Berlin. Mehr als 80 Prozent der Menschen werden in Deutschland „familiär“ gepflegt. Verein fordert „flächendeckende Kinderpflegestützpunkte“.

Pflegende Eltern von Kindern mit einer Behinderung sind noch immer in der Berufswelt benachteiligt. „Für viele Eltern ist die Realität nach wie vor geprägt von mangelhafter Vereinbarkeit von Beruf und Care-Arbeit, der Benachteiligung von Frauen beim Wiedereinstieg, der niedrigeren Bezahlung und der daraus resultierenden Gefahr von Armut“, heißt es in einem Positionspapier des Bundesverbandes „wir pflegen e.V.“, die Interessenvertretung pflegender Angehöriger in Deutschland, das unserer Redaktion vorliegt.

Die anhaltende Corona-Pandemie habe „die ohnehin prekäre Situation pflegender Eltern dramatisch verschärft“, hob die Organisation hervor. Nach Angaben des Bundesverbandes werden mehr als 80 Prozent aller pflegebedürftigen Menschen „familiär versorgt“, mit einer „durchschnittlichen Pflegeleistung von 63 Stunden pro Woche“. Bundesweit gibt es demnach rund fünf Millionen pflegende Angehörige.

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Fachkräftemangel: Viele Familien müssen einspringen, weil Pflegekräfte fehlen

Die meisten Familien würden ihre Kinder mit Behinderungen „ohne professionelle Unterstützung“ pflegen, beklagte der Verein „wir pflegen e.V.“ nun. „Bei den wenigen, die Intensivpflege verordnet bekommen, fallen – aufgrund des Pflegenotstands – mehrere Schichten bis ganze Tage in der Versorgung aus, die von den Familien mit übernommen werden müssen“, beklagt der Bundesverband in dem Papier.

Die „wenigen Kinderkrankentage“ würden für die Eltern nicht ausreichen nicht, um Ausfälle abzudecken. „Zudem sind zusätzliche Schichten mit Gehaltseinbußen sowie der Gefährdung des Arbeitsplatzes verbunden.“ Laut dem Verband „wir pflegen e.V.“ führt die „ständige Überlastung“ bei Eltern „zu eigenen gesundheitlichen Problemen“. So seien etwa Mütter mit größeren und älteren Kindern häufig von Arthrose und weiteren Erkrankungen betroffen.

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Lobby-Verein für pflegende Eltern fordert „flächendeckende Kinderpflegestützpunkte“

Der Bundesverband forderte in dem Positionspapier „Wahlmöglichkeit und Option der formellen Anstellung als Pflegekräfte mit Recht auf Auszeiten und bezahlten Urlaub“ für pflegende Angehörige. Dies sei in anderen europäischen Ländern bereits politisch umgesetzt und entlaste die Familien, die Menschen mit schweren Behinderungen zuhause pflegen müssen. „Pflegende Angehörige leisten unverzichtbare Care-Arbeit und dürfen nicht in Harz IV fallen oder Bürgergeld beziehen.“

Zudem forderte der Verein „flächendeckende, spezielle Kinderpflegestützpunkte“ zur Hilfe für pflegende Eltern, so wie die Einrichtungen etwa im Bereich der Seniorenpflege schon existieren würden. Des Weiteren sei ein Ausbau der Tages- und Nachtpflege notwendig. Hilfe für alleinpflegende Eltern müssten „tagsüber und auch nachts gewährt werden“, damit eine Berufstätigkeit und eine Entlastung der pflegenden Eltern möglich seien, heißt es in dem Positionspapier des Bundesverbandes.

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