Berlin. „Hart aber fair“ setzte auf Aufklärung statt auf Polit-Zoff. Dennoch geriet ein Spitzenpolitiker in der Diskussion ins Straucheln.

Der französische Präsident spricht von einem „Krieg“. Ab Dienstagmittag schließt die EU ihre Außengrenzen. In Italien und Spanien ist das öffentliche Leben bereits zum Erliegen gekommen. Ein Kontinent steht still.

Im Kampf gegen das Coronavirus setzt auch die Bundesregierung nach anfänglichem Zögern auf immer drastischere Maßnahmen. So soll neben Schulen, Universitäten, Kitas jetzt auch ein Großteil der Geschäfte schließen. Die bange Frage lautet: Reichen die Schritte, um eine unkontrollierte Ausbreitung des Erregers zu verhindern?

„Ich bin der Meinung, dass wir innerhalb von zehn bis 14 Tagen einen Effekt sehen werden“, sagte der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit am Montagabend bei „Hart aber fair“. Wie stark dieser Effekt aber sei, bleibe abzuwarten, so der Wissenschaftler der Universität Hamburg.

Ärztin in Corona-Doku: „Ich arbeite an der Front“

Klar ist: Die Ereignisse überschlagen sich, was heute noch gilt, kann morgen schon längst von der Entwicklung überholt sein. Es überraschte also nicht, dass Moderator Frank Plasberg erneut eine Runde um sich versammelte, die vor allem ein Ziel hatte: Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung.

„Die Corona-Krise – wo stehen wir, was kommt noch?“, fragte die Redaktion. Eine halbstündige Dokumentation umriss vorab die aktuelle Lage im Land: An Grenzübergängen stehen wieder Polizisten und kontrollieren die Ein- und Ausreise. Familien kämpfen darum, Kinderbetreuung und Home-Office unter einen Hut zu bekommen. Und eine Ärztin am Uniklinikum Essen sagte über sich selbst, sie arbeite „an der Front“. Der Tenor des Films: Wir stehen an einem entscheidenden Punkt.

Altmaier verspricht: Wir unterstützen die Wirtschaft

Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wurde in der anschließenden Diskussion, die ohne Zuschauer und mit entsprechendem Abstand zwischen den Gästen stattfand, nicht müde zu betonen, dass die Politik alles tun werde, um Unternehmen und Arbeitsplätze zu retten. Auf eine Milliarde Euro mehr oder weniger komme es nicht an.

Im gleichen Atemzug aber machte der Minister deutlich, dass niemand wisse, wie lange die Ausnahmesituation nach andauere. „Es wäre verantwortungslos zu sagen, in zwei oder vier Wochen ist der Spuk vorbei“, so Altmaier.

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    Dass selbst Spitzenpolitiker, die ihre Worte sonst immer sehr genau wägen, die Situation nicht vollends überblicken, zeigte sich beim Thema Kinderbetreuung. Eine Zuschauerfrage griff die Problematik verschlossener Kitas auf, während Eltern gleichzeitig arbeiten müssen – und sei es von zu Hause aus. Altmaier sagte, dass Nachbarschaftshilfen zur Betreuung ja möglich seien.

    „Genau das wollen wir doch eigentlich verhindern“, entgegnete Virologe Jonas Schmidt-Chanasit. Schließlich könnten so neue Infektionsketten entstehen. Ein Wissenschaftler lässt ein Mitglied der Bundesregierung wie einen Schuljungen dastehen. Auch das sieht man nicht alle Tage.

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      Börsenexpertin kann sich Verstaatlichung von Konzernen vorstellen

      ARD-Börsenexpertin Anja Kohl lenkte den Blick derweil auf das, was sich an den Märkten abspielt. Der Tiefpunkt sei noch nicht erreicht. Die Unsicherheit an der Börse breite sich weiter aus. Selbst großen Unternehmen droht die finanzielle Schieflage. „Konzerne müssen möglicherweise über Verstaatlichungen gestützt werden“, sagte Kohl.

      Eine Möglichkeit, die vor wenigen Wochen noch undenkbar schien. Was aber mit den fünf Millionen Selbstständigen und Freiberuflern passiert, für die es keine Instrumente wie Kurzarbeit oder Lohnfortzahlung gibt, bleibt unklar. Altmaier betonte zwar Unterstützung. Wie die aber aussieht, sagte er nicht.

      Trotzdem – und das ist eine der beruhigenden Erkenntnisse aus der Sendung – sieht ARD-Börsenexpertin Kohl die Bundesrepublik gut aufgestellt, um mit der Krise fertig zu werden. Der Schuldenstand sei niedrig, der Haushalt ausgeglichen.

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        ARD-Experte: Grundrechte können eingeschränkt werden

        Dass der Ernst der Lage aber noch nicht bei allen Menschen angekommen ist, zeigte ein Foto vom Münchner Viktualienmarkt am Wochenende, das Moderator Plasberg einblenden ließ. Eng an eng standen die Menschen in der Sonne, plauderten, tranken Wein, hatten Spaß. Ein surreales Bild.

        „Das ist verantwortungslos, das ist genau das, was wir vermeiden wollen“, schimpfte Virologe Jonas Schmidt-Chanasit. Doch mit solchen Zusammenkünften könnte es schon bald vorbei sein. Die Grundrechte gelten zwar, sagte ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam. Sie dürften aber eingeschränkt werden.

        Impfstoff gegen Coronavirus ist noch nicht in Sicht

        Basis sei das Infektionsschutzgesetz. Der Staat könne hart durchgreifen – sofern das Gebot der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe. Drohen also weitere Verbote? Unwahrscheinlich ist das nicht. Am Montagabend verhängte auch Frankreich eine Ausgangssperre für seine Bürger. Und ein Impfstoff, der die Coronakrise abmildern würde, ist nicht in Sicht.

        „Die ersten klinischen Studien beginnen im Sommer und dann werden wir im nächsten Jahr sehen, ob wir den Impfstoff einsetzen können“, sagte Virologe Schmidt-Chanasit. Es könnte sich das bewahrheiten, was die Psychologin Ulrike Scheuermann zu Beginn der Sendung mit dem Satz umriss: „Das Telefon bekommt eine ganz neue Bedeutung“. Dann nämlich, wenn Menschen auch in den nächsten Tagen und Wochen in Kontakt bleiben möchten. Ohne aber vor Ort sein zu können – weil sie es dann nicht mehr dürfen.