Berlin. Bei “Markus Lanz“ warnte ein Pharmazeut vor mehr Corona-Mutationen bei Kindern - und forderte mehr Maßnahmen gegen die Verbreitung.

  • Bei "Markus Lanz" gab es am Donnerstag ein Potpourri an Themen
  • So diskutierten die Gäste unter anderem über Korruption, das "Ruhetage"-Debakel und die Verantwortung von Rentnern
  • Ein Gast war vor allem wegen der vermehrten Mutationen bei Kindern und Jugendlichen besorgt - und forderte schärfere Maßnahmen

"Kaviardiplomatie". Der Begriff klingt harmlos, nicht unangenhem - zumindest wenn man Kaviar mag. Dahinter verbirgt sich jedoch eine massive Korruptionsaffäre, die allmählich ans Licht kam und die Institution Europarat, zuständig für den Schutz der Menschenrechte, derzeit erschüttert.

"Das zerstört die Institutionen, die 1949 eingerichtet wurden, um uns alle zu schützen", machte Gerald Knaus bei "Markus Lanz" deutlich. Der österreichische Soziologe hatte die Methoden, mit denen Aserbaidschan systematisch Abgeordnete des Europarats zu kaufen versuchte, aufgedeckt.

Kurz vor Schluss führte der Begründer des Think Tanks "European Stability Initiative" nun bei Markus Lanz aus, wie "Kaviardiplomatie" im Detail funktionierte: Erst kommt eine Einladung, das Land zu besuchen, dann warteten teure Geschenke im Hotel, zum Beispiel Kaviar oder Schmuck, schließlich folgten hohe Geldüberweisungen via verschiedene Briefkastenfirmen. So wurden die eingeladenen Europa-Politiker Schritt für Schritt angefüttert.

"Markus Lanz" – Das waren die Gäste:

  • Andreas Bovenschulte (SPD), Bremer Bürgermeister
  • Eva Quadbeck, Journalistin
  • Richard David Precht, Philosoph
  • Prof. Thorsten Lehr, Pharmazeut
  • Gerald Knaus, Soziologe

"Markus Lanz": Die Selbstheilungskräfte der Demokratie haben offenbar versagt"

Luca Volontè zum Beispiel, berichtete Knaus weiter, hatte auf diese Weise 2,4 Millionen Euro kassiert. Inzwischen wegen Geldwäsche von einem Mailänder Gericht zu vier Jahren Gefängnis verurteilt, hatte sich der italienische Abgeordnete und Ex-Chef der EVP für die Zuwendungen "bedankt", indem er 2013 gegen einen Antrag des Europarates gestimmt hatte, Aserbaidschan wegen der Inhaftierung politischer Gefangener zu verurteilen.

Er war nicht der Einzige: Insgesamt hatten 125 Abgeordnete aus ganz Europa, darunter auch der ehemalige deutschen Parlamentarier Eduard Lintner (CSU) und die kürzlich auf einem Kuba-Rückflug verstorbene Bundestagsabgeordnete Karin Strenz (CDU) mit ihrer politischen Arbeit Aserbaidschan unterstützt. Zu befürchten war, dass die Korruption noch weitere Kreise ziehen würde als bisher ermittelt worden sei. "Die Selbstheilungskräfte der Demokratie haben offenbar versagt", diagnostizierte Gerald Knaus.

Wieviel Vertrauen konnten Bürger bei solchen Fehlleitungen überhaupt noch haben – zum Staat, zur praktischen Politik? Wenn es an diesem Donnerstag bei "Markus Lanz" einen verbindenden Aspekt für die unterschiedlichsten Themen gab, dann war es diese Frage. Natürlich ging es sonst hauptsächlich um Corona und die Folgen wankelmütiger Entscheidungen.

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Corona-Regeln: Das „Gründonnerstagstrauma“ und die Folgen

Wieviel Schaden hatte zum Beispiel das "neue deutsche Gründonnertagstrauma" angerichtet, wollte Markus Lanz von Andreas Bovenschulte wissen. Der Bremer Bürgermeister (SPD) bestätigte immerhin ein "suboptimales Ergebnis", das nicht unbedingt dazu geeignet war, das Vertrauen in die Politik zu stärken.

Als MP war Andreas Bovenschulte an der Diskussion der nächtlichen Bund-Länder-Runde vom Montag beteiligt, was eine fünftägige Komplettschließung ab Gründonnerstag für das Infektionsgeschehen bringen würde. Der Vorschlag war zur späten Stunde aus dem Kanzleramt gekommen.

