Los Angeles. Mit dem Comic-Thriller “Joker“, dem Kriegsdrama “1917“, “The Irishman“ und Tarantino gibt es viele männliche Oscar-Favoriten. Das geht auf Kosten von Frauen in Hollywood. Erneut ist keine Regisseurin nominiert.

Das sind die diesjährigen Oscar-Favoriten: der psychisch kranke Batman-Gegenspieler Joker, eine Handvoll Mafiosi um den Gangster "The Irishman", zwei abgehalfterte Schauspieler im Hollywood der 1960er Jahre und zwei junge britische Soldaten in den Schützengräben vom Ersten Weltkrieg.

Diese männerlastigen Themen - mit weißen Schauspielern besetzt - holten am Montag die meisten Oscar-Nominierungen. Dass Frauen vor und hinter der Kamera so wenig berücksichtigt wurden, sorgte sofort für heftige Kritik im Internet.

Mit elf Nominierungen ist die düstere Comic-Charakterstudie "Joker" der große Favorit. Das Werk hat Chancen in der Top-Sparte "Bester Film". Außerdem sind Regisseur Todd Phillips und Hauptdarsteller Joaquin Phoenix (45) nominiert, der für die Rolle stark abnahm und sich ein schrilles Lachen antrainierte. Nach früheren Nominierungen für "Gladiator", "Walk The Line" und "The Master" könnte Phoenix nun endlich seinen ersten Oscar in Empfang nehmen.

Zehn Nominierungen gab es für Martin Scorseses Mafia-Epos "The Irishman". Bei den Golden Globes hatte es für Hollywood-Veteran Scorsese und sein starbesetztes Meisterwerk um Hauptdarsteller Robert De Niro allerdings einen Dämpfer gegeben - das Werk ging völlig leer aus. Ebenfalls zehn Gewinnchancen hat das bildgewaltige Kriegsdrama "1917" des Briten Sam Mendes, der kürzlich die Globes für das beste Drama und als Regisseur holte.

Zehn Oscar-Trophäen winken auch Quentin Tarantinos "Once Upon a Time in Hollywood", eine Ode an das alte Hollywood um einen abgehalfterten Westernstar (Leonardo DiCaprio) und seinen Kumpel und Stuntman (Brad Pitt). DiCaprio könnte nach "The Revenant" einen weiteren Oscar als bester Hauptdarsteller gewinnen, Pitt seinen ersten Schauspiel-Oscar in der Sparte Nebendarsteller.

Die Regie-Kategorie ist wie jüngst bei den Globes und bei den Oscars 2019 wieder reine Männersache. Mit Phillips ("Joker"), Scorsese ("The Irishman"), Mendes ("1917") und Tarantino ("Once Upon a Time in Hollywood") ist der Südkoreaner Bong Joon Ho ("Parasite") im Rennen - obwohl es eine große Auswahl von Regisseurinnen gegeben hätte. So übersah die männerlastige Filmakademie in der Regie-Sparte beispielsweise Greta Gerwig (36) und ihre von Kritikern gelobte Romanverfilmung "Little Women", die immerhin sechs Oscar-Nominierungen holte (darunter "Bester Film" und für die Schauspielerinnen Saoirse Ronan und Florence Pugh).

2018 war Gerwig für ihre Tragikomödie "Lady Bird" als erst fünfte Frau überhaupt für den Regiepreis ins Rennen gegangen. Bislang ist Kathryn Bigelow ("Tödliches Kommando - The Hurt Locker", 2010) die einzige Oscar-prämierte Regisseurin.

Der Streamingriese Netflix hatte es im vorigen Jahr mit dem Schwarz-Weiß-Film "Roma" des Mexikaners Alfonso Cuarón erstmals in die prestigeträchtigen Top-Sparte "Bester Film" geschafft. In diesem Jahr hat Netflix in dieser Kategorie mit "The Irishman" und "Marriage Story" doppelte Chancen.

"Roma" holte 2019 nicht den Spitzenpreis, aber immerhin drei Trophäen, darunter den sogenannten Auslands-Oscar. In der Sparte "Internationaler Film" gilt diesmal das sozialkritische Thriller-Drama "Parasite" aus Südkorea als sicherer Gewinner. Es ist eine kleine Sensation: Das Werk von Regisseur Bong Joon Ho könnte insgesamt sechs Oscars gewinnen, auch als bester Film, für Regie und Drehbuch. "Parasite" hatte im vorigen Jahr auf dem Filmfestival in Cannes als erster südkoreanischer Film die Goldene Palme gewonnen.

Deutsche Hoffnungen auf einen Auslands-Oscar hatten sich schon im Dezember zerschlagen, als "Systemsprenger" von Nora Fingscheidt bei der Vorauswahl auf der Strecke geblieben war. In diesem Jahr hat nur die deutsche Ko-Produktion "The Cave" (deutscher Titel "Die Höhle") Chancen auf einen Oscar als beste Dokumentation. Der aus Syrien stammende Regisseur Feras Fayyad ("Die letzten Männer von Aleppo") folgt darin einem Team von Ärztinnen, die in einem unterirdischen Krankenhaus Kriegsopfer behandeln.

Der Film "führt uns ganz nah an Orte und Menschen heran und macht so Schicksale erlebbar, die für uns sonst hinter Nachrichtenmeldungen verborgen bleiben würden", erklärte SWR-Intendant Kai Gniffke laut einer Mitteilung. Das Werk soll am 1. Juli 2020 in der ARD gesendet werden.

Renée Zellweger kann auf ihre zweite Oscar-Trophäe hoffen. Nach dem Nebendarsteller-Preis für das Drama "Cold Mountain" ist sie nun Favoritin für den Hauptdarstellerinnen-Oscar für ihre Verkörperung der Schauspielerin Judy Garland in dem Film "Judy". Zu den Konkurrentinnen zählen unter anderem Charlize Theron ("Bombshell") und Scarlett Johansson ("Marriage Story"). Johansson war nie zuvor für einen Oscar nominiert gewesen und schaffte es nun auf Anhieb zweifach - auch für ihre Nebenrolle in der Nazi-Satire "Jojo Rabbit".

Zum zweiten Mal in Folge wird der Oscar-Moderator in diesem Jahr fehlen. Bei der Preisgala am 9. Februar werden Stars, Darbietungen und Überraschungen, aber kein Gastgeber mit dabei sein, wie die Filmakademie kürzlich mitteilte.