Berlin. Zur Bundestagswahl planen viele Parteien im Wahlprogramm strenge Regeln für Nebeneinkünfte von Abgeordneten. Ziel ist mehr Transparenz.

Die Maskenaffären mehrerer Unionsabgeordneter haben das Thema Nebeneinkünfte von Politikern unlängst ins Zentrum der Aufmerksamkeit katapultiert. Es ging um hohe, teils verdeckte Provisionszahlungen für die Beschaffung von Corona-Atemschutzmasken und Korruptionsvorwürfe.

Das Bekanntwerden solch schwerwiegender Fälle erschüttert das öffentliche Vertrauen in die Politik. Mitunter führt es dazu, dass Bundestagsabgeordnete insgesamt für die Verfehlungen einzelner in Mithaftung genommen werden.

Abgeordnete erhalten pro Monat mehr als 10.000 Euro an Bezügen

Schnell gelten Parlamentarier als Raffkes, selbst wenn Nebeneinkünfte zusätzlich zu den monatlichen Bezügen in Höhe von 10.083,47 Euro unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich zulässig sind.

Etliche Abgeordnete waren vor ihrem Wechsel in die Politik als Selbstständige tätig. Sie hatten beispielsweise einen eigenen Betrieb, eine Kanzlei oder Praxis, welche während der Mandatszeit weitergeführt werden und Gewinne erwirtschaften. Andere sitzen in Aufsichtsräten, Stiftungskuratorien oder in Vorständen von Organisationen und erhalten hierfür eine Vergütung.

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Nebeneinkünfte zulässig, Mandat muss aber im Mittelpunkt stehen

Nach Recherchen der Internetplattform Abgeordnetenwatch.de aus dem vergangenen Sommer gaben 215 der insgesamt 709 Bundestagsabgeordneten zuletzt an, in der laufenden Legislatur ab 2017 neben ihrem Mandat für mindestens eine Nebentätigkeit bezahlt worden zu sein. Das sind rund 30 Prozent der Parlamentarier.

Rechtliche Voraussetzung für eine Nebentätigkeit ist, dass die Abgeordnete ihre Zusatzverdienste dem Bundestag anzeigen und öffentlich machen. Zudem muss die Ausübung des politischen Mandats laut Abgeordnetengesetz im Mittelpunkt der Tätigkeit eines Mitglieds des Bundestages stehen. Lesen Sie hier: Alle aktuellen Umfragen zur Bundestagswahl

Corona-Maskenaffäre verleiht Debatte um Nebeneinkünfte neue Dynamik

Und doch hat das Thema Nebeneinkünfte nicht allein durch die Maskenaffäre eine neue Dynamik im Bundestagswahlkampf erhalten. Auch das Versäumnis der Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat die Debatte befeuert.

Baerbock hatte der Verwaltung des Bundestags Sonderzahlungen von mehr als 25.000 Euro nicht rechtzeitig gemeldet hatte. Es handelte sich bei Baerbock um Bezüge, welche die Spitzenpolitikerin in den vergangenen Jahren als Bundesvorsitzende von ihrer eigenen Partei bekommen hatte.

Nach Maskenaffäre der Union: Bundestag will neue Transparenzregeln beschließen

Etliche Parteien haben in ihren Programmen zur Bundestagswahl Forderungen aufgestellt, wie sie im parlamentarischen Betrieb künftig für mehr Transparenz und strengere Regeln sorgen wollen. Die Politik will sich offensichtlich nicht nachsagen lassen, an dieser Stelle unentschlossen zu sein. Das gilt besonders für die Regierungspartner Union und SPD.

