Düsseldorf. Hendrik Wüst soll der neue starke Mann in Düsseldorf werden. Es ist eine überraschende Karrierewendung – auch dank Armin Laschet.

Sein Büro im zehnten Stock des gläsernen Düsseldorfer „Stadttors“ ist für Hendrik Wüst eine tägliche Mahnung, wie schnell es in der Politik auf und ab gehen kann. Dort, wo der nordrhein-westfälische Verkehrsminister heute seinen Schreibtisch-Blick auf den Rhein genießt und vielleicht mehr noch die hervorragende Aussicht auf die Nachfolge von Armin Laschet als neuer starker Mann der NRW-CDU, wurde seine Karriere eigentlich schon vor über elf Jahren jäh beendet.

Damals residierte hier oben noch die Staatskanzlei von Ex-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, und ein wundgescheuerter Wüst musste in diesem Raum um seinen Rücktritt bitten. Als junger CDU-Generalsekretär übernahm er die Verantwortung für die bundesweit beachtete „Sponsoren-Affäre“ um angebliche gekaufte Rüttgers-Gesprächstermine.

Wüst schien politisch erledigt. Mit gerade einmal 35 Jahren. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass er im Herbst 2021 einmal zum Ministerpräsidenten und Chef des größten CDU-Landesverbandes aufsteigen könnte. Doch danach sieht es nun aus. Laschet hat frühzeitig klargestellt, dass er unabhängig vom Ergebnis der Bundestagswahl in Berlin bleiben werde. Einen geborenen Nachfolger in Düsseldorf gibt es nicht.

Hendrik Wüst: Vom Krawallo zum Organisationstalent

Wüst profitiert davon, dass er mit heute 46 Jahren noch vergleichsweise jung ist, als Verkehrsminister viel Geld verbauen ließ, den CDU-Wirtschaftsflügel im Land führt und über ein Landtagsmandat verfügt. Wegen einer Besonderheit in der NRW-Verfassung ist die Parlamentsmitgliedschaft Voraussetzung für die Wahl zum Ministerpräsidenten.

Es wäre eine bemerkenswerte Karrierewendung. Wüst war nie ein Partei-Darling. Lange galt der Anwalt aus dem Münsterland sogar als ausgemachter Krawallo. In jungen Jahren war er Rüttgers’ Mann fürs Grobe und gehörte neben einem gewissen Markus Söder zur Garde konservativer Nachwuchshoffnungen. Und jetzt ein Kronprinz? Lesen Sie hier: Berlin oder Düsseldorf: Tappt Laschet in die „Röttgen-Falle“?

Wenn einer mit 15 die Junge Union Rhede gründet, mit 20 Stadtverordneter wird, mit 30 Landtagsabgeordneter und mit 31 Generalsekretär des größten CDU-Landesverbandes, ist ein Platz in der Klischeekiste schnell reserviert. Zumal Wüst passionierter Jäger ist, früher Barbour-Jacken trug und ein wenig aussieht wie Dr. Udo Brömme, die legendäre Karikatur eines CDU-Abgeordneten aus der „Harald-Schmidt-Show“.

Mit den Jahren hat sich Wüst jedoch eine angenehme Selbstironie zugelegt. Wenn er mit Helm durchs Düsseldorfer Regierungsviertel radelt, sagt er schon mal beschwörend: „Sieht vielleicht bescheuert aus, ist aber sicherer.“

Der Druck auf Laschet steigt

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    Selbst Parteifreunde loben Fleiß und Organisationstalent. „Wüst ist unheimlich gereift und hockt schon lange nicht mehr im ideologischen Schützengraben“, sagt einer, der ihn lange kennt. Zu Wüsts Neuerfindung hat maßgeblich Armin Laschet beigetragen, der ihn 2017 in sein Kabinett berief.

    Wenn man in einem Theaterstück zwei maximal gegensätzliche Politikertypen besetzen müsste, würde man Laschet und Wüst nehmen. Der eine leutselig-liberaler Rheinländer mit Hang zum Ungefähren, der andere westfälischer Aktenfresser mit dem Talent zu klarer Kante.

    Bevor die Perspektive als Landesvater greifbarer wurde, ist Wüst im März zum ersten Mal richtiger Vater geworden. Er spreche inzwischen deutlich häufiger über durchwachte Nächte mit Töchterchen Pippa als über politische Karrierepläne, wird CDU-intern berichtet. Es klingt nicht so, als wäre das eine schlechte Entwicklung.