"Wir haben alle zugestimmt, dass der Bund die technische Umsetzung prüfen soll", berichtete er. "Wenn ein Vorschlag aber derart in die Wicken geht, soll man auch nicht daran festhalten", rechtfertigte er die Kehrtwende der Bundeskanzlerin zwei Tage später.

"Mutation trifft sehr viele Kinder und Jugendliche, die das Virus in die Familien bringen"

Eva Quadbeck hatte weniger Verständnis. Die Leiterin der RND-Hauptstadtbüros erkannte sogleich, wie "weit weg vom richtigen Leben" die Ministerpräsidenten am Montag entschieden hatte: Hatte denn niemand bedacht, dass es in den Geschäften zu einem "unfassbaren Geknubbel" in den Tagen davor kommen würde?

Zumal die ursprüngliche Vorlage eigentlich eine Lockerung der Kontaktbeschränkungen zu den Oster-Feiertagen versprochen hatte. "Wenn man auf Sicht fährt, sollte man wissen, ob man das Ruder nach rechts oder links reißen will", beschwerte sie sich über den Zickzackkurs und attestierte den beteiligten Politikern nach einem Jahr Corona die gleiche Ermattungserscheinungen wie dem Rest der Bevölkerung.

Dass eine konkrete Voraussage, wie sich die Inzidenzen tatsächlich entwickelten, sehr schwierig sei, bestätigte Pharmazeut Thorsten Lehr, zugeschaltet aus dem Saarland per Video. "Das hängt sehr davon ab, ob die Leute sich an die Maßnahmen halten", erläuterte er.

Dann präsentierte der Physiker der Universität Saarland eine aktuelle Modellrechnung mit drei unterschiedlich ansteigenden Kurven, die allesamt für die Zeit nach Ostern nichts Gutes versprachen: Nur wenn zusätzliche Maßnahmen getroffen würden, könnte die Kurve noch abflachen.

In der momentanen Situation treffe die „Mutation sehr viele Kinder und Jugendliche, die das Virus in die Familien bringen“, erläuterte er und plädierte aus Sicht der Wissenschaft für Ausgangssperren, Kontaktreduktion und sogar Schulschließungen. Ob das Saarland nach Ostern den Lockdown tatsächlich beenden könnte, wie es Ministerpräsident Tobias Hans angekündigt hatte, mochte er nicht vorhersehen: „Es ist eine mutige Entscheidung.“

Richard David Precht fordert soziales Pflichtjahr für Rentner

"Wir irren vorwärts", kommentierte Richard David Precht die aktuelle Pandemie-Situation dagegen. Das klang weder verächtlich noch verurteilend, eher nüchtern: "In einer Pandemie kann man gar nicht anders als auf Sicht fahren", verteidigte der populäre Philosoph die wechselhaften Maßnahmen der Bundesregierung.

"Die Forderung nach einer langfristigen Strategie, wie die Opposition sie jetzt wieder fordert, ist lächerlich", ergänzte er und nahm auch die Journalisten, die im Nachhinein alles besser wüssten, von seiner Kritik nicht aus.

Eingeladen, um über sein neues Buch "Von der Pflicht" vorzustellen, erörterte Precht dann allerdings mehr die Rolle eines guten Staatsbürgers: Manche Menschen, vor allem Querdenker, hätten die eigenartige Vorstellung, der Staat sei dafür da, Rechte zu garantieren, aber ihnen im Gegenzug nichts abverlangen zu dürfen. "Das ist de facto nicht der Fall. Es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Rechten und Pflichten, das gilt auch für das Staatsbürgertum."

Um funktionieren zu können, sei der Staat sogar auf Menschen angewiesen, die sich verantwortlich, solidarisch, empathisch verhielten. Nur würde sich viele gar nicht mehr wie Staatsbürger benehmen, sondern wie Kunden eines Dienstleisters.

Deshalb schlug er ein soziales Pflichtjahr nicht nur für Schulabgänger vor, sondern auch für jeden, der/ die ins Rentenalter eintritt: "Je mehr man fürs Gemeinwohl tut, desto mehr ist man gefeit davor, idiotische Positionen zu beziehen." Die Erfahrung der Selbstwirksamkeit ließe sich nur praktisch vermitteln. Und. Sei der beste Weg, gute Staatbürger hervorzubringen.

"Markus Lanz" – So liefen die vergangenen Sendungen