Als Reaktion auf die Maskenaffäre bei CDU und CSU hatte sich die große Koalition Ende März auf strengere Transparenzregeln geeinigt. Ende April wurde ein entsprechender Gesetzentwurf von CDU/CSU, SPD, Grüne und Linken erstmals im Plenum beraten worden. Damals hatte sich eine breite Mehrheit für strengere Transparenzregeln abgezeichnet. Die endgültige Abstimmung ist für 11. Juni vorgesehen. Mehr dazu: Wahlprogramme zur Bundestagswahl: Das sind die Pläne der Parteien

Novelle: Parlamentariern soll Annahme von Geldspenden in Zukunft verboten sein

Nach dem Gesetzentwurf sollen bezahlte Lobbyarbeit von Abgeordneten gegenüber der Bundesregierung oder dem Bundestag sowie die Annahme von Geldspenden künftig verboten sein. Das gilt auch für Honorare für Vorträge im Zusammenhang mit der parlamentarischen Arbeit. Nebeneinkünfte sind ab 1000 Euro im Monat oder 3000 Euro im Jahr anzugeben.

Daneben wollen viele Parteien den Einfluss von Lobbyisten und Interessensvertreter auf politische Entscheidungen verhindert und auch Spenden an Politiker neu reglementieren. Hierzu finden sich in etlichen Wahlprogrammen Vorschläge und Ideen.

SPD: Abgeordnete sollen ihr Einkommen „auf Euro und Cent angeben“

Die SPD tritt für eine strenge Abrechnung der Einkünfte von Parlamentariern ein. „Wir werden dafür sorgen, dass Abgeordnete zukünftige ihre Einkommen auf Euro und Cent angeben müssen“, heißt es im Programm der Sozialdemokraten zur Bundestagswahl.

Zudem will die SPD für Abgeordnete „die Anzeigepflicht für Unternehmensbeteiligung und Aktionenoptionen verschärfen“. Um den Einfluss von Lobbygruppen bei Gesetzentwürfen sichtbar zu machen, sollen Entscheidungsprozesse im Gesetzgebungsverfahren offengelegt und damit nachvollziehbarer werden.

AfD: Mit kürzeren Mandatszeiten „Tendenz zum Berufspolitikertum“ beenden

Die AfD will die Mandatszeit von Bundestagsabgeordneten sowie von Kanzlerinnen und Kanzlern begrenzen: Abgeordnete sollen maximal vier Mal antreten dürfen. Sie könnten damit insgesamt höchstens 16 Jahre Bundestagsabgeordnete sein. Die Amtszeit von Kanzlerin oder Kanzler soll laut Wahlprogramm auf zwei Legislaturen, also auf acht Jahre, beschränkt werden. Lesen Sie auch: Bundestagswahl 2021: Drohen Cyberangriffe durch Hacker vor der Wahl?

Auf dieses Weise solle die „Tendenz zum Berufspolitikertum“ beendet werden, denn dies führe zu „Vetternwirtschaft, Filz, korruptionsfördernde Strukturen und Lobbyismus“, heißt es im Programm der größten Oppositionspartei im Bundestag. Die Regelungen zu Nebentätigkeiten für Parlamentarier sowie gegen Abgeordnetenbestechung will die AfD „deutlich verschärfen“.

Linke: Beschäftigungsverbot von Lobbyisten in Ministerien

Die Linke lehnt Unternehmensspenden, privaten Großspenden und Parteiensponsoring zur Aufbesserung ihrer Finanzlage ab. Bundestagsabgeordnete der Linken verpflichten sich laut dem Entwurf zum Wahlprogramm, „keine Spenden oder Geschenke von Lobbygruppen oder Großunternehmen annehmen“.

Parteispenden von Firmen und Interessensverbänden sowie das Sponsoring von Parteitagen will die Linke verbieten. Parteispenden von Privatpersonen will die Linke auf 25.000 Euro im Jahr begrenzen. Zudem fordert die Partei ein Lobbyregister sowie „ein Beschäftigungsverbot von Lobbyisten in Bundesministerien“.

Gesetzesvorlagen der Bundesregierung soll eine Auflistung der Interessenvertreter und Sachverständigen beigefügt werden, „deren Stellungnahmen bei der Erstellung und Erarbeitung berücksichtigt wurden“. Die Nebenverdienste von Abgeordneten „sind auf Euro und Cent zeitnah zu veröffentlichen“. Auch interessant: Bundestagswahl: Was für ein Wahlsystem hat Deutschland?

