Grüner Baustadtrat lobt zivilen Ungehorsam

In Berlin haben Aktivisten erst kürzlich ein leerstehendes Haus besetzt. Und Florian Schmidt, Baustadtrat für die Grünen in Berlin, hat dafür Verständnis. In sogenannten Szene-Vierteln wie Kreuzberg oder Friedrichshain gebe es schon heute massive Verdrängung, sagte er. „Auch mit gutem Gehalt es ist nicht einfach, in Berlin etwas zu finden“, so der Stadtrat.

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    Für Geringverdiener sei es nahezu unmöglich, eine Wohnung zu bekommen. Hausbesetzungen seien daher als Form des zivilen Ungehorsams legitim.

    Klar, dass Schmidt mit solchen Ansichten bei der stellvertretenden FDP-Vorsitzenden Katja Suding und dem Immobilienwirtschafts-Lobbyisten Klaus-Peter Hesse auf wenig Gegenliebe stieß. Und trotzdem bildeten die drei – zusammen mit der Wohnsoziologin (Plasberg: „Was es nicht alles gibt“) Christine Hannemann eine ungewöhnliche Allianz.

    Mietpreisbremse? Murks!

    Als es nämlich um das Vorzeigeprojekt der schwarz-roten Regierung im Kampf gegen steigende Mieten – die sogenannte Mietpreisbremse – ging, waren sich alle einig: Die ist Murks. Eine große Koalition aus Grünen, FDP, Immobilienwirtschaft und einer linken Wissenschaftlerin, die gemeinsam ein SPD-Projekt zerfledderte. Auch das sieht man nicht alle Tage.

    Nur Katarina Barley, die Justizministerin fand, dass Mieter nun ein „einfaches Mittel“ an der Hand hätten, um ihre Miete zu senken. Denn: Die schwarz-rote Koalition verlangt vom Vermieter zukünftig eine Auskunftspflicht über die Vormiete. So kann der neue Mieter kontrollieren, ob er zu viel zahlt.

    Ministerin Barley wirkt fast hilflos

    „Der Vorschlag ist nicht lebensrealistisch“, sagte die Soziologin Christine Hannemann. „Die Vermieter werden sich in Zukunft die Leute aussuchen, bei denen sie wissen, dass das Gehalt stimmt“, senkte auch der Grüne Schmidt den Daumen. Und Katja Suding sagte: „Mietpreise werden auch für Menschen gedeckelt, die sich eine teurere Wohnung leisten könnten“.

    Und überhaupt stelle sich die Frage, ob Mieter in angespannten Wohnungsmärkten gleich auf Konfrontationskurs zum Vermieter gehen wollen. „Das ist auch psychisch belastend“, so die Wissenschaftlerin Hannemann.

    Die Einwände sind berechtigt und Ministerin Barley wirkte fast hilflos, als sie sagte, dass man Rechte auch einfordern müsse. Nur: Wer macht das, wenn er Angst hat, seine Wohnung schon bald wieder zu verlieren?

    Positive Beispiele kommen zu spät

    Leider verhedderte sich die Diskussion anschließend im Klein-klein. Mal ging es um die Modernisierungsumlage oder umständliche Bauvorschriften, dann wieder um den sozialen Wohnungsbau. Ein klares Konzept, so viel schien klar, hatte niemand in der Tasche. Schade, dass Moderator Plasberg erst ganz am Schluss auf positive Beispiele am Wohnungsmarkt hinwies.

    Denn Verdrängung und steigende Mieten sind kein Naturgesetz. Die Stadt Wien kennt das Problem in dieser Form nicht – dank kommunaler Bautätigkeit. 60 Prozent der Wiener leben in einer städtischen oder geförderten Wohnung.

    Neubau als Lösung?

    Für Mieter in Hamburg oder Berlin klingt das paradiesisch. Sie müssen wohl auch weiterhin damit rechnen, dass die Mietpreise nur eine Richtung kennen: nach oben. Denn auch wenn viel gebaut wird, darauf machte die Soziologin Christine Hannemann aufmerksam, bringe es keine Entspannung auf dem Markt, wenn der Preis pro Quadratmeter im Neubau zwischen zwölf und 15 Euro liege. „Es geht um bezahlbares Wohnen“, sagte sie. „Und nicht um Luxusbunker“.