Essen. Der vorletzte Bremen-„Tatort“ reizt die Grenzen des Genres aus. Wer keine Probleme mit Horror hat, wird diesen Krimi trotzdem mögen.

Auch bei den Frankfurter und Kieler Ermittlerkollegen ging es zuletzt schaurig zu. Aber so schaurig, dass man als Zuschauer angstgetrieben in die Sofalehne griff? Das dann doch nicht. Beim neuen „Tatort“ aus Bremen könnte sich dies nun ändern. Die Episode „Blut“ ist wohl das, was man einen Gruselschocker nennt.

Und zwar nicht nur im übertragenen Sinn oder deswegen, weil die schwer gestörte Nora Harding (grandios: Lilith Stangenberg) eine der kaputtesten Täterinnen in der Geschichte des Krimi-Flaggschiffes ist. Wenn die noch junge Frau auf dem Bildschirm zu sehen ist, dann ist die Mundpartie ihres so unendlich bleichen Gesichtes meist rot besudelt: Sie ist ein selbst ernannter Vampir, der sich bevorzugt vom fließenden Lebenselixier ernährt.

„Tatort“ setzt auch auf Schockeffekte

Was ist da nur los in Bremen? Erst müssen die in ihrem vorletzten Einsatz hart geprüften Kommissare Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) die Leiche einer 21-Jährigen in Augenschein nehmen, deren Kehle völlig zerfetzt ist. Dann finden sie die Freundin der Frau, die sich in der Kanalisation versteckte – und anschließend nur noch das Wort „Vampir“ krächzen kann.

Der Bremer Grusel-„Tatort“ in Bildern

Der Bremer „Tatort: Blut“ lässt seine Zuschauer schaudern. Ein Vampir scheint sein Unwesen zu treiben – zumindest lässt die zerfetzte Kehle der Toten daran glauben.
Der Bremer „Tatort: Blut“ lässt seine Zuschauer schaudern. Ein Vampir scheint sein Unwesen zu treiben – zumindest lässt die zerfetzte Kehle der Toten daran glauben. © Radio Bremen | Christine Schröder
Die Kommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) vermuten allerdings, dass es sich um den Biss eines Hundes handelt.
Die Kommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) vermuten allerdings, dass es sich um den Biss eines Hundes handelt. © Radio Bremen | Christine Schröder
Das Opfer hatte zuvor noch die Polizei alarmiert. Der aufgezeichnete Notruf könnte wichtige Hinweise liefern.
Das Opfer hatte zuvor noch die Polizei alarmiert. Der aufgezeichnete Notruf könnte wichtige Hinweise liefern. © Radio Bremen | Christine Schröder
Unerwarteter Besuch im Präsidium: Professor Syberberg (Stephan Bissmeier, l.) bietet Lürsen und Stedefreund Hilfe an. Er sei Vampirexperte.
Unerwarteter Besuch im Präsidium: Professor Syberberg (Stephan Bissmeier, l.) bietet Lürsen und Stedefreund Hilfe an. Er sei Vampirexperte. © Radio Bremen | Manju Sawhney
Die Obduktion soll klären, ob das Opfer wirklich an den Folgen starker Bissverletzungen gestorben ist.
Die Obduktion soll klären, ob das Opfer wirklich an den Folgen starker Bissverletzungen gestorben ist. © Radio Bremen | Christine Schröder
Anhand der Tonaufnahme des eingegangenen Notrufs versuchen die Hauptkommissare den Tathergang zu rekonstruieren.
Anhand der Tonaufnahme des eingegangenen Notrufs versuchen die Hauptkommissare den Tathergang zu rekonstruieren. © Radio Bremen | Manju Sawhney
Auch eine Zeugin war am Tatort: Anna Welter (Lilly Menke) hat gesehen, wie ihre Freundin starb. Nun steht sie unter Schock.
Auch eine Zeugin war am Tatort: Anna Welter (Lilly Menke) hat gesehen, wie ihre Freundin starb. Nun steht sie unter Schock. © Radio Bremen | Christine Schröder
Nur ein Wort raunt sie Stedefreund zu: „Vampir.“
Nur ein Wort raunt sie Stedefreund zu: „Vampir.“ © Radio Bremen | Christine Schröder und Walter We
Rechtsmediziner Dr. Katzmann (Matthias Brenner) hat schlechte Nachrichten für die Kommissare.
Rechtsmediziner Dr. Katzmann (Matthias Brenner) hat schlechte Nachrichten für die Kommissare. © Radio Bremen | Christine Schröder
Bei einer Verfolgungsjagd wird Stedefreund verletzt.
Bei einer Verfolgungsjagd wird Stedefreund verletzt. © Radio Bremen | Christine Schröder
Hat Nora Harding (Lilith Stangenberg), eine Bekannte des Opfers, mit dessen Tod zu tun?
Hat Nora Harding (Lilith Stangenberg), eine Bekannte des Opfers, mit dessen Tod zu tun? © Radio Bremen | Christine Schröder
Die Kommissare gehen äußerst verschieden mit dem mysteriösen Fall um. Während Lürsen sachlich-nüchtern bleibt, ...
Die Kommissare gehen äußerst verschieden mit dem mysteriösen Fall um. Während Lürsen sachlich-nüchtern bleibt, ... © Radio Bremen | Manju Sawhney
... überkommen den sonst so selbstbewussten Stedefreund irrationale Ängste.
... überkommen den sonst so selbstbewussten Stedefreund irrationale Ängste. © Radio Bremen | Christine Schröder
Ein sonderbares Paar: Wolf Harding (Cornelius Obonya) und seine Tochter Nora leben zurückgezogen und haben kaum Kontakt zu anderen Menschen.
Ein sonderbares Paar: Wolf Harding (Cornelius Obonya) und seine Tochter Nora leben zurückgezogen und haben kaum Kontakt zu anderen Menschen. © Radio Bremen | Christine Schröder
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Stedefreund, der kurz nach dem abermaligen Mord am Tatort ist, wird ebenfalls angezapft: Vampire haben immer Durst. Weit aufgerissene Augen, Schreie, Panik, Todesangst: Man sieht in diesem unkonventionellen Krimi (Regie: Philip Koch, Drehbuch: Holger Joos, Philip Koch), der auf Schockeffekte aus ist, all das, was zu einem konventionellen Genrefilm gehört. Und das ist dann in erster Linie eben doch kein Krimi, sondern ein Horrorfilm.

