Es wäre nicht vermittelbar, sämtliche Repräsentationsämter mit Männern zu besetzen.

Wieder ein Mann – das wäre keine tadellose Lösung. Mit Bärbel Bas nominiert die SPD eine erfahrene Parlamentarierin und eine Bilderbuch-Sozialdemokratin für das Amt der Bundestagspräsidentin. Es ist das richtige Signal. Es ist zum einen eine Frage der innerstaatlichen Balance, weil fast alle anderen führenden Repräsentanten Männer sind, und zum anderen der Glaubwürdigkeit. Es genügt nicht, Gleichberechtigung einzufordern. Sie muss auch eingelöst werden können.

Die Ironie der Vorentscheidung in den SPD-Reihen ist, dass ein Mann wie Rolf Mützenich auf ein repräsentatives Amt verzichtet, um mehr denn je schalten und walten zu können – als Chef der größten Regierungsfraktion. Eigentlich wäre es andersherum spannender gewesen: das Abklingbecken für einen Mann und die Machtposition für eine Frau.

Bärbel Bas: Ihre Biografie nötigt einem Respekt ab

Parlamentsneulinge entließ der legendäre SPD-Fraktionschef Herbert Wehner schon mal mit dem Satz in den Bundestagsalltag: „Pass auf, dass du nicht austrocknest.“ In die Gefahr geriet Bas nie. Sie hat immer an sich gearbeitet. Ihre Biografie nötigt einem Respekt ab: Erweiterter Hauptschulabschluss, Bürogehilfin, Sachbearbeiterin, Krankenkassenbetriebswirtin, Personalmanagement-Ökonomin, Betriebsrätin. Politik hat sie von der Pike auf gelernt, erst die Kommunalpolitik, dann der Sprung in den Bundestag. Wie die erste Parlamentspräsidentin Annemarie Renger in den 1970er-Jahren war Bas mal Fraktionsgeschäftsführerin. Da wird keine unbedarfte Abgeordnete ins Rampenlicht gestellt.

Zuletzt hatten die Deutschen Glück mit ihren Parlamentspräsidenten. Rita Süssmuth, Wolfgang Thierse, Norbert Lammert und Wolfgang Schäuble strahlten eine natürliche Autorität aus und waren rhetorisch großes Kaliber – nicht unwichtig in einem Amt, in dem die Macht des Wortes ausschlaggebend ist. Bas ist im Vergleich ein unbeschriebenes Blatt. Eine praktische Aufgabe wird für sie darin bestehen, die Parteien zu einer Reform des Wahlrechts zu bewegen.

Aydan Özoguz soll Vizepräsidentin werden

Der Lebensweg der Duisburgerin ist geradezu klischeehaft sozialdemokratisch: Aufstieg durch Bildung. Es ist gut zu wissen, dass demnächst eine Frau an der Spitze des Hohen Hauses steht, die wahrscheinlich noch eine Ahnung von der Arbeitswelt und vom Leben der kleinen Leute hat. Das ist längst nicht der Normalfall, ein anderer Karriereablauf macht unter Volksvertretern Schule: Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal. Würde sie nicht Parlamentspräsidentin werden, wäre die Sachpolitikerin auch als Gesundheitsministerin in Betracht gekommen. Insofern werden mit dem Votum für Bas die Aktien des umtriebigen Karl Lauterbach steigen. Ein Signal ist, dass mit Aydan Özoguz eine Abgeordnete mit Migrationshintergrund Vizepräsidentin werden soll. Vor ein paar Jahren wäre das politisch exotisch gewesen. Schaut man sich das Parlament heute an, fallen einem viele Volksvertreter mit Migrationshintergrund auf.

Mützenich wäre ein guter Bundestagspräsident geworden. Menschlich hätte man verstanden, wenn einer seine lange Karriere ausklingen lässt. Nur wäre es das falsche Signal gewesen. Es passt zu Mützenich, dass er sich am Ende zurückgenommen und einen Konsens herbeigeführt hat. Man hätte sich über diesen Posten leicht zersägen können; was man in der Union beobachten kann, wo CDU und CSU hinter den Kulissen um das Vizeamt und mehrere Kandidaten um den Posten streiten.

Es stellt sich die Frage, ob die Vorentscheidung der SPD für andere stilbildend – in der Herangehensweise wie im Ergebnis – sein wird: Bei der weiteren Wahl des Parlamentspräsidiums und bei der Kabinettsbildung. Die Hälfte der Macht für die Frauen – das wäre nur fair.