Berlin. Dominieren die 68er Deutschland? Muss eine Gegenrevolution her? Bei „Hart aber fair“ wurde diskutiert, was von der Bewegung bleibt.
Wenn in diesen Tagen von einer konservativen Revolution die Rede ist, wird als Abgrenzung gerne die
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bemüht. Schließlich habe es diese geschafft, vom Straßenprotest zur treibenden politischen Kraft im Land zu werden, lautet eines der Argumente in konservativen Kreisen. Nun gelte es, die Entwicklung zurückzudrehen.
Doch stimmt diese Erzählung überhaupt? Und was bleibt 50 Jahre nach dem Aufkommen der 68er von der Bewegung? Diese Frage wird in diesem Jubiläumsjahr noch häufiger diskutiert werden. Am Montagabend machte Frank Plasberg bei „Hart aber fair“ den Anfang.
Wie war das damals eigentlich?
Erhellend war dabei, dass die Runde bunt gemischt war. Rainer Langhans etwa berichtete, was die Menschen damals antrieb. „Diese Erfahrung war einfach unglaublich, jenseits dessen, was wir kannten“, beschrieb das Mitglied der legendären Kommune I das Lebensgefühl. Ziel sei es gewesen, in Liebe mit allem zu leben. „Das haben wir wirklich erlebt.“
Zugleich machte Langhans auch deutlich, dass die Bewegung durch die Reibung an der Generation der Eltern entstand. „Für uns war wichtig, dass von den Eltern vererbte Mördergen zu bekämpfen“, sagte er mit Blick auf die Nazizeit. Man habe aber nicht nur Nazi bekämpfen wollen, sondern auch den Nazi in sich selbst – „damit so etwas nie wieder passieren kann“.
Einig im „guten“ Weltbild
Kritischer wurde das in der Runde unter anderem von Dorothee Bär gesehen. „Die 68er sind intolerant“, sagte die CSU-Politikerin. Schließlich würden sie andere Lebensentwürfe nicht tolerieren, etwa wenn eine Frau sich freiwillig entscheide, zu Hause zu bleiben. Ohnehin würden sich die Menschen heute nach Heimat und Familie sehnen, was angesichts der Globalisierung nur verständlich sei.
Jan Fleischhauer kritisierte, dass die 68er sich in ihrer vermeintlich guten Sicht auf die Welt viel zu einig seien. „Da regte sich bei mir der Widerspruchsgeist“, erklärte der Journalist. Auch sei in der Zeit viel Maulheldentum dabei gewesen, etwa wenn es um offen gelebte Sexualität ging.
Die Wirkungsmacht der 68er
Die Kritik brachte die Runde zu der Frage nach der Wirkungsmacht der 68er. „Sie haben auf jeden Fall zu einer Liberalisierung der Gesellschaft geführt“, sagte Berlins früherer Bürgermeister Klaus Wowereit. „Frau Bär dürfte hier sonst gar nicht sitzen, sondern müsste zu Hause den Haushalt machen.“ Und auch die Journalistin Stefanie Lohaus warnte davor, die Bewegung als bloße Popkultur abzutun. Schauspielerin Michaela May sagte: „Es wurden viele Tabus und Verbote gebrochen.“
Die Köpfe der 68er-Bewegung
„Die 68er hat es Null gebraucht, da findet eine Verklärung statt“, befand dagegen Bär. In die Richtung argumentierte auch Fleischhauer, als er beispielsweise darauf hinwies, dass Willy Brandt für den gesellschaftlichen Wandel weitaus wichtiger gewesen sei. Auch dürfe man 16 Jahre Kohl nicht einfach vergessen. Allerdings seien bis heute Schlüsselstellungen in Bildung sowie Kultur und Medien von Alt-68ern besetzt.
Ein interessanter Gedanke ...
... kam von Fleischhauer, der auf die Parallelen zur heute erstarkten Rechten hinwies. „Sie sind heute auch deshalb so erfolgreich, weil sie viel von den 68ern kopieren“, sagte der Journalist. Dies gelte etwa für die Demonstrationen, aber auch für den Wunsch nach „alternativen Medien“ und die Betonung des Volkes.
Der Spruch des Abends ...
... kam von Langhans, der ansonsten auch mal kräftig daneben langte – etwa als er sich über die Vorteile von vermeintlich systeminkompatiblen „autistischen Kindern“ ausließ. Auf die Frage, ob der Marsch durch die Institutionen denn funktioniert habe, verwies das frühere Kommunenmitglied auf Joschka Fischer: Dieser habe nicht wie erhofft die Institutionen geändert, sondern sei selbst verändert worden. „Er ist heute ein dicker Spießer.“ Dieser Wandel sei für die Bewegung sehr lehrreich gewesen.
Das Fazit
Diese Ausgabe von „Hart aber fair“ funktionierte gut. Das lag vor allem an den sehr unterschiedlichen Gästen, die verschiedene Perspektiven auf das Thema ermöglichten. Doch auch die Gesprächsführung blieb angenehm ausgewogen – keine Selbstverständlichkeit am Montagabend im Ersten.
Am Ende überwog dann trotz aller Einsprüche doch die Erkenntnis, dass die 68er dieses Land maßgeblich verändert haben. „Meine Tochter sagt manchmal, dass sie gar nichts mehr hat, gegen das sie auf die Straße gehen könnte“, erklärte die Schauspielerin May. Das sagt doch einiges – auch wenn einem bei genauerem Überlegen doch noch einige Dinge einfallen können.
Diese „Hart aber fair“-Sendung können Sie hier in der Mediathek sehen.