Jerusalem. Die Corona-Infektionen in Israel steigen rasant. Die Regierung appelliert: Haltet euch an die Regeln, sonst droht ein neuer Lockdown.
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Ein junger Mann steht am Eingang zur Krankenkassenklinik und macht seinen Job. Der besteht darin, immer denselben Satz zu wiederholen: „Heute Nachmittag gibt es hier nur Impfungen, sonst nichts.“ Die meisten Jüngeren drehen gleich wieder um, nur eine ältere Frau betritt das Gebäude im Zentrum Jerusalems, um sich ihre dritte Impfung zu holen. Plötzlich hält sie inne. „Junger Mann“, sagt sie, „die Maske müssen Sie schon über Nase und Mund tragen, nicht nur am Kinn.“
Er geht wieder los in Israel, der tägliche Corona-Kampf zwischen Besorgten und Sorglosen. Dabei wird es immer schwieriger, den Ernst der Lage zu leugnen. Das Virus breitet sich mit hohem Tempo aus. Am Montag waren mehr als 6000 Neuinfektionen registriert. In den israelischen Krankenhäusern wurden 394 schwer kranke Covid-19-Patienten behandelt. Der Zustand von 87 von ihnen wurde als kritisch eingestuft. Die Sieben-Tage-Inzidenz sprang in Israel am Mittwoch auf 320, nachdem sie bereits am Vortag die 300er-Grenze überschritten hatte.
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Israel – hat das bisherige Vorzeigeland bald Rekord-Fallzahlen?
Schnelle Ausbreitung, viele schwere Fälle – man muss kein Mathematikgenie sein, um zu wissen, was das in naher Zukunft für die Kliniken bedeutet. Wenn man nicht sofort gegensteuere, warnte Experte Ran Balicer kürzlich, dann werde Israel „bald das Land mit der höchsten Pro-Kopf-Fallzahl der Welt sein“.
In kürzester Zeit hat sich Israel vom Vorzeigeland zum Sorgenkind entwickelt. Vieles deutet darauf hin, dass das eine mit dem anderen zusammenhängt. Israel war nicht nur früh dran mit seiner Impfkampagne, sondern auch schnell mit der Durchimpfung seiner älteren Einwohner fertig. Bereits im März waren mehr als 90 Prozent der über 70-Jährigen geimpft.
Die Alten werden seit Anfang August zum dritten Mal geimpft
Seither sind fünf Monate vergangen. Der Impfschutz lässt nach – ausgerechnet bei jenen, die ihn besonders benötigen. Es sind Menschen über 60 Jahre, Personen mit Vorerkrankungen. Sie werden seit 1. August ein drittes Mal geimpft. Am Dienstag hatten sich mehr als 570.000 Israelis diese Booster-Spritze abgeholt.
Bis diese Auffrischungen den vollen Schutz bieten, wird sich das Virus weiter ausbreiten. Ältere Menschen ohne Impfschutz haben ein fünffach höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf als Gleichaltrige ohne Impfung, das belegen jüngste Statistiken des israelischen Gesundheitsministeriums. Lesen Sie dazu: Dritte Impfung gegen Corona: Wann kommt sie in Deutschland?
Ex-Premier Netanjahu feierte schon den „Sieg über Corona“
Von einem „Sieg über Corona“ hatte Ex-Premierminister Benjamin Netanjahu im Frühjahr gesprochen, obwohl Epidemiologen gewarnt hatten, dass die Pandemie nicht vorüber sei. Das Gefühl, dass die Zeit des Maskentragens und Abstandhaltens vorüber ist, scheint sich bei vielen festgesetzt zu haben: In öffentlichen Innenräumen herrscht zwar Maskenpflicht, doch wird sie oft nicht eingehalten.
Die Regierung richtet sich nun mit Appellen an die Bevölkerung: Noch sei es möglich, einen neuen Lockdown zu vermeiden, wenn alle sich an die Regeln halten.
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Geht Israel Anfang September in einen neuen Lockdown?
Ein Lockdown könnte Anfang September kommen. Dann beginnt das jüdische Neujahrsfest und läutet eine Serie an hohen Feiertagen ein. Auch interessant: Studie: Schützt Moderna bei Delta besser als Biontech?
Es könnte ein rund drei Wochen andauernder bunter Reigen an Superspreader-Events werden: Familien besuchen einander, Gläubige versammeln sich in den Synagogen, Angehörige reisen aus dem Ausland ein. Sie müssen dann zwar in Quarantäne, aber nicht alle halten sich daran. „Wir können nicht in jedes Haus einen Polizisten schicken“, sagte Gesundheitsminister Nitzan Horowitz.
Die Schulen sollen unter allen Umständen geöffnet bleiben
Eines will die Regierung aus den früheren Wellen gelernt haben: dass es der Allgemeinheit wenig bringt, den Schülern aber umso mehr schadet, wenn man die Schulen schließt. Seit Anfang dieser Woche gehen die ultraorthodoxen Mädchen und Jungen wieder in die religiösen Bildungsstätten. An diesen rund 250.000 Kindern will die Regierung nun ein neues System ausprobieren, das dann beim allgemeinen Schulstart am 1. September auf alle übrigen Schüler ausgeweitet werden soll: das Konzept der „grünen Klasse“. Lesen Sie mehr: Corona-Impfungen: Streit zwischen Lehrern und Eltern droht
Es sieht vor, dass zum Ferienende alle Kinder getestet werden. Treten während des Schuljahres Krankheitsfälle auf, soll nicht automatisch die ganze Klasse in Quarantäne geschickt werden, sondern nur jenes Kind, das sich infiziert hat. Alle übrigen Kinder werden dann eine Woche lang jeden Tag getestet. Ist das Ergebnis negativ, können sie weiter am Präsenzunterricht teilnehmen.
Premier Bennet mahnt: Lasst euch impfen!
Um einen Lockdown zu vermeiden, zähle jetzt vor allem eines, mahnt Premierminister Naftali Bennett: dass sich alle ungeimpften Erwachsenen impfen lassen. Von den neun Millionen Israelis sind über eine Million Menschen nicht geimpft, obwohl sie die Möglichkeit dazu hätten. Um manche von ihnen zum Impfen zu bewegen, gilt jetzt die Regel, dass viele öffentliche Orte nur mit Impfpass betreten werden dürfen. Wer ungeimpft ist, muss auf eigene Kosten einen Test machen.
Für die Geimpften hingegen fällt ab kommender Woche ein großer Vorteil weg: die Quarantänebefreiung nach der Rückkehr aus dem Ausland. Rückreisende aus fast allen Ländern müssen sich dann in jedem Fall selbst isolieren, egal, wie oft sie geimpft sind. Ausgenommen davon sind Reisende aus zehn Ländern, darunter Österreich, Tschechien und Ungarn. Für Deutschland gilt diese Ausnahme nicht.
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