Dabei verzichtet der Schocker nicht auf gelegentliche ironische Anspielungen. Aber ein Spiel zwischen Wahn und Realität ist er trotz des Kniffes, die vampiristische Gefahr bevorzugt auch in den Albträumen Stedefreunds zu zeigen, nur bis zu einem bestimmten Punkt.

Krimi bekommt gerade rechtzeitig dramaturgisch die Biege

Lürsen, von Postel wieder mal mütterlich dargestellt, ist die Stimme der Vernunft. „Es gibt keine Vampire“, sagt sie zum armen Stedefreund. Da ist der aber längst ziemlich fiebrig unterwegs, der Biss des Schreckensgeschöpfes ist nicht folgenlos geblieben. Stedefreund zweifelt zunehmend an seiner Wahrnehmung. Durchforstet einschlägige Literatur. Holt sich die Expertise eines Vampirkenners. Steht völlig fertig vor dem Spiegel und bekommt Nasenbluten.

"Tatort": Das sind fünf spannende Fakten

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    Ja, die Signalfarbe Rot ist hier allgegenwärtig, auch wenn dieser grandiose „Tatort“, in dem es beinah immer dunkel ist und in dem auch der Soundtrack düster grollt, keineswegs in einen Splattermovie ausartet. Gerade rechtzeitig – Stedefreund denkt längst über den Holzpflock nach, den er der Vampirin ins Herz jagen muss, um sich selbst zu retten – bekommt der Film dramaturgisch die Biege und enthüllt das Schicksal der Frau, die die einsamste ist, die man sich vorstellen kann, und die doch eigentlich nur Gefährten sucht.

    Fazit: Erneut eine „Tatort“-Episode, die die Möglichkeiten des Formats weit ausreizt. Horror muss man mögen, dann hat man Freude an diesem Thriller.

    Sonntag, 28. Oktober, 20.15 Uhr, ARD: „Tatort: Blut“