Berlin. Unionskanzlerkandidat Laschet sieht die CDU nach dem Erfolg seines Parteifreunds in Sachsen-Anhalt als „Bollwerk gegen Extremismus“.

Zu den ungeschriebenen Regeln der Politik gehört: Ist eine Partei in einer Landtagswahl erfolgreich, werden die Politiker im Bund das gute Ergebnis stets auch für sich reklamieren. Verliert sie, waren ausschließlich „regionale Probleme“ die Ursache. Das Besondere an dieser Regel: Für Landespolitiker gilt sie genau umgekehrt.

Sehr anschaulich ließ sich diese Regel am Montag in Berlin beobachten. Am frühen Nachmittag trat in der Parteizentrale CDU-Chef Armin Laschet vor die Presse. Mit dabei: der Gewinner der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, Ministerpräsident Reiner Haseloff.

Ursprünglich sollte der 67-Jährige nur digital zugeschaltet werden. Doch offenbar wollte man dann doch nicht auf die Chance verzichten, rund drei Monate vor der Bundestagswahl einen echten Sieger präsentieren zu können.

Armin Laschet wendet Trick von Markus Söder an

Haseloff genoss den Moment sichtlich. Er, der in der Hackordnung der Ministerpräsidenten bislang einen eher niederen Rang bekleidete, hat ein sensationelles Ergebnis vorzuweisen: Um mehr als sieben Prozentpunkte hat die CDU in Sachsen-Anhalt im Vergleich zur letzten Wahl zugelegt.

Blumen für den Gewinner: Laschet gratuliert Ministerpräsident Reiner Haseloff zum Wahlsieg.
Blumen für den Gewinner: Laschet gratuliert Ministerpräsident Reiner Haseloff zum Wahlsieg. © dpa | Michael Kappeler

Trotz Pandemie und trotz Umfragen, die die AfD dicht hinter den Konservativen sahen. Das hat schon lange kein CDU-Politiker mehr geschafft. Und das, obwohl Haseloff im Machtkampf um die Kanzlerkandidatur in eine Außenseiterrolle geriet, als er sich im CDU-Bundesvorstand offen für CSU-Chef Markus Söder aussprach.

Doch davon wollte in Berlin niemand mehr etwas wissen. „Dies ist ein guter Tag, für die CDU – und für die Demokratie in Deutschland“, freute sich CDU-Chef Laschet. Dann wandte er einen alten Trick von Markus Söder an: Er lobte Haseloff mit Worten, die auch auf ihn selbst passten. Dieser habe einen „klaren Kurs“ und sei ein „Landesvater im besten Sinne“, sagte Laschet, der selbst Ministerpräsident ist: „Die CDU ist das Bollwerk gegen Ex­tremismus.“

Haseloff verrät sein Erfolgsrezept

Haseloff habe es zudem verstanden, die Sorgen, die der Kohleausstieg und der damit verbundene Strukturwandel für die Menschen in der Region bedeute, „nicht mit Sprüchen und Polemisieren, sondern mit Zuhören und hartem Verhandeln, auch auf Bundesebene“ zu gestalten. Das klang fast, als hätte Laschet seine eigene Rolle beim Kohleausstieg in NRW beschrieben.

Der Stargast der Pressekonferenz bat zunächst um Nachsicht. „Es ist eine große Freude, die man meinem Gesicht vielleicht nicht so ansehen kann, weil ich heute Nacht nur drei Stunden geschlafen habe.“ Dann machte er klar, dass er sich nicht ohne Weiteres vereinnahmen lassen will. Noch nie sei sein Wahlsieg „so deutlich“ gewesen, sagte Haseloff, der seit 2011 in Sachsen-Anhalt regiert.

Dabei sei die Landespolitik oft von Bundesthemen beeinflusst worden. Als Beispiel nannte er unter anderem die Flüchtlingskrise und die Pandemie.

„Das ist schon kein einfacher Wahlkampf, den man führt.“ Trotzdem sei ein Stimmzuwachs gelungen, der – kleiner Seitenhieb gegen Laschet – selbst den Zuwachs der CDU in Nordrhein-Westfalen bei der letzten Wahl übertreffe und – kleiner Seitenhieb gegen Bayerns Ministerpräsident Söder – ganz knapp hinter dem bayerischen Ergebnis liege.

Voller Stolz betonte Haseloff, dass man den Abstand zur AfD von 5,5 Prozent im Jahr 2016 auf jetzt 16,3 Prozent vergrößert habe. Es zeige, „dass wir unsere Hausaufgaben gemacht haben“.

Wie das auch im Bund gelingen kann, beantwortete Haseloff gleich selbst: „Die Union hat zusammengestanden.“ Explizit nannte er Armin Laschet, aber auch Markus Söder und Friedrich Merz, der in Sachsen-Anhalt mehrfach Auftritte hatte.

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Kampfansage von Reiner Haseloff

Ein solches Resultat sei auch bei der Bundestagswahl „erreichbar, wenn wir geschlossen marschieren“, sagte Haseloff. Außerdem sei es gelungen, die Wählerinnen und Wähler für die Folgen eines Wahlsiegs der AfD zu sensibilisieren.

Dann machte Haseloff der AfD eine Kampfansage: „Sie müssen aus allen Parlamenten in Deutschland raus – vor allem beginnend im Bundestag.“ Er nannte es eine „gesamtdeutsche Aufgabe“, die AfD weiter zurückzudrängen, und nicht allein eine des Ostens.

Solche Worte sind Wasser auf den Mühlen von CDU-Chef Laschet, der einerseits immer auf einen klaren Kurs der Abgrenzung zur AfD dringt, andererseits aber mit der Bundestagskandidatur von Hans-Georg Maaßen in Thüringen eine offene Flanke nach rechts hat. Zumal Haseloff – auf Nachfrage eines TV-Journalisten – betonte, dass auch der Besuch von Laschet im Wahlkampf geholfen habe.

Armin Laschet kann zufrieden sein

Unabhängig davon, ob dies auch der Wirklichkeit entspricht, kann Laschet mit dem Ergebnis zufrieden sein. Die Ausstrahlung eines Verlierers, die ihn in den vergangenen Wochen trotz seiner Siege im Kampf um den CDU-Vorsitz und die Kanzlerkandidatur stets begleitete, scheint durchbrochen.

„Wichtig für Laschet ist, dass es keine Niederlage ist, die man ihm anheftet – das alleine ist ein riesiger Vorteil für Laschet“, sagt auch Thorsten Faas, Professor für Politische Soziologe an der Freien Universität Berlin: „Ob er objektiv zu diesem Sieg beigetragen hat, spielt dabei eigentlich gar keine Rolle.“

Für Laschets Kanzlerkandidatur könnte Sachsen-Anhalt tatsächlich der Wendepunkt gewesen sein. Noch muss er aber beweisen, dass er es auch aus eigener Kraft kann.