Grüne: Keine Direktspenden mehr an Abgeordnete

Auch die Grünen fordern ein gesetzliches Lobbyregister, um damit „den Einfluss organisierter Interessensgruppen und von Lobbyist*innen bei Bundesregierung und Bundestag offenlegen“. Weiter heißt es im Entwurf des Wahlprogramms, Abgeordneten solle eine „entgeltliche Lobbytätigkeit neben ihrem Mandat“ untersagt werden.

Der Wechsel aus Regierungsämtern in die Wirtschaft soll „für eine Karenzzeit von zwei Jahren nach Ausscheiden auf Interessenskonflikte geprüft wird“. Damit würden die Grünen den direkten Wechsel aus Politik in die Wirtschaft jedoch weiterhin billigen. Einkünfte von Abgeordneten aus Nebentätigkeiten will die Partei „auf Euro und Cent“ veröffentlichen.

Keine Direktspenden an Abgeordnete, strikte Veröffentlichungsregeln für Parteispenden

Für Unternehmensbeteiligungen und Aktienoptionen von Abgeordneten verlangen die Grünen striktere Regeln. Abgeordnete sollen keine Direktspenden mehr annehmen dürfen. Für Spenden an Parteien soll es „striktere Veröffentlichungsregeln“ geben.

Die FDP trifft in ihrem Programm zur Bundestagswahl indes keine gesonderten Festlegungen für Nebeneinkünfte von Abgeordneten oder zum Thema Lobbyismus. Von CDU und CSU gibt es derweil noch kein gemeinsames Wahlprogramm, es soll in der zweiten Junihälfte beraten werden.

Das Portal Abgeordnetenwatch.de erstellt jährlich ein Ranking der höchsten Nebeneinkünften von Bundestagsabgeordneten. Die bislang letzte Auswertung stammt von Juli 2020 und bezieht sich auf die laufende Legislaturperiode seit 2017.

Zehn unterschiedliche Stufen von Nebeneinkünften beim Bundestag

Der Bundestag hat sich eigene Regeln gegeben. Nebeneinkünfte werden vin zehn Stufen veröffentlicht: Stufe 1 erfasst demnach „einmalige oder regelmäßige monatliche Einkünfte von 1.000 bis 3.500 Euro“. Es folgen jeweils Einkünfte bis 7.000 Euro, bis 15.000 Euro, bis 30.000 Euro, bis 50.000 Euro, bis 75.000 Euro, bis 100.000 Euro, bis 150.000 Euro und bis 250.000 Euro.

Die höchste Stufe 10 erfasst Einkünfte von mehr als 250.000 Euro. Bei den Zahlen von Abgeordnetenwatch.de handelt es sich um Mindesteinkünfte. Unter den Spitzenverdienern sind auch etliche prominente Politiker:

  • Peter Ramsauer (CSU), ehemaliger Bundesverkehrsminister. Nebeneinkünfte von mindestens 896.000 Euro, unter anderem aus Beratertätigkeiten.
  • Gregor Gysi, früher Fraktionschef der Linken. Nebeneinkünfte von 470.000 Euro, unter anderem aus Vorträgen.
  • Christian Lindner, FDP-Fraktions- und Parteivorsitzender. Nebeneinkünfte von mindestens 424.500 Euro, vor allem mit Vorträgen.
  • Tino Chrupalla, AfD-Vorsitzender. Nebeneinkünfte in Höhe von 402.500 Euro zusätzlich zu den Abgeordnetenbezügen.
  • Thomas de Maizière (CDU), einstige Bundesinnen- und Verteidigungsminister. Nebeneinkünfte in Höhe von mindestens 270.000 Euro.
  • Lars Klingbeil, SPD-Generalsekretär. Nebeneinkünfte in Höhe von mindestens 231.000 Euro.
  • Ulla Schmidt (SPD), früheren Bundesgesundheitsministerin. Nebeneinkünfte von mindestens 207.500 Euro aus Unternehmensposten.
  • Cem Özdemir, Ex-Bundesvorsitzender der Grünen. Nebeneinkünfte von 38.500 Euro.
  • Jürgen Trittin, ehemaliger Fraktionschef der Grünen im Bundestag. Nebeneinkünfte von 12.000 Euro.