Berlin. In der ARD sprach der Journalist Deniz Yücel erstmals im Fernsehen über die Zeit im türkischen Gefängnis – und watschte die AfD ab.

Der türkische Staatspräsident tobte. Ein Spion, ein deutscher Agent sei er, urteilte Recep Tayyip Erdogan über Deniz Yücel. Ein Jahr lang saß der Türkei-Korrespondent der Tageszeitung „Die Welt“ im Hochsicherheitsgefängnis Silivri Nr. 9 in Istanbul, zehn Monate davon in Isolationshaft – ohne Anklageschrift.

„Ich bin mit meiner Arbeit den richtigen Leuten auf den Zeiger gegangen“, sagte Deniz Yücel in seinem ersten TV-Interview nach der Haftentlassung bei „ttt - titel thesen temperamente“ am Montagabend in der ARD. „Und so soll es auch sein“. Er bereue es jedenfalls nicht, Journalist geworden und in die Türkei gegangen zu sein.

Yücel, dunkles Sakko über dem weißen T-Shirt, wirkte in dem Interview erholt von den Strapazen der Haft. Bis sich aber wieder Normalität eingestellt habe, werde es aber noch eine ganze Weile dauern. Deniz Yücels wichtigste Aussagen:

Die Freilassung

„Meine Freiheit sollte nicht zum Gegenstand von politischen oder wirtschaftlichen Geschäften werden“, so Yücel. Er wollte nicht freigekauft werden. Allerdings konnte er nicht mehr tun, als diesen Willen zu bekunden. Denn: Am Ende sei es eine Entscheidung der türkischen Gerichte gewesen. „Ich hätte nicht sagen können, dass ich im Gefängnis bleiben will, weil es vielleicht doch einen Deal gegeben hat.“

Diese Deutschen waren in türkischer Haft

Der Türkei-Korrespondent der „Welt“, Deniz Yücel, saß seit Ende Februar 2017 in der Türkei in Untersuchungshaft. Nach 367 Tagen wurde er aus türkischer Haft entlassen. Dem deutsch-türkischen Journalisten und Publizisten wurde wie zahlreichen anderen Medienvertretern Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP vorgeworfen. Unter dem nach dem Putschversuch im Sommer 2016 von Staatschef Recep Tayyip Erdogan verhängten Ausnahmezustand gehen die türkischen Behörden rigoros gegen angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung vor. Die gilt in der Türkei als Terrororganisation.
Der Türkei-Korrespondent der „Welt“, Deniz Yücel, saß seit Ende Februar 2017 in der Türkei in Untersuchungshaft. Nach 367 Tagen wurde er aus türkischer Haft entlassen. Dem deutsch-türkischen Journalisten und Publizisten wurde wie zahlreichen anderen Medienvertretern Terrorpropaganda und Mitgliedschaft in der linksextremen MLKP vorgeworfen. Unter dem nach dem Putschversuch im Sommer 2016 von Staatschef Recep Tayyip Erdogan verhängten Ausnahmezustand gehen die türkischen Behörden rigoros gegen angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung vor. Die gilt in der Türkei als Terrororganisation. © dpa | Soeren Stache
Deniz Yücel und seine Frau Dilek Mayatuerk kurz nach der Freilassung aus dem Gefängnis. Die Freilassung Yücels wurde von einem Gericht angeordnet, nachdem die türkische Staatsanwaltschaft die Anklageschrift vorgelegt hatte.
Deniz Yücel und seine Frau Dilek Mayatuerk kurz nach der Freilassung aus dem Gefängnis. Die Freilassung Yücels wurde von einem Gericht angeordnet, nachdem die türkische Staatsanwaltschaft die Anklageschrift vorgelegt hatte. © REUTERS | HANDOUT
#FreeDeniz: Diese Solidaritätsbekundung – aufgedruckt auf einem T-Shirt – forderte die Freilassung Yücels.
#FreeDeniz: Diese Solidaritätsbekundung – aufgedruckt auf einem T-Shirt – forderte die Freilassung Yücels. © picture alliance / Eventpress | dpa Picture-Alliance /
Die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu saß fast acht Monate in der Türkei in Untersuchungshaft. Sie war am 30. April 2017 festgenommen worden, als Polizisten einer Anti-Terror-Einheit ihre Istanbuler Wohnung stürmten. Ihr wird laut Haftbefehl vorgeworfen, Mitglied der Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) zu sein, die in der Türkei als Terrororganisation gilt.
Die deutsche Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu saß fast acht Monate in der Türkei in Untersuchungshaft. Sie war am 30. April 2017 festgenommen worden, als Polizisten einer Anti-Terror-Einheit ihre Istanbuler Wohnung stürmten. Ihr wird laut Haftbefehl vorgeworfen, Mitglied der Marxistisch-Leninistischen Kommunistischen Partei (MLKP) zu sein, die in der Türkei als Terrororganisation gilt. © dpa | Lefteris Pitarakis
Mehr als fünf Monate nach Festnahme der Mutter eines Sohnes startete am 11. Oktober der Prozess. Am 18. Dezember 2017 entschied dann ein Gericht: Tolu darf die U-Haft verlassen, die Türkei aber nicht verlassen. Ende August dann die Erlösung: Tolu darf zurück nach Deutschland. Die Ausgangsperre wurde aufgehoben. Der Prozess werde allerdings weitergeführt.
Mehr als fünf Monate nach Festnahme der Mutter eines Sohnes startete am 11. Oktober der Prozess. Am 18. Dezember 2017 entschied dann ein Gericht: Tolu darf die U-Haft verlassen, die Türkei aber nicht verlassen. Ende August dann die Erlösung: Tolu darf zurück nach Deutschland. Die Ausgangsperre wurde aufgehoben. Der Prozess werde allerdings weitergeführt. © Facebook/Mesale Tolu | Facebook/Mesale Tolu
Ihr ebenfalls wegen Terrorverdacht inhaftierter Ehemann Suat Corlu, der im selben Verfahren angeklagt ist, wurde Ende November 2017 aus türkischer Haft entlassen. Er muss vorerst in der Türkei bleiben.
Ihr ebenfalls wegen Terrorverdacht inhaftierter Ehemann Suat Corlu, der im selben Verfahren angeklagt ist, wurde Ende November 2017 aus türkischer Haft entlassen. Er muss vorerst in der Türkei bleiben. © dpa | Linda Say
Nach mehr als drei Monaten Untersuchungshaft wurde der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner am 25. Oktober 2017 entlassen. Ein Gericht in Istanbul hatte die Freilassung ohne Auflagen beschlossen. Auch die mitangeklagten türkischen Menschenrechtler, die in Untersuchungshaft waren, wurden bis zu einem Urteil in dem Verfahren auf freien Fuß gesetzt, teilweise aber unter Auflagen.
Nach mehr als drei Monaten Untersuchungshaft wurde der Berliner Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner am 25. Oktober 2017 entlassen. Ein Gericht in Istanbul hatte die Freilassung ohne Auflagen beschlossen. Auch die mitangeklagten türkischen Menschenrechtler, die in Untersuchungshaft waren, wurden bis zu einem Urteil in dem Verfahren auf freien Fuß gesetzt, teilweise aber unter Auflagen. © dpa | Emrah Gurel
Steudtners (2 v.r.) schwedischer Kollege, Ali Gharavi (2 v.l.), durfte auch das Hochsicherheitsgefängnis Silivri verlassen. Steudtner sagte vor Journalisten: „Wir sind allen sehr dankbar, die uns rechtlich, diplomatisch und mit Solidarität unterstützt haben.“
Steudtners (2 v.r.) schwedischer Kollege, Ali Gharavi (2 v.l.), durfte auch das Hochsicherheitsgefängnis Silivri verlassen. Steudtner sagte vor Journalisten: „Wir sind allen sehr dankbar, die uns rechtlich, diplomatisch und mit Solidarität unterstützt haben.“ © REUTERS | OSMAN ORSAL
Steudtner war am 5. Juli 2017 bei einem Workshop auf den Istanbuler Prinzeninseln festgenommen worden.
Steudtner war am 5. Juli 2017 bei einem Workshop auf den Istanbuler Prinzeninseln festgenommen worden. © dpa | Privat
Der türkischstämmige Unternehmer Özel Sögüt aus Siegen ist im Dezember 2016 verhaftet worden. Mittlerweile ist er aus dem Gefängnis entlassen worden, darf aber die Türkei nicht verlassen. Ihm wird vorgeworfen, der Gülen-Bewegung anzugehören.
Der türkischstämmige Unternehmer Özel Sögüt aus Siegen ist im Dezember 2016 verhaftet worden. Mittlerweile ist er aus dem Gefängnis entlassen worden, darf aber die Türkei nicht verlassen. Ihm wird vorgeworfen, der Gülen-Bewegung anzugehören. © privat | privat
1/10

Der erste Text aus der Haft

Kontakt nach außen, Schreiben, Stift, Papier waren im Gefängnis verboten. Und so kritzelte Yücel seinen ersten Text in die türkische Ausgabe des „Kleinen Prinzen“, den er von seiner Frau bekommen hatte – mit einem Stift, den er beim Arzt heimlich eingesteckt hat. „Man hört ab und zu die Straßenbahn, sonst keine Geräusche und kein Tageslicht“, notierte Yücel auf freie weiße Flächen.

Die Zeit in der Zelle

Er habe viel gelesen und sich später auch einen Fernseher gekauft. „Im drei mal vier Meter großen Innenhof habe ich Sport getrieben, bin gelaufen, immer im Kreis“, sagte Yücel. Vom Hof aus habe er sich unterhalten können, seinen Zellennachbar, einen Richter, habe er aber nie sehen können. Erst nach zehn Monaten wurde die Isolationshaft gelockert.

Die Bedeutung einer freien Presse

Mit Sorge sprach Yücel von der Situation in Polen und Ungarn. „Wir haben dort auch eine Situation, die vor zehn Jahren unwahrscheinlich war“. Es sei ein schöner Nebeneffekt, wenn seine Verhaftung dazu geführt habe, dass vielen Menschen bewusst geworden sei, wie wichtig es ist, eine freie Presse zu haben.

Über die AfD

Die AfD nannte Yücel wegen früherer Polemiken gegen Thilo Sarrazin in der „taz“ einen Hassprediger. „Das ist grotesk“, konterte der Journalist. Auch wenn Abgeordnete anderer Parteien – von der Linken bis zur CSU – mit dem Text nicht einverstanden gewesen seien, ehre es sie, „dass sie dieser Provokation nicht auf den Leim gegangen sind“.

Seinen Prozess im Juni

Ob Yücel vielleicht selbst darüber berichten werde, ließ er offen. „Ich will wieder in meinem Beruf arbeiten, aber das kann etwas dauern.“ Dass er sich freiwillig auf die Gerichtsbank setzen wird, ist unwahrscheinlich. Ihm drohen 15 Jahre Haft.