Berlin. Das Infektionsschutzgesetz soll geändert werden. Der Bund soll damit mehr Möglichkeiten erhalten. Aber was regelt das Gesetz genau?

  • Das Infektionsschutzgesetz soll verschärft werden
  • Der Bund soll die Möglichkeit bekommen, über Rechtsverordnungen in die Länder hineinregieren zu können
  • Was das für ein Gesetz ist, welchem Zweck es dient und was es auch weiterhin nicht ermöglicht, lesen Sie hier

Deutschland steckt mitten in der dritten Corona-Welle. Bundesweit wird der Ruf nach einheitlichen Regeln zur Pandemie-Bekämpfung immer lauter. Statt mit einer neuen Ministerpräsidentenkonferenz soll diese Einheitlichkeit nun über eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes hergestellt werden. Was das für ein Gesetz ist, was es regelt, was es künftig regeln könnte und was es nicht kann, lesen Sie hier.

Was ist das Infektionsschutzgesetz?

Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist ein Bundesgesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten. Es trat am 1. Januar 2001 in Kraft und stellt den rechtlichen Rahmen für die Vorbeugung und Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten in Deutschland dar. Die Verwaltungskompetenz liegt bei den Bundesländern – diese bestimmen also, wie das Infektionsschutzgesetz ausgeführt wird.

Was ist der Zweck des Infektionsschutzgesetzes?

In Paragraf 1, Abschnitt 1 des IfSG heißt es: "Zweck des Gesetzes ist, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und deren Weiterverbreitung zu verhindern."

Die dazu notwendige Zusammenarbeit der Behörden auf allen Verwaltungsebenen (Bund, Länder, Kommunen), von Ärzten und Ärztinnen, Tierärztinnen und -ärzten, Krankenhäusern, wissenschaftlichen Einrichtungen und anderen Beteiligten soll, so legt es das Gesetz in Paragraf 1, Abschnitt 2, fest, "entsprechend dem jeweiligen Stand der medizinischen und epidemiologischen Wissenschaft und Technik gestaltet und unterstützt werden".

Gleichzeitig betont das Gesetz die Eigenverantwortung aller Menschen – ob in verantwortlicher Position, etwa bei einer Behörde, oder als Zivilperson, bei der Vorbeugung übertragbarer Krankheiten.

Was regelt das Infektionsschutzgesetz?

Im IfSG ist unter anderem festgelegt:

  • Welche Krankheiten und labordiagnotischen Nachweise von Erregern bei Verdacht, Erkrankung oder Tod meldepflichtig sind. Dazu gehören etwa Masern, Cholera, Tollwut, die Pest und Covid-19
  • Welche Angaben von Meldepflichtigen gemacht werden müssen und wer überhaupt meldepflicht ist. Dazu zählen zum Beispiel Ärzte und Ärztinnen, Leitende von Untersuchungsämtern oder Angehörige von Heil- oder Pflegeberufen
  • Welche dieser Angaben von den Gesundheitsämtern weiter übermittelt werden und auf welchem Weg
  • Dass die zuständigen Behörden Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten treffen müssen
  • Welche Aufgaben das Robert Koch-Institut hat
  • Was ein Risikogebiet ist
  • Welche Maßnahmen angeordnet werden können, um die Verbreitung von Covid-19 zu verhindern

Wann wurde das Infektionsschutzgesetz geändert?

Die letzte große Änderung am IfSG erfolgte durch den Deutschen Bundestag am 18. November 2020 mit der Einfügung des Paragrafen 28a und weiteren Änderungen. So kann seither der Bundestag eine "epidemische Lage von nationaler Tragweite" feststellen und wieder aufheben. Die Bundesregierung ist in diesem Fall verpflichtet, regelmäßig über Entwicklungen zu berichten.

Geändert wurde das Gesetz vor allem, weil es ursprünglich nicht darauf ausgelegt war, eine Pandemie zu bekämpfen. In seiner Urfassung sollte es dazu dienen, lokale Ausbrüche von Krankheiten einzudämmen.

Was soll sich nun am Infektionsschutzgesetz ändern?

Im Lauf der Pandemie zeigte sich Anfang 2021, dass die Konferenz der Länderchefinnen und -chefs nur bedingt in der Lage ist, bundesweit einheitliche Regeln zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie aufzustellen. Immer wieder scherten einzelne Bundesländer aus den getroffenen Beschlüssen aus.

