Berlin. Markus Lanz hatte gehofft, mit Kevin Kühnert hinter die Kulissen der Sondierungen blicken zu können. Doch der hielt erstaunlich dicht.

  • Wie wird die nächste Bundesregierung aussehen? Am Freitag könnte es eine Art Vorentscheidung geben
  • Auch bei Lanz waren die Sondierungsgespräche von Grünen, SPD und FDP ein Thema
  • Kevin Kühnert jedenfalls ließ sich kaum ein Wort entlocken

Bei den Ampel-Parteien schlägt die Stunde der Wahrheit: Nach einer letzten Sondierungsrunde am Freitag werden SPD, Grüne und FDP jeweils für sich entscheiden, ob sie bereit sind, mit den anderen eine Regierungskoalition auszuhandeln. Dass aus den vertraulichen Beratungen so gut wie nichts nach außen dringt, hatte Markus Lanz wohl als Ansporn verstanden: In seiner Talk-Sendung am Donnerstagabend wollte er dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der SPD, Kevin Kühnert, Details entlocken.

Doch der ehemalige Chef der Jusos und frisch gewählte Bundestagsabgeordnete ließ sich davon weder aus der Ruhe bringen noch beeindrucken. „Nö, das weiß nicht.“ Das war im Grunde alles, was Kevin Kühnert auf Lanz‘ Frage antwortete, worüber denn geredet worden wäre, was Knackpunkte der Beratungen gewesen seien.

Lanz fragt nach Sondierungen - Kühnert gibt sich ahnungslos

„Ich könnte natürlich anrufen und versuchen, Dinge zu erfahren“, führte Kühnert dann doch noch weiter aus. „Aber zum einen sind das Sondierungsgespräche und keine Koalitionsverhandlungen, und zum anderen weiß ich ja, wofür die sechs Leute, die von uns dabei sind, sich da einsetzen.“ Der SPD-Politiker gab sich ahnungslos, was die konkreten Inhalte der bisherigen Ampel-Gespräche angeht.

Lanz wollte ihm das nicht abnehmen: „Ihr Einfluss auf die Partei ist doch aber mittlerweile so groß, das kann ich mir nicht vorstellen, dass sie nicht wissen, worüber da gesprochen wird.“ „Das tut mir leid, dass sie das nicht glauben können“, erwiderte Kühnert darauf nur nüchtern.

Das passt Markus Lanz nicht in das „Narrativ“ – er benutzte den Begriff in der Sendung über ein Dutzend Mal – von Kühnert und der seiner Position in der SPD. „Sind Sie wirklich so ahnungslos, wie Sie sich hier gerade geben?“, versuchte es der Moderator nochmal. Bei Kühnert rannte er aber weiter gegen eine Wand: „Naja, warum sollte ich mich dümmer geben, als ich bin?“, antwortete dieser ganz locker.

Journalistin bei Lanz: Knackpunkte der Ampel sind bekannt

Helene Bubrowski, Parlamentskorrespondentin der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“, gab dem Sozialdemokraten sogar etwas Rückendeckung. Es sei doch gar nicht notwendig, darüber zu spekulieren, wo die Diskrepanzen zwischen den drei möglichen Koalitionspartnern besonders groß seien. Das verrate ein schneller Blick in die Wahlprogramme: „Wir wissen ja alle, was die Knackpunkte sind“, meinte die Journalistin.

„Markus Lanz“ – Das waren die Gäste:

  • Kevin Kühnert, Politiker (SPD)
  • Helene Bubrowski, Journalistin („FAZ“)
  • Bijan Djir-Sarai, Politiker (FDP)
  • Tankred Stöbe, Arzt

Außerdem gehe es in den Sondierungen ja erstmal um das Grobe – betonte der FDP-Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai in der Runde. Erst bei den Koalitionsverhandlungen werde bei vielen Dingen in die Tiefe gegangen, würden konkrete Ziele festgelegt werden. „Entscheidend wird jetzt die Arbeit in den Facharbeitskreisen sein“, meinte er. In diesen kleineren, themenspezifischen Runden sollen verschiedene Fachpolitiker der Parteien die Koalition miteinander aushandeln.

Kühnert stimmte dem FDP-Kollegen zu. Erstmal stünden jetzt der Länder-Parteitag der Grünen, die Abstimmung der SPD-Vorstände und das Votum der FDP-Gremien über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen an. „Die eigentliche Arbeit geht ja dann erst los.“ Er selbst bereite sich deshalb auch auf die Koalitionsverhandlungen vor, „wenn ich denn dann mitreden darf“.

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Mit so viel Zurückhaltung und politischer Bescheidenheit hatte Lanz wohl nicht gerechnet. Ob Kühnert sich nicht schon einmal mit dem FDP-Chef Christian Lindner ausgetauscht habe? Sich entschuldigt habe für die Bezeichnung dessen als „Luftikus“? „Ich habe ja nicht mal seine Telefonnummer“, sagte der nur dazu.

Aber Kühnert sei doch einer der „größten Strippenzieher der SPD“, ständig im „Maschinenraum der Macht“ anwesend, das hätte zuletzt auch die NDR-Dokumentation über ihn, „Kevin Kühnert und die SPD“, gezeigt. Markus Lanz wollte den Politprofi aus der Reserve locken und sprach deshalb ein Thema an, bei dem Kevin Kühnert sich deutlich weniger entspannt gefühlt haben dürfte: Olaf Scholz.

Markus Lanz: Das sagt Kevin Kühnert über Olaf Scholz

Olaf Scholz, der erst nicht Vorsitzender der SPD und dann doch deren Kanzlerkandidat wurde – und bald vielleicht wirklich der nächste Bundeskanzler Deutschlands ist. Sei das nicht eine seltsame Entscheidung, dass die Parteispitze, die damals gegen ihn angetreten war, ihn nun nominiert habe?

Kühnert ging das Thema erstmal gelassen an. Es habe sich im Grundsatz bewährt, Regierung und Parteispitze voneinander zu trennen. Er und viele andere in der SPD seien „tief überzeugt“ davon. Soll das auch so bleiben? „Im Rahmen einer Doppelspitze wird es auch in Zukunft möglich sein, dass zumindest ein Teil dieser Führung nicht Teil der Regierung sein wird.“ Deutete der ehemalige Juso-Chef damit an, dass Saskia Esken bald Bundesministerin sein könnte oder etwa Scholz Co-Vorsitzender werden könnte? „Ich werde jetzt keine Personalplanung mit Ihnen hier machen“, erklärte Kühnert frei heraus und ließ Markus Lanz erneut auflaufen.

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Kühnert räumt Fehler im Umgang mit Olaf Scholz ein

Kühnert, der als Juso-Chef lange als parteiintern größter Gegner von Olaf Scholz galt, geriet bei dem Thema aber langsam ins Stocken. Seine unverhohlene Ablehnung der zweiten Großen Koalition, die Unterstützung der Jusos für das Underdog-Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans: Es ist weithin bekannt, dass Scholz und Kühnert nicht mehr beste Freunde werden. Allerdings will es sich Kühnert offenbar nicht mehr mit dem möglichen nächsten Kanzler verderben. „Da ist mitunter von mir und den Jusos ungerecht mit Olaf Scholz umgegangen worden“, räumte er ein.

Einige Streitpunkte seien persönlicher ausgefochten worden, als es hätte sein müssen. Das sei auch ein Lernprozess gewesen. Politikbeobachterin Bubrowski glaubt zumindest, dass ein Kanzler Olaf Scholz es im Umgang mit den jungen Rebellen der Jusos in Zukunft ähnlich handhaben könnte wie Noch-Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Wer früh auf einen einflussreichen Posten käme, wie beispielsweise Bundesgesundheitsminister Jens Spahn – einst einer ihrer schärfsten Kritiker – der werde „domestiziert“, so die „FAZ“-Journalistin. Ein Ministeramt strebt Kühnert allerdings nicht an, stellte er in der Sendung klar.

Kevin Kühnert, stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender, schaut in die Kamera.
Kevin Kühnert, stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender, schaut in die Kamera. © dpa

Lanz bringt Kühnert doch noch ins Stocken

Wer einst so gegen Scholz gewettert hat, kann der überhaupt den Kanzlerkandidaten glaubhaft unterstützen? „Es war doch bei der Vorsitzwahl klar, dass in die Periode eine Bundestagswahl fällt. Und dass sich da dann bei uns die Blicke auf unseren Vizekanzler richten, ist doch auch völlig klar“, meinte Kühnert.

Lanz legte den Finger in die Wunde: „Also war Olaf Scholz ein großartiger Kandidat?“, fragte der Moderator. „Naja, für die entscheidende Gruppe, nämlich die Wählerinnen und Wähler, war er offensichtlich goldrichtig.“

Aber für ihn selbst? Lanz wollte nicht lockerlassen. „Ja, natürlich“, sagte Kühnert mit etwas nervöserer Gestik, „warum sollte er das nicht sein?“ „Ich frage nur“, erwiderte Markus Lanz mit prüfendem Blick und stellte die vorherige Frage noch einmal etwas abgewandelt: „War er der beste aller Kandidaten?“ Das sei eine komische Kategorie, antwortete Kühnert. Was das denn heißen solle? Es war das einzige Mal, dass der sonst so konfrontative Lanz ihn in dieser Sendung tatsächlich in die Ecke gedrängt zu haben schien.

Für Lanz zeigte sich Kühnert in der Sendung als neuer Parlamentarier von der „Konsistenz eines weißen, flauschigen Kaninchens“. Seine Ahnungslosigkeit, was die Sondierungen angeht, offenzulegen, schien den Sozialdemokraten kaum zu stören. Vielleicht ist all das aber auch die Maske „des größten Strippenziehers, den die SPD seit langer Zeit gesehen hat“, wie der Moderator vermutete. Welche Rolle der linke SPD-Bundesvize bei den Koalitionsverhandlungen spielen wird, wird sich wohl erst in den nächsten Wochen zeigen.

„Markus Lanz“ – So liefen die vergangenen Sendungen