Berlin. . Wie stoppt man die vierte Corona-Welle? Bei “Anne Will“ werden Lösungsvorschläge diskutiert. Söder bringt eine Impfpflicht ins Spiel.

  • Bei "Anne Will" ging es am Sonntagabend um eine mögliche Impfpflicht
  • "Wir erleben eine Tyrannei der Ungeimpften", sagt der Weltärztebund-Chef
  • Göring-Eckardt und Söder liefern sich einen Schlagabtausch

Die vierte Corona-Welle baut sich fast zeitgleich mit dem Auslauf der epidemischen Notlage auf: Am 25. November soll die Ausnahmesituation enden, der Bundestag hatte sie zuvor mehrmals verlängert. In Sachsen gilt derweil landesweit die 2G-Regel, auch andere Bundesländer könnten bis Ende des Monats nachziehen. "Reicht das noch aus, um die vierte Welle zu brechen?", fragt Moderatorin Anne Will ihre Gäste und Gästinnen beim Corona-Talk. "Oder brauchen wir am Ende doch eine Impfpflicht?"

Es mag an Wills deutlicher Fragestellung liegen, dass sich direkt zu Beginn der Sendung tiefe politische Gräben bilden – allen voran zwischen der Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Markus Söder, dem CSU-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten der Bayern.

Göring-Eckardt, die Befürworterin des Notlagen-Endes ist, kündigt umfassende Anpassungen der Maßnahmen an. "Mich überzeugt das noch nicht", kommentiert der zugeschaltete Söder diesen Plan nüchtern. Wie wenig überzeugt er wirklich von den Plänen seiner politischen Gegnerin ist, wird er später noch deutlich zum Ausdruck bringen.

"Anne Will": Diese Gäste waren dabei:

  • Markus Söder (CSU), Parteivorsitzender und Ministerpräsident von Bayern
  • Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen), Fraktionsvorsitzende im Bundestag
  • Frank Ulrich Montgomery, Vorstandsvorsitzender des Weltärztebundes
  • Alena Buyx, Professorin für Medizinethik und Vorsitzende des Deutschen Ethikrates
  • Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates

Weltärztebund-Chef: "Erleben eine Tyrannei der Ungeimpften"

Zunächst aber grätscht auch Frank Ulrich Montgomery in die Ankündigung der Grünen-Politikerin: "Ich sehe kein Ende der pandemischen Lage", so der Weltärztebund-Chef.

Er fordert den Entwicklungen angepasste, einheitliche Maßnahmen ohne politische Hintergedanken. Die Bevölkerung trage aber auch selbst Verantwortung, wenn es darum gehe, Freiheiten zu erlangen: "Wir erleben eine Tyrannei der Ungeimpften, die über die zwei Drittel der Geimpften bestimmen", urteilt Montgomery. In Ländern mit höheren Impfquoten gebe es weniger einschränkende Maßnahmen.

Auch Markus Söder äußert angesichts der nach wie vor zahlreichen Impfunwilligen seine Verzweiflung. "Die ganzen Argumente gegen das Impfen verstehe ich einfach nicht", klagt der Ministerpräsident.

Angesprochen auf die unterdurchschnittliche Impfquote in seinem Bundesland erklärt er, man könne es sich einfach machen und argumentieren, dass es in Bayern besonders viele Querdenkende gebe. Dann schießt er in Richtung Göring-Eckhardt: "Wir haben auch viele von ihren Anhängern, von den Esoterikern." Die Grünen-Politikerin lächelt milde: "Wir sind Team Wissenschaft."

Vorschlag der Ethikrat-Vorsitzenden: Kommt bald eine Impfprämie?

Vor dem Hintergrund, dass Querdenkende unterdessen mehrfach Medizin- und Pflegepersonal angegriffen haben und das Coronavirus sich aktuell wieder rasant weiterverbreitet, äußert CSU-Mann Söder Sorgen: Früher sei die wichtigste Frage gewesen, wann der Impfstoff komme, sinniert er. Heute sei es die, wie man diesen an die Leute bringe.

Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates hat dafür einen Vorschlag, der tatsächlich so einige Impfzweifelnde umstimmen dürfte. Es gebe belastbare Daten, dass Menschen, die jetzt noch ungeimpft sind, dies voraussichtlich auch bleiben werden, erklärt Alena Buyx.

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Dafür bräuchte es nun konkrete Angebote: direkte Einladungen und Ansprachen, Impftermine, die direkt an die Leute verteilt werden. Und vielleicht sogar weitere Anreize: "Also keine Bratwurst, sondern eine Impfprämie", so Buyx.

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Montgomery und Söder wollen dagegen entschiedener vorgehen: Sie fordern eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen, Söder zudem ein Recht für Arbeitgebende, den Impfstatus ihrer Angestellten zu erfahren: "Da habe ich kein Verständnis, dass der Datenschutz das bei uns nicht erlaubt."

Göring-Eckardt und Söder liefern sich einen Schlagabtausch

Man sieht: Die To-Do-Liste vor der vierten Welle hat eine beachtliche Länge. Dennoch lassen es sich Söder und Göring-Eckardt nicht nehmen, bei Anne Will auch ihre parteipolitischen Fehden auszuführen. Die Ampel-Koalitionäre hatten zuletzt erklärt, in der Corona-Politik einen anderen Kurs fahren zu wollen, die schwarz-rote Bundesregierung sei nur noch geschäftsführend im Amt.

Söder scheint jetzt schon wenig begeistert: Die Grundmaßnahmen seien da, erklärt er, sie reichten aber noch nicht. Man müsse mehr machen, als Abstände und Maskenpflichten zu regeln, auch für die Krankenhäuser und Intensivstationen: "Wir brauchen 2G, wir brauchen 3G am Arbeitsplatz", erklärt Söder. Auch eine Rehabilitierung der Impfzentren sei jetzt nötig.

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"Das hätte man alles organisieren können", wirft Göring-Eckardt ein. Angesichts der fortgeschrittenen Impfquote halte sie es für rechtlich schwierig, die epidemische Lage erneut zu verlängern. "Herr Söder hat ja auch gerade eine Klage verloren, was Ausgangssperren angeht", stichelt die Grünen-Politikerin. Schließlich führt aber auch sie zurück zum Wesentlichen. Da seien Leute, die Angst hätten, sagt sie: "Und hier gibt es ein parteipolitisches Geplänkel."

Grünen-Politikerin Katrin Göring_Eckardt hät es für rechtlich schwierig, die epidemische Lage nochmals zu verlängern.
Grünen-Politikerin Katrin Göring_Eckardt hät es für rechtlich schwierig, die epidemische Lage nochmals zu verlängern. © NDR/Wolfgang Borrs

Es brauche jetzt schnelle Lösungen, resümiert Göring-Eckardt. Das scheint auch Söder so zu sehen: "Corona ist es völlig egal, ob es eine alte oder eine neue Regierung gibt", fasst er das politische Gezerre zusammen. Wie gut wäre es, wenn die Parteien diese Stoßrichtung auch in der Praxis beibehalten könnten.

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