Berlin. Die Anhebung der Leitzinsen ist ein entscheidender Moment auf unserem Weg hin zu niedrigerer Inflation, schreibt EZB-Chefin Lagarde.

Die Inflation ist zu hoch. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat die Energiekosten und die Preise für Agrarprodukte in die Höhe getrieben. Der pandemiebedingte Mangel an Material, Ausrüstung und Arbeitskräften lässt die Preise ebenfalls steigen. Das schadet den Menschen und Unternehmen im gesamten Euroraum, vor allem Haushalten mit niedrigen Einkommen.

Diese Inflation ist zu einem großen Teil auf Faktoren zurückzuführen, die Zentralbanken nicht kontrollieren können. Wir können jedoch dafür sorgen, dass die Inflation nicht dauerhaft hoch bleibt. Dazu könnte es kommen, wenn Preissteigerungen in der Wirtschaft auf breiter Front eintreten und die Menschen höhere Inflation auch für die Zukunft befürchten. Dann könnte es zu der Art von Lohn-Preis-Spirale kommen, die in der Vergangenheit dazu geführt hat, dass die Inflation außer Kontrolle geraten ist.

EZB hebt den Leitzins um einen halben Prozentpunkt an

Aus diesem Grund haben meine Kolleginnen und Kollegen und ich auf der Sitzung des EZB-Rats am Donnerstag beschlossen, die Leitzinsen für den Euroraum um 0,5 Prozentpunkte anzuheben und damit die achtjährige Phase negativer Zinssätze zu beenden. Wir sind in der Entschlossenheit vereint, die Inflation mittelfristig wieder auf unseren Zielwert von zwei Prozent zurückzubringen.

Die EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat die Finanzwelt mit der überraschend starken Zinserhöhung überrascht.
Die EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat die Finanzwelt mit der überraschend starken Zinserhöhung überrascht. © dpa | Boris Roessler

Das war die erste Zinserhöhung in elf Jahren. Tatsächlich ist es aber nur der jüngste Schritt auf unserem Weg, die besonderen Maßnahmen wieder zurückzunehmen, die wir zur Bekämpfung einer Reihe von Krisen ergreifen mussten. Wir haben diesen Weg letzten Dezember eingeschlagen, als wir angekündigt haben, unser Pandemie-Notfallprogramm zum Ankauf von Anleihen einzustellen.

Dieses Programm hat dem Euroraum dabei geholfen, die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Krise zu bewältigen. Letzten Monat haben wir ein anderes Programm zum Ankauf von Anleihen aus dem Jahr 2015 beendet. Damals war der Euroraum der Gefahr einer Deflation ausgesetzt. Eine Deflation kann der Wirtschaft genauso schaden wie hohe Inflation.

Die Inflation wird zum Zwei-Prozent-Ziel zurückkehren

Mit unseren Maßnahmen senden wir eine klare Botschaft an Unternehmen, Beschäftigte sowie Anlegerinnen und Anleger: Die Inflation wird mittelfristig wieder auf unseren Zielwert von zwei Prozent zurückkehren. Die Maßnahmen wirken sich auch bereits auf die Zinssätze im gesamten Euroraum aus. Das wird dazu beitragen, die Wirtschaft auf einen Kurs zu bringen, der uns zurück zu stabilen Preisen führt.

Wir werden die Leitzinsen so lange anheben, wie es erforderlich ist, um die Inflation auf unseren Zielwert zurückzuführen. Uns ist bewusst, dass in Europa große Unsicherheit herrscht, nicht zuletzt wegen des Kriegs und der Energiepreise. Der EZB-Rat wird beobachten, wie sich die Wirtschaft entwickelt und auf die zahlreichen externen und internen Herausforderungen reagiert, und dann die Lage überprüfen und nach Maßgabe der neu verfügbaren Daten über das richtige Tempo für unsere nächsten Schritte entscheiden.

Die geldpolitische Transmission muss im gesamten Euroraum geregelt ablaufen

Wir machen Geldpolitik in einer Währungsunion von 19 – bald 20 – Ländern. Folglich wirkt unsere Geldpolitik über 19 verschiedene Finanzmärkte auf die privaten Haushalte und Unternehmen. Um der hohen Inflation im gesamten Euroraum entgegenzuwirken, müssen wir für eine geregelte geldpolitische Transmission in allen Ländern des Euroraums sorgen. Aus diesem Grund haben wir auch ein neues Instrument entwickelt, das sogenannte Instrument zur Absicherung der Transmission (Transmission Protection Instrument – TPI). Es wird die Einheitlichkeit unserer Geldpolitik wahren und so dazu beitragen, dass die Preise auf mittlere Sicht stabil bleiben.

Der Euro verbindet 340 Millionen Menschen. Er ist und bleibt eine stabile Währung. Dazu haben wir uns verpflichtet. Das ist unser Auftrag, und wir werden ihn erfüllen.

Dieser Artikel erschien zuerst bei www.waz.de.