Insbesondere zeigte sich das an der am 3. März verabschiedeten "Notbremse", die Lockerungen ab bestimmten Inzidenzwerten automatisch wieder zurücknehmen sollte. Einzelne Länder legten diese "Notbremse" für sich anders aus, was dazu führte, dass manche Bundesländer auf die Bremse traten – während andere Öffnungsschritte überlegten.

Nun soll das IfSG im Eilverfahren nachgeschärft werden. Die Bund und Länder wollen bundesweit einheitliche Regelungen für Regionen mit hohen Infektionszahlen schaffen – die "Notbremse" soll Gesetz werden. In den Worten der stellvertretenden Regierungssprecherin, Ulrike Demmer: "Bund und Länder haben sich darauf verständigt, in enger Absprache mit den Bundestagsfraktionen das Infektionsschutzgesetz zu ergänzen, um nun bundeseinheitlich zu regeln, welche Beschränkungen zu ergreifen sind, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in einem Landkreis über 100 liegt."

In einem Gesetzesentwurf, der dieser Redaktion vorliegt, werden verbindliche Regeln für solche Regionen festgelegt. Der Bund soll außerdem die Kompetenz erhalten, per Rechtsverordnung deren Umsetzung in den Ländern zu garantieren. Neben bereits bekannten Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen sollen im Zweifelsfall auch nächtliche Ausgangssperren helfen, die weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern.

Wie schnell kann die Änderung vollzogen werden?

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble zufolge lässt sich das IfSG in sehr kurzer Zeit ändern. "Es kann schnell gehen, wenn die Beteiligten alle wollen", sagte der CDU-Politiker im ZDF-"Heute Journal". Zur Not könne dies sogar in einer einzigen Sitzungswoche passieren.

Dabei wird ein ganz normales Gesetzgebungsverfahren angestrebt. Der Entwurf werde vor der Verabschiedung im Kabinett mit den Fraktionen im Bundestag und mit den Ländern besprochen, sagte Demmer am Freitag.

Schränkt das Infektionsschutzgesetz Grundrechte ein?

Mit dem IfSG kann in bestimmte Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingegriffen werden. Dazu muss der Bundestag zunächst eine "epidemische Lage von nationaler Tragweite" feststellen.

  • Für die Dauer dieser Lage dürfen bestimmte Grundrechte eingeschränkt werden. Dazu zählen etwa die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Recht auf Versammlungsfreiheit oder das Recht der Freiheit der Person
  • In bestimmten Fällen ist es möglich, auf Grundlage des Gesetzes Schutzimpfungen anzuordnen. Damit wird in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit eingegriffen
  • Die Einschränkungen müssen aber verhältnismäßig sein und dürfen nur zeitlich, räumlich oder personell begrenzt gelten
  • Gerichte prüfen regelmäßig die Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseinschränkungen – und beenden diese auch im Zweifelfall

Ist das Infektionssschutzgesetz ein "Ermächtigungsgesetz"?

Trotz dieser Möglichkeit zur Einschränkung der Grundrechte ist das Infektionsschutzgesetz kein "Ermächtigungsgesetz", wie von Gegnern der Coronavirus-Politik gerne behauptet wird. Sie spielen mit dem Vorwurf auf das gleichnamige Gesetz aus dem Jahr 1933 an, mit dem sich der Reichstag selbst entmachtete und die Gesetzgebung dem nationalsozialistischen Diktator Adolf Hitler übergab.

Die NS-Regierung konnte daraufhin ohne Zustimmung von Reichstag und Reichsrat Gesetze zu erlassen. Die Gewaltenteilung, Grundlage jedes Rechtsstaats, war komplett aufgehoben. Von einem solchen dauerhaften Außerkraftsetzen demokratischer Prinzipien kann heute keine Rede sein.

Zwar fehlen stärkere Beteiligungsrechte der Parlamente an der Gesetzgebung zur Pandemiebekämpfung. Zentrale Voraussetzung für die Einschränkung der Grundrechte über das IfSG ist und bleibt aber, dass der Bundestag zunächst eine entsprechende Notlage feststellen muss. Zudem kann der Bundestag feststellen, dass die epidemische Lage vorbei ist – spätestens dann gäbe es keine rechtliche Grundlage mehr für Grundrechtsbeschränkungen.

Keineswegs ist es also möglich, aus dem Kanzleramt heraus am Parlament vorbei nach Belieben Bürgerinnen und Bürgern Grundrechte wegzunehmen. Auch in Corona-Zeiten nicht.