Berlin. Bundesweite Ferien, Bundesliga-Spiele ohne Publikum? Bei „Anne Will“ wurde über die richtige Reaktion auf das Coronavirus gestritten.

Bei „Anne Will“ ging es am Sonntagabend um die vielleicht wichtigste Frage der aktuellen Stunde: „Wie berechtigt ist die Angst vor dem Coronavirus?“, wollte die Gastgeberin von ihrer Runde wissen. Ein sehr relevantes, aber zugleich auch schwieriges Thema, schließlich lässt sich die konkrete Gefahr von Covid-19 noch immer nicht so recht abschätzen.

Umso wichtiger war, dass die Runde mit Fachleuten besetzt war. Es diskutierten:

  • die auf Infektionserkrankungen spezialisierte Medizinerin Susanne Herold
  • Ärztin Sibylle Katzenstein
  • Ökonom Marcel Fratzscher
  • Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar
  • NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann

Coronavirus: Macht Deutschland bald Virus-Ferien?

Trotz dieser Kompetenz fand natürlich auch diese Runde keine einhellige Meinung auf die zentrale Frage nach dem richtigen Maß der Sorge. Das zeigte sich exemplarisch an der Diskussion zu deutschlandweiten „Virus-Ferien“ von zwei oder gar mehr Wochen, bei der die Meinungen auseinandergingen.

„Wie berechtigt ist die Angst vor dem Coronavirus?
„Wie berechtigt ist die Angst vor dem Coronavirus?", wollte Anne Will von ihren Gästen am Sonntagabend wissen. (von links) Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Sibylle Katzenstein, Hausärztin und Fachärztin für Allgemeinmedizin und Geriatrie, Karl-Josef Laumann (CDU), Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen, Susanne Herold, Professorin für Infektionserkrankungen der Lunge und Ranga Yogeshwar, Wissenschaftsjournalist und Moderator, diskutierten mit. © NDR/Dietmar Gust | Dietmar Gust

Für eine solche Maßnahme sprach sich etwa Ranga Yogeshwar aus. Dazu verwies der Wissenschaftsjournalist auf das exponentielle Wachstum der Fallzahlen. Wenn es so weitergehe, hätte Deutschland im Mai eine Million Infizierte – und ein überfordertes Gesundheitssystem, warnte Yogeshwar. Ähnlich äußerte sich die Hausärztin Katzenstein: „Es geht um den Schutz der gefährdeten Menschen“, gab sie unter Verweis auf die drastischen Erfahrungen in China und Italien zu bedenken.

Die Spezialistin Susanne Herold dagegen sah den richtigen Zeitpunkt für eine solch weitreichende Maßnahme noch nicht gekommen. Deutlich wurde auch Marcel Fratzscher: „Das hat substanzielle wirtschaftliche Kosten“, warnte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Schließlich gehe es bei dem Ganzen nicht nur um gesundheitliche, sondern auch um ökonomische Gefahren. Wenn etwa der Konsum einbreche, könne das die Wirtschaft nachhaltig treffen – und am Ende der größere Schaden sein, warnte Fratzscher.

Was die große Koalition tun will, um die Wirtschaft vor den Folgen des Coronavirus zu schützen, lesen Sie hier.

Coronavirus: Bundesliga-Spiele ohne Publikum?

Die Krux bei der Sache ist, dass beide Perspektiven durchaus berechtigt sind. Dieses Dilemma betrifft vor allem die Politik, die letztlich über das Maß der Reaktion auf das Coronavirus entscheiden muss.

Dass das seltsame Blüten treiben kann, machte Karl-Josef Laumann deutlich. Am Wochenende noch ließ der Gesundheitsminister von NRW Bundesliga-Begegnungen vor Publikum in seinem Bundesland zu. Das soll nach der Empfehlung von Jens Spahn, auf Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Menschen zu verzichten, ab dem kommenden Spieltag aber wohl nicht mehr der Fall sein. Eine kurzfristige Neu-Bewertung, die zeigt: In Sachen Coronavirus ist alles im Fluss.

Coronavirus: Wie schlimm ist das Ganze nun wirklich?

Eine Ursache dafür ist, dass die Wissenschaft nach wie vor wenig über das Virus weiß. Die Mortalität etwa schwankt je nach Land und Umfeld zwischen unter einem und fünf Prozent. Insgesamt ist sie laut der Expertin Susanne Herold aber höher als bei der Grippe. Dazu gab Herold zu bedenken, dass in Deutschland in der vergangenen Grippesaison etwa 25.000 Menschen starben. „Das hat keiner so richtig mitbekommen.“

Bezüglich der Sterblichkeitsrate beim Coronavirus ist allerdings vieles noch unklar. Warum sterben beispielsweise in Italien so viele Menschen? Das wisse man nicht genau, räumte Herold ein. Ursächlich könnten eine besonders gefährdete Bevölkerung oder bestimmte Schwächen in der Gesundheitsversorgung sein.

Allerdings hatte Herold auch gute Nachrichten. Kinder können sich zwar infizieren, sind aber praktisch gar nicht gefährdet. Auch hat sich das Virus bisher nicht verändert. Zudem besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass einmal Erkrankte zumindest teilweise eine Immunität aufbauen. Und am Ende, so Herold, könne auch der Sommer als Virengegner eine Linderung bringen.

• Kommentar: Das Coronavirus zeigt die Schwächen der Globalisierung

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Das Fazit

Was ist das rechte Maß gegen das Coronavirus in Deutschland? Auf diese zentrale Frage hatte auch die Runde bei „Anne Will“ keine einhellige Antwort. Es wurde allerdings deutlich, dass so langsam die Zeit gekommen ist, auch hierzulande drastischere Vorkehrungen zu ergreifen.

Dabei geht es vor allem darum, die Ausbreitungen zu verlangsamen – und so insbesondere die Gefährdeten, also etwa Ältere und chronisch Erkrankte, zu schützen. Doch es geht auch um psychologische Hygiene: „Wir müssen aufpassen, dass nicht das Virus Angst um sich greift“, gab der CDU-Politiker Laumann zu bedenken. Das könne am Ende mehr Probleme bereiten als das Coronavirus.

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