Berlin. Die Omikron-Welle rollt an: Deutschland kämpft auch im dritten Corona-jahr mit Engpässen. Das rächt sich jetzt, meint Julia Emmrich.

Testen, testen, testen. Das ist das Mantra in der Pandemie. Es war zwischendurch mal etwas leiser geworden, weil das andere Mantra („Impfen, impfen, impfen“) alles übertönte. Doch spätestens seit klar ist, dass selbst dreifach Geimpfte sich infizieren und das Virus weiterverbreiten können, setzt die Politik wieder intensiv auf Tests.

Erstens: Aus 2G wird jetzt immer öfter 2G plus als Eintrittsvoraussetzung. Weil Impfen plus Testen sicherer ist als Impfen allein. Zweitens: Wenn Omikron zu einem gigantischen Anstieg der Infektionszahlen führt, werden Tests zum wichtigsten Instrument, um das öffentliche Leben aufrechtzuerhalten.

Wer in Quarantäne muss, soll die Zeit durch einen negativen Test auf sieben Tage verkürzen können. Das wird zig Millionen betreffen – nicht nur die zahlreichen Infizierten, sondern vor allem auch die Heerschar ihrer Kontaktpersonen.

Corona-Tests: Es mangelt an Angebot und Qualität

So weit, so plausibel. In der Realität aber ist die Sache trügerisch. Weil es in Deutschland auch zu Beginn des dritten Pandemiejahres immer noch zu wenig sichere Tests gibt. Mit anderen Worten: Eines der am höchsten entwickelten Industrieländer der Welt ist auch nach zwei Jahren Pandemie nicht in der Lage, flächendeckend hochwertige, maximal zuverlässige Schnelltests in Geschäften und Teststationen anzubieten.

Und wer glaubt, mit den aktuell vorhandenen 2,4 Millionen laborgestützten PCR-Tests pro Woche durch die Omikron-Welle zu kommen, muss nur mal nach Israel schauen. Dort bricht gerade die Test-Infrastruktur zusammen, mit langen Schlangen vor den Testzentren und veralteten Testergebnissen.

Julia Emmrich, Politik-Korrespondentin.
Julia Emmrich, Politik-Korrespondentin. © Anja Bleyl | Anja Bleyl

Das deutsche Gesundheitsministerium hält angesichts der Omikron-Welle längst auch hierzulande Engpässe bei den Tests für möglich. Bei sehr hohen Fallzahlen werde man gegebenenfalls dazu übergehen müssen, Diagnosen auf Basis von Symptomen und Schnelltests zu stellen, also auf eine PCR-Diagnostik bei bestimmten Personengruppen zu verzichten, heißt es dort. Vor allem die Schnelltests aber schaffen oft eine trügerische Sicherheit.

Das Wirrwarr mit den Schnelltest-Ergebnissen – Hersteller zertifizieren sich selbst

Nach dem Jahreswechsel drehten sich gefühlt neun von zehn Gesprächen um Irrungen und Wirrungen, die Freunde und Kollegen in den vergangenen Tagen erlebt hatten, wenn sie Corona-Tests machen mussten. Um Bekannte oder Verwandte zu treffen oder um einfach ein gutes Gefühl zu haben. Es sind Geschichten von fälschlicher Entwarnung und von zermürbendem Fehlalarm, von falsch positiven und falsch negativen Ergebnissen.

Ob Schnelltests anschlagen, hängt von der korrekten Durchführung ab, vom aktuellen Stadium der Infektion, aber auch von der Qualität des Produkts. Das für die Arzneimittelsicherheit zuständige Paul-Ehrlich-Institut hat vor einigen Wochen 122 Corona-Antigen-Schnelltests untersucht. Die Qualität der Tests war sehr unterschiedlich. 96 Antigen-Schnelltests erfüllten die geforderten Kriterien, teilweise mit sehr guten Ergebnissen, 26 Tests dagegen boten nicht die geforderte Sensitivität.

Grundsätzlich, das legen die jüngsten Studien dazu nahe, sind die meisten gängigen Corona-Schnelltests aber immerhin in der Lage, auch die Omikron-Variante von Sars-CoV-2 zu erkennen.

Das Hauptproblem bei den Schnelltests ist die Zertifizierung: Aktuell dürfen sich Hersteller von Schnelltests selbst zertifizieren, können also auf eine unabhängige Überprüfung der Tests verzichten, bevor sie sie auf den Markt bringen. Ursprünglich sollte sich das ab Mai 2022 ändern. Ob es dazu kommt, ist derzeit ungewiss. Zwei Jahre nach Beginn der Pandemie, nach Maskendebakel und Impfstoffmangel, hat Deutschland also immer noch ein Materialproblem. Was für eine bittere Bilanz.