Berlin. Der neue Kieler “Tatort“ beschäftigt sich mit Gewalt gegen Frauen. Diese Begriffe sollten Zuschauerinnen und Zuschauer dabei kennen.

Das Problem, das der Kieler „Tatort: Borowski und die weißen Männer“ behandelt, erscheint hochaktuell, aber auch höchst unappetitlich: Eine anonyme Gruppe aggressiver Männer trifft sich im Darknet und plant, am Internationalen Weltfrauentag – zeitgleich – mehrere Attentate auf Frauen zu verüben. Wie realistisch ist das düstere Szenario? Und welche Begriffe sollten Zuschauerinnen und Zuschauer kennen?

Axel Milberg in der Rolle des Kommissars Borowski (r) spielt im
Axel Milberg in der Rolle des Kommissars Borowski (r) spielt im "Tatort - Borowski und die Angst der weißen Männer" neben Joseph Bundschuh als Mario Lohse und Almila Bagriacik in der Rolle der Ermittlerin Mila Sahin. © Carsten Rehder/dpa | Carsten Rehder/dpa

Gewalt gegen Frauen: Tatort behandelt aktuelles Thema

Wie im „Tatort“ angedeutet, kann sich Gewalt gegen Frauen als Stalking, Bedrohung, sexueller Übergriff, Körperverletzung, Vergewaltigung, Freiheitsberaubung bis hin zu Mord und Totschlag äußern. Selbst in neuesten Polizeistatistiken werden lediglich die polizeilich registrierten Fälle von Partnerschaftsgewalt berücksichtigt: 2019 waren es 114.903 weibliche Opfer häuslicher Gewalt, auch dabei schon ein Prozent mehr als im Vorjahr.

Umfassende Angaben, wie viele Frauen in Deutschland insgesamt bedroht wurden, liegen nicht vor. Experten vermuten ein „Dunkelfeld“ von etwa 80 Prozent – viele Frauen würden schweigen und sich weder an eine Beratungsstelle oder die Polizei wenden. Für den Fall der Fälle: Betroffene Frauen finden Hilfe – rund um die Uhr, anonym und in 18 Sprachen – unter der kostenfreien Telefonnummer 08000 116 016 oder www.hilfetelefon.de.

Alte weiße Männer: Begriff aus der #MeToo-Bewegung

Alte weiße Männer (AWMs) müssen nicht alt sein, noch nicht einmal weiß. Und schon gar nicht müssen sie in weißen Schutzanzügen stecken, wenn sie zuschlagen – wie der „Tatort“ das feministische Stereotyp karikiert, indem er es wortwörtlich umsetzt.

Mehr zum Thema: Harvey Weinstein muss in Haft - so reagierte er

Mit der #MeToo-Bewegung aufgekommen, bezeichnet das provokante, abfällige Schlagwort vor allem privilegierte, konservative Männer, die in ihrer Selbstherrlichkeit annehmen, ihr Umwelt beherrschen zu können. Es können aber auch jüngere Männer sein, die an überkommenen Rollen- und Gesellschaftsbildern festhalten wie die „Tatort“-Attentäter, und sich zum Beispiel weigern, weibliche Führungskräfte zu akzeptieren.

Ihre Angst vor Kontrollverlust setzen AWMs gleich mit dem Niedergang der westlichen Gesellschaft. Bekannteste Beispiele: Donald Trump, Harvey Weinstein, Dieter Wedel.

Antifeminismus: Tatort behandelt Frauenrechte

Antifeminismus ist ein Oberbegriff, der unterschiedlichste Strömungen und Gruppierungen von Männern umfasst, die sich gegen Emanzipation und die Gleichstellung von Frauen wenden. Weil sich die herkömmlichen Geschlechterrollen wandeln, versuchen Antifeministen umso mehr ihre Männlichkeit zu betonen.

Lesen Sie auch: "Pretty Happy" - So gefährlich ist der Schönheitswahn

Etwa fünf Prozent der deutschen Männer gelten – laut einer Untersuchung des Bundesfamilienministeriums – als offen antifeministisch, da sie vorbehaltlos dem Satz zustimmen: „Frauen sind von der Politik genug gefördert worden, jetzt sind die Männer dran.“

Männer, die sich für Frauenrechte einsetzen wie Borowski, werden von Antifeministen gerne als „lila Pudel“ beschimpft – aus Sicht der Antifeminsten verrieten sie ihr eigenes Geschlecht.

Incels: Sexuell frustrierte Männer verachten Frauen

Als Incels – abgeleitet von dem englischen „involuntary celibates“, also unfreiwillig Zölibatären – bezeichnen sich sexuell frustrierte Männer, die sich in Foren zusammenrotten und gegenseitig in ihrer Frauenverachtung bestärken.

Lesen Sie hier: 185 Filmschaffende geben gemeinsam Outing bekannt

Incels sind davon überzeugt, dass Frauen oberflächlich, grausam, böse sind, weil sie nur mit attraktiven Männern schlafen wollten – was Incels in der Regel nicht sind, wie die Zuschauer an Mario Lohse sehen können. Deshalb fordern sie zum Beispiel, der Staat müsse Frauen zu Sex mit Männern verpflichten.

Maskulismus: Abart des Antifeminismus

Als Begriff um 2000 entstanden, ist Maskulismus eine Abart des Antifeminismus. Maskulisten glauben nicht an die „natürliche Überlegenheit des Mannes“, fühlen sie aber als Opfer „ungerechter“ gesellschaftlicher Entwicklungen. In Vereinen wie „Manndat“ kämpfen sie deshalb für Männerrechte und gegen die „Dämonisierung des Mannes“.

Vorbild für die Organisation von Hank Massmann im Kieler Tatort sind aber die Pick-Up Artists (PUA) – eine Art Selbsthilfegruppe für verunsicherte Männer, die in den USA gegründet wurde und inzwischen in Foren, aber auch mit Workshops, Vorträgen und Büchern weltweit aktiv ist. Ihr Credo: Männer müssten gegenüber Frauen ihre „Alphamännlichkeit“ entwickeln, sie also dominieren.

Auch interessant: Tatort-Schauspieler - Ulrich Tukur "hatte sehr viel Glück im Leben"

Soziologen haben beobachtet, dass antifeministische Gruppierungen wie PUA zunehmend mit rechtsnationalen Bewegungen zusammenarbeiten, schon weil sie ähnliche Verschwörungstheorien teilen: Bei Menschenrechten und Minderheitenschutz vermuten beide einen „Totalitarismus“ von oben.

Gepaart mit Rassismus und Antisemitismus artet Antifeminismus tatsächlich nicht selten in Terrorphantasien aus, weshalb der Staatsschutz im „Tatort“ zu Recht alarmiert ist: Etliche rechte Attentäter der letzten Jahre gelten als bekennende Antifeministen, so z.B. Anders Breivik oder die Mehrfachmörder von Halle und Hanau, Christchurch, El Paso und Toronto.

14 Words: Der Satz eines Neonazis

Wie im „Tatort“ erwähnt, meint 14 Words den aus 14 Worten bestehenden Satz: „We must secure the existence of our people and a future for white children.“ Das bedeutet übersetzt: „Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft unserer weißen Kinder sichern.“

Lesen Sie hier: Immer mehr Kommissarinnen in deutschen Krimis

Der Satz stammt von dem US-amerikanischen Neonazi David Lane, der als Mitglied einer rechten Terrorgruppe zu 190 Jahren Haft verurteilt wurde und 2007 im Staatsgefängnis Terra Haute in Indiana/USA starb.

Als Verkürzung von „14 Words“ entstand der Zahlencode „14“, der von Rechtsradikalen häufig als Grußformel in Sozialen Netzwerken benutzt wird, außerdem als Symbol in Liedtexten, als Shirt-Aufdruck, Jackenemblemen, CD-Cover und in der Kombination mit 88 (= HH, Heil Hitler) sogar bei Auto-Wunschkennzeichen.

Tatort: Das bedeutet "Schwarze Pille"

Als die Ereignisse im „Tatort“ eskalieren, droht Mario Lohse an, „die schwarze Pille“ zu nehmen. Er meint allerdings kein Medikament, sondern kündigt damit seine Selbsttötung an: „Schwarze Pille“ steht gemeinhin für alles, was mit extremem Fatalismus, Nihilismus, Pessimismus usw. verbunden wird und wird von Incels als letztes Mittel propagiert.

Mehr zum Tatort