Gelsenkirchen. Schalkes Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies tritt von all seinen Ämtern zurück. Sein Nachfolger ist der bisherige Stellvertreter Jens Buchta.

Eine Ära geht beim Fußball-Bundesligisten FC Schalke 04 zu Ende: Nach 19 Jahren an der Spitze des Aufsichtsrats tritt Clemens Tönnies (64) zurück. Das bestätigte der Klub am Dienstagmittag. Seit 1994 gehörte Tönnies dem Gremium an. "CT", wie er im Klub genannt wird, legte nicht nur das Amt des Vorsitzenden nieder, sondern verlässt das Gremium ganz. Am Dienstagmittag hatte sich der elfköpfige Aufsichtsrat per Videokonferenz getagt. Zu Tönnies' Nachfolger wurde dessen bisheriger Stellvertreter Jens Buchta gewählt, der dem Gremium seit 2006 angehört.

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Den Rücktritt begründete Tönnies mit der Krise seines Unternehmens: „Meine Hauptaufgabe ist es, mich aktuell voll und ganz auf mein Unternehmen zu konzentrieren, es erfolgreich durch die schwerste Krise seiner Geschichte zu führen“, schrieb er am Dienstag in seinem Rücktrittsschreiben, das dieser Redaktion vorliegt. An die Gremien des Fußball-Bundesligisten schrieb er weiter, dass ihm die Entscheidung „nach so vielen Jahren sehr schwergefallen“ sei.

Corona-Krise in Tönnies' Unternehmen

Tönnies war seit 1994 Mitglied des Aufsichtsrats und seit 2001 dessen Vorsitzender. „Mir war es vergönnt, sehr viele schöne Momente und gute Zeiten mit und auf Schalke verleben zu dürfen.“ Damit war es zuletzt aber vorbei. Im Fleisch-Betrieb von Tönnies in Rheda-Wiedenbrück war es zu einem Corona-Ausbruch gekommen. Der 64-Jährige stand nicht erst seitdem auf Schalke stark in der Kritik. Auch der Bundesligist steckt finanziell und sportlich in der Krise. „Das Konzept zur zukunftsorientierten Neuaufstellung des FC Schalke 04 ist ausgearbeitet und geschrieben; es wartet auf seine Umsetzung“, schrieb Tönnies weiter.

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Die Vorstände Alexander Jobst und Jochen Schneider äußerten sich in einer Pressemitteilung: „Clemens Tönnies hat ganz entscheidenden Anteil daran, dass sich der FC Schalke 04 in den vergangenen 26 Jahren als eines der sportlichen und wirtschaftlichen Schwergewichte in der Bundesliga etabliert hat. Sein internationales Netzwerk, sein ausgeprägter Unternehmergeist und sein leidenschaftliches Engagement haben unseren Verein in besonderer Weise geformt. Clemens Tönnies stand für uns im Vorstand jederzeit als wertvoller Ratgeber und Ansprechpartner zur Verfügung. Wir wissen, wie schwer ihm diese Entscheidung gefallen ist, daher gebührt ihr unser höchster Respekt.“

Aus dem Aufsichtsrat äußerte sich Buchta: „Wir als Aufsichtsrat bedauern die Entscheidung sehr. Er hat das Gremium als Vorsitzender in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mit seiner Mischung aus Bodenständigkeit und Dynamik geprägt, immer wieder war er der Motor, der wegweisende Prozesse angestoßen und federführend begleitet hat. Er wird mit seiner Erfahrung und Expertise schwer zu ersetzen sein.“

Schalke in Tönnies' Amtszeit zehn Mal in der Champions League

26 Jahre lang gehörte Tönnies zum Aufsichtsrat. In dieser Zeit holte Schalke dreimal den DFB-Pokal (2001, 2002, 2011) und einmal den Uefa-Cup (1997). Zehnmal qualifizierte sich Schalke für die Champions League und stellte regelmäßig Umsatz-Rekorde auf. Tönnies selbst fädelte etliche Deals mit Sponsoren ein, war das Gesicht des Klubs. An Tönnies' Amtsführung gab es aber auch stets viel Kritik. Als Hauptsponsor gewann er den umstrittenen russischen Konzern Gazprom. In den Gremien des Klubs sitzen überwiegend Tönnies-Freunde. Der Schuldenstand beträgt 197 Millionen Euro, das Image des Vereins hat zuletzt schwer gelitten. Etliche Personal-Entscheidungen erwiesen sich in als falsch. In der Bundesliga spielte Schalke zuletzt rekordverdächtig schlecht und blieb 16-mal in Folge sieglos. Konkurrenten wie Bayern München, Borussia Dortmund und RB Leipzig sind erst einmal enteilt, weitere Qualifikationen für die Champions League unwahrscheinlich geworden.

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Unter den vielen Mitgliedern und Fans des FC Schalke 04 nahm die Kritik zuletzt ebenfalls zu - am Samstag hatten etwa 1000 Schalker gegen die Vereinspolitik demonstriert, während die Mannschaft beim SC Freiburg mit 0:4 (0:2) unterging. Sie warfen Tönnies vor, er werde für den Klub zunehmend zur Belastung. Zudem stehen sie der von Tönnies angestoßenen Ausgliederung der Profiabteilung kritisch gegenüber. Schon 2019 war die Kritik an Tönnies groß, nachdem er sich rassistisch geäußert und vom Ehrenrat eine milde Strafe erhalten hatte. Tönnies ließ sein Amt für drei Monate ruhen.

Auch außerhalb des Vereins steht der Fleisch-Unternehmer aus Rheda-Wiedenbrück aktuell schwer unter Druck, nachdem es in seiner Firma mehr als 1500 Corona-Fälle gegeben hatte - viele davon unter Leiharbeitern aus dem osteuropäischen Raum, die oft unter fragwürdigen Bedingungen auf engem Raum zusammenleben. Durch diesen Skandal kam es zu erneuten Lockdown-Maßnahmen in den Kreisen Gütersloh und Warendorf. Es gibt aus der Politik Forderungen, Tönnies müsse für den entstandenen Schaden aufkommen.

Auf Schalke hat er Konsequenzen gezogen: Er räumte seinen Stuhl.