Berlin. Die Proteste in den USA waren erneut Thema bei „Markus Lanz“. Eine Journalistin aus den USA hat nur Geringschätzung für Trump übrig.

Seit neun Tagen gehen die Menschen in den USA auf die Straße und demonstrieren gegen Rassismus, Polizeigewalt und soziale Ungerechtigkeit. Präsident Donald Trump versucht erst gar nicht, auf die Protestierenden zuzugehen, hetzt ihnen lieber Polizei und Nationalgarde auf den Hals. Bei Markus Lanz kritisierte die US-amerikanische Journalistin Melinda Crane dieses Vorgehen am Mittwochabend scharf.

Besonders eine Szene brachte alle Gäste in der Talkshow zum Kopfschütteln: Donald Trump hatte sich am Montag den kurzen Weg vom Weißen Haus zur nahe gelegenen St.-John’s-Kirche mit Gewalt und Tränengas durch einen vorher friedlichen Protest bahnen lassen. Alles für ein Foto, auf dem er eine Bibel hochhielt.

Markus Lanz – das waren die Gäste:

  • Melinda Crane, Journalistin, amerikanische Chef-Korrespondentin bei Deutsche Welle TV
  • Mo Asumang, Filmemacherin
  • Wolfgang Kubicki, FDP-Vizevorsitzender und Bundestagsvizepräsident
  • Prof. Dirk Brockmann, Physiker und Digital-Epidemiologe vom Robert Koch-Institut (RKI)

Markus Lanz: Trumps Bibel-Szene ist bizarr

Die Szene sei einfach nur bizarr, findet Markus Lanz: „Du lässt dir als Präsident den Weg zu einer Kirche mit Tränengas freischießen, aus welchem Grund eigentlich?“ Crane, die amerikanische Chef-Korrespondentin der Deutschen Welle ist, konnte ihm den sofort nennen: „Um die Evangelikalen zu erreichen, die für ihn sehr wichtige Wähler sind.“ Lesen Sie hier: Unruhen in den USA: Trump droht mit Militäreinsatz im Inneren

Für die Aktion selbst hat Crane nur Geringschätzung übrig: „So etwas Bigottes, Verlogenes habe ich, haben die meisten Amerikaner seit mindestens dreißig Jahre nicht mehr erlebt.“ Trump habe ja nicht einmal seine eigene Bibel dabeigehabt, wie er Reportern bestätigte. Das Ganze war ein reiner Medienstunt.

Amerikanische Journalistin bei Lanz: „Law Order“ impliziert Rassismus

Neben leeren Gesten feuert der amtierende US-Präsident politische Inhalte weiterhin auf Twitter ab. Dort verkündete er auch, dass es eine Rückkehr zu „Law & Order“, wie es einst auch Richard Nixon formulierte, geben müsse.

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Das stehe in den USA eben nicht nur für Recht und Ordnung, kritisiert Melinda Crane: „Wenn Donald Trump das zitiert, macht er das aus einem Grund: Impliziert in dieser Idee von Recht und Ordnung ist ein nicht so sehr versteckter Rassismus. So etwas ist Codesprache in Amerika.“

Für Recht und Ordnung sorgen bei vielen Demonstrationen derzeit hochaufgerüstete Polizisten, die fast schon wie Soldaten im Krieg aussehen. Das ist leicht erklärt: „Überflüssiges militärisches Material wird an die Polizei weitergegeben“, sagte Crane. Schutzschilder, Granatenwerfer und andere Waffen landeten dadurch im Besitz von Polizeieinheiten. Lesen Sie hier: Gewalt in den USA: Trump will zehn Jahre Haft für Demonstranten

Bei den Protesten in Washington am Wochenende räumten hochaufgerüstete Polizisten eine Demonstration.
Bei den Protesten in Washington am Wochenende räumten hochaufgerüstete Polizisten eine Demonstration. © dpa | Alex Brandon

Talk bei Lanz zu Protesten in USA: Diversität der Demonstranten macht Hoffnung

Während der Präsidentschaft von Barack Obama wurde dieses Programm ausgesetzt, stattdessen bildete das Justizministerium Polizisten in Deeskalation aus, erklärte die amerikanische Korrespondentin. Trump revidierte diese Politik nach seinem Amtsantritt vollständig – das Ergebnis kann man nun live und in Farbe beobachten.

USA- Diese Fälle stehen für Polizeigewalt gegen Schwarze

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    Hoffnung macht Crane derzeit nur eines: „Bei den Protesten sind nicht nur Schwarze, sondern viele Weiße, aber auch Latinos und Asiaten, Jung und Alt vertreten. Es ist eine sehr heterogene Gruppe“, sagte die Journalistin. Das sei neu und nicht zu vergleichen mit den Demonstrationen 1992 in Los Angeles oder 2014 in Ferguson. George Floyds Tod, der strukturelle Rassismus und die ausufernde Polizeigewalt – sie gehen eben nicht nur People of Color etwas an.

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    „Markus Lanz“: Durch Corona verschärfte Ungleichheit trifft schwarze Amerikaner hart

    Dass die Proteste so viele verschiedene demografische Gruppen mobilisieren und in den Staaten wie ein Lauffeuer um sich greifen, hänge jedoch nicht nur mit dem Mord an George Floyd zusammen: „Es gibt auch eine große Wut und Frust über die Ungleichheit, die jetzt von Corona wie nie zuvor aufgezeigt wird“, sagte Crane, „sie trifft schwarze Amerikaner besonders hart, aber eben nicht nur sie.“

    Der wirtschaftliche Druck und die gesundheitlich prekäre Situation unter der viele US-Amerikaner jetzt besonders leiden, wird für People of Color durch den strukturellen Rassismus noch verschärft. Dokumentarfilmerin Mo Asumang, die für ihren Film „Die Arier“ in den USA mit Mitgliedern des Ku-Klux-Klans und anderen rassistischen Vereinigungen sprach, macht aber noch eine weitere Komponente der Protestwelle aus: Provokation. Lesen Sie hier: Ex-Verteidigunsminister Mattis nennt Donald Trump „Spalter“

    Mo Asumang bei Markus Lanz: „Rassisten provozieren uns ständig“

    „Bei den amerikanischen Ausschreitungen provoziert die Polizei ständig. Und Rassisten provozieren ebenso, um uns aus dem Gleichgewicht zu bringen. Wenn wir es schaffen wollen, zusammenzukommen, müssen wir erstmal diesen Trick verstehen“, sagte die 56-Jährige. Dadurch dass einem Gewalt und Hass ständig vor die Füße geworfen würden, stolpere man und vergesse, menschlich zu reagieren. Dabei sollte man solchen Provokationen eigentlich nicht nachgeben.

    Doch die Filmemacherin findet auch, dass nicht nur mit dem Finger auf die USA gezeigt werden sollte. Auch sie habe schon in Deutschland Polizeigewalt erlebt, berichtete Asumang. In Berlin sei sie schon einmal von mehreren Beamten ohne erkennbaren Grund zusammengetreten worden. Als Markus Lanz trotzdem unsensibel nach dem „Warum“ fragt, antwortet die Deutsch-Ghanaerin nur: „Black.“

    Rassismus in Deutschland: Markus Lanz zeigt Mangel an Sensibilität

    Dem Moderator scheint das richtige Gespür für das empfindliche Thema zu fehlen. Deutschland sei doch im Kern kein rassistisches Land, meinte Lanz an Asumang gewandt. Die widersprach direkt: „Wenn Sie jetzt mit mir und der Initiative ‚Schwarze Menschen in Deutschland‘ mal einen Ausflug nach Brandenburg machen würden, würden Sie es sehr wahrscheinlich ganz anders sehen.“

    Gerade seit dem Auftritt der AfD auf der politischen Bühne habe sie eine deutliche Veränderung der Stimmung in Deutschland gegenüber dunkelhäutigen Menschen wahrgenommen. Nachdem Markus Lanz am Dienstag nur mit Weißen über Rassismus und Polizeigewalt diskutiert hatte, saß in der Mittwochssendung zumindest eine Betroffene. Aus der Unterhaltung mit Mo Asumang könnte der Moderator für die nächste Sendung mitnehmen, dass man als Weißer wohl nie realistisch einschätzen kann, wie rassistisch eine Gesellschaft